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Video: rbb24 Brandenburg aktuell | 04.10.2022 | Michel Nowak | Quelle: imago/Joseffson

Aktion von Dienstag bis Freitag

Hausärzte in Brandenburg schränken Sprechzeiten aus Protest ein

Schon lange klagen Hausärzte in Brandenburg über Nachwuchs- und Kollegenmangel. In dieser Woche wird ihr Protest spürbar: Sie schränken die Öffnungszeiten ein und machen "Dienst nach Vorschrift".

Hausärzte in Brandenburg werden von Dienstag bis Freitag im Rahmen einer landesweiten Protestwoche ihre Praxissprechzeiten einschränken. In der laufenden Woche werden Praxen die Sprechstundenzeiten auf das gesetzlich vorgeschriebene Mindestmaß von fünf Stunden täglich beschränken und "Dienst nach Vorschrift" machen, hieß es.

Die ärztliche Versorgung werde eingeschränkt, akute Fälle würden aber weiterhin versorgt, erklärte Peter Noack, Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung Brandenburg, die Einschränkungen und sprach von einem Hilferuf. Er sagte am Dienstagmorgen im rbb24 Inforadio, es müssten bessere Rahmenbedingungen geschaffen werden für die ambulante Versorgung: "Damit der Nachwuchsmangel besser bekämpft werden kann. Damit unsere Arzthelferinnen ordentlich bezahlt werden können."

Protest als Warnsignal

Die niedergelassenen Mediziner beklagen immer schwieriger werdende Bedingungen für die Patientenversorgung und steigende Betriebs- und Personalkosten, sowie die Pläne der Bundesregierung, bestimmte Leistungen für Neupatienten nicht mehr zu bezahlen. In Berlin blieben bereits Anfang September rund 2.000 Arztpraxen aus diesem Grund für einen Tag geschlossen.

Politik und Krankenkassen müssten gegensteuern, fordert der Hausärzteverband Brandenburg. Kritisiert wird auch, dass nur Krankenhäuser finanzielle Unterstützung vom Land wegen der hohen Inflation und Energiekosten erhalten sollen. Gerade nach den Mehrbelastungen durch die Corona-Pandemie fühlten sich die Kolleginnen und Kollegen durch die geplanten Einsparungen ungerecht behandelt, sagte die Vorsitzende des Hausärzteverbands Brandenburg, Karin Harre, am Dienstagmorgen bei Radioeins. Die Politik müsse die Rahmenbedingungen stattdessen finanziell weiter verbessern.

Der Protest solle zeigen, was passiert, wenn an der ambulanten Versorgung weiter so gespart werde und in den Arztpraxen allmählich die Lichter ausgingen, heißt es vom Hausärzteverband. Er forderte, dass die 1.300 Praxen vergleichbar zu den Brandenburger Krankenhäusern einen Inflations- und Energiekostenausgleich erhalten sollen.

Forderung nach Kostenausgleich

Das bestätigen auch Hausärzte in Ostbrandenburg, die sich an dem Protestaufruf beteiligen. "Wir beteiligen uns an der Protestaktion deshalb, weil die Arztpraxen in Brandenburg tatsächlich zunehmend in Probleme geraten", sagte etwa Hausärztin Katharina Weinert aus Fredersdorf-Vogelsdorf (Märkisch-Oderland) am Dienstag dem rbb.

Seit etwa fünf Jahren leitet sie eine Praxis mit fünf Mitarbeitern. Für Praxen wie ihre könne es eng werden durch Inflation, steigende Energie- und Lohnkosten. Die Krankenhäuser hätten mehr als 80 Millionen Euro Kostenausgleich bekommen, berichtet sie. Ähnliches fordert der Hausärzteverband daher für die etwa 1.300 Praxen im Land.

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Zwei Punkte würden sie besonders stören: Die Neupatientenregelung wurde abgeschafft, wie Weinert berichtet. Für neue Patienten gäbe es für die Praxen damit nicht mehr Geld, obwohl sie mehr Aufwand hätten als bei Stammkunden. Außerdem hätten sich die Verbände mit den Krankenkassen nur durch ein Schiedsverfahren auf zwei Prozent höhere Vergütung einigen können, obwohl die Kosten deutlich höher gestiegen seien.

Protest versus Berufsethos

Die Beweggründe kann auch Ulrich Zeisler nachvollziehen. Er ist seit 1991 Hausarzt in Buckow und Strausberg (beides Märkisch-Oderland). "Ich verstehe die Protestaktion. Ich verstehe auch, dass die Kollegen teilweise sehr frustriert sind, dass es Probleme gibt und dass sie besorgt sind", sagt er, fügt jedoch hinzu: "Aber ich kann diese Protestaktion eigentlich in dem Sinne nicht machen, weil ich kann ja niemanden wegschicken, der jetzt mit Fieber oder Herzschmerzen da steht."

"Menschen finden keinen Hausarzt mehr"

Einige Regionen Brandenburgs beklagen zudem einen Hausärzte-Mangel. "Wir erleben schon jetzt, dass Menschen keinen Hausarzt mehr finden", sagte Karin Harre. Sie beklagt außerdem eine mangelnde Planungssicherheit für Ärztinnen und Ärzte, die sich in Brandenburg niederlassen wollen.

Brandenburgische Hausarztpraxen behandelten bereits mehr Patientinnen und Patienten als in anderen Bundesländern. Zugleich gebe es eine immer dünner werdende finanzielle Ausstattung.

Sendung: rbb24 Inforadio, 04.10.2022, 6 Uhr

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