Aktion von Dienstag bis Freitag - Hausärzte in Brandenburg schränken Sprechzeiten aus Protest ein

Di 04.10.22 | 17:37 Uhr
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Symbolbild: Beratung beim Hausarzt (Quelle: imago/Joseffson)
Video: rbb24 Brandenburg aktuell | 04.10.2022 | Michel Nowak | Bild: imago/Joseffson

Schon lange klagen Hausärzte in Brandenburg über Nachwuchs- und Kollegenmangel. In dieser Woche wird ihr Protest spürbar: Sie schränken die Öffnungszeiten ein und machen "Dienst nach Vorschrift".

Hausärzte in Brandenburg werden von Dienstag bis Freitag im Rahmen einer landesweiten Protestwoche ihre Praxissprechzeiten einschränken. In der laufenden Woche werden Praxen die Sprechstundenzeiten auf das gesetzlich vorgeschriebene Mindestmaß von fünf Stunden täglich beschränken und "Dienst nach Vorschrift" machen, hieß es.

Die ärztliche Versorgung werde eingeschränkt, akute Fälle würden aber weiterhin versorgt, erklärte Peter Noack, Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung Brandenburg, die Einschränkungen und sprach von einem Hilferuf. Er sagte am Dienstagmorgen im rbb24 Inforadio, es müssten bessere Rahmenbedingungen geschaffen werden für die ambulante Versorgung: "Damit der Nachwuchsmangel besser bekämpft werden kann. Damit unsere Arzthelferinnen ordentlich bezahlt werden können."

Protest als Warnsignal

Die niedergelassenen Mediziner beklagen immer schwieriger werdende Bedingungen für die Patientenversorgung und steigende Betriebs- und Personalkosten, sowie die Pläne der Bundesregierung, bestimmte Leistungen für Neupatienten nicht mehr zu bezahlen. In Berlin blieben bereits Anfang September rund 2.000 Arztpraxen aus diesem Grund für einen Tag geschlossen.

Politik und Krankenkassen müssten gegensteuern, fordert der Hausärzteverband Brandenburg. Kritisiert wird auch, dass nur Krankenhäuser finanzielle Unterstützung vom Land wegen der hohen Inflation und Energiekosten erhalten sollen. Gerade nach den Mehrbelastungen durch die Corona-Pandemie fühlten sich die Kolleginnen und Kollegen durch die geplanten Einsparungen ungerecht behandelt, sagte die Vorsitzende des Hausärzteverbands Brandenburg, Karin Harre, am Dienstagmorgen bei Radioeins. Die Politik müsse die Rahmenbedingungen stattdessen finanziell weiter verbessern.

Der Protest solle zeigen, was passiert, wenn an der ambulanten Versorgung weiter so gespart werde und in den Arztpraxen allmählich die Lichter ausgingen, heißt es vom Hausärzteverband. Er forderte, dass die 1.300 Praxen vergleichbar zu den Brandenburger Krankenhäusern einen Inflations- und Energiekostenausgleich erhalten sollen.

Forderung nach Kostenausgleich

Das bestätigen auch Hausärzte in Ostbrandenburg, die sich an dem Protestaufruf beteiligen. "Wir beteiligen uns an der Protestaktion deshalb, weil die Arztpraxen in Brandenburg tatsächlich zunehmend in Probleme geraten", sagte etwa Hausärztin Katharina Weinert aus Fredersdorf-Vogelsdorf (Märkisch-Oderland) am Dienstag dem rbb.

Seit etwa fünf Jahren leitet sie eine Praxis mit fünf Mitarbeitern. Für Praxen wie ihre könne es eng werden durch Inflation, steigende Energie- und Lohnkosten. Die Krankenhäuser hätten mehr als 80 Millionen Euro Kostenausgleich bekommen, berichtet sie. Ähnliches fordert der Hausärzteverband daher für die etwa 1.300 Praxen im Land.

Zwei Punkte würden sie besonders stören: Die Neupatientenregelung wurde abgeschafft, wie Weinert berichtet. Für neue Patienten gäbe es für die Praxen damit nicht mehr Geld, obwohl sie mehr Aufwand hätten als bei Stammkunden. Außerdem hätten sich die Verbände mit den Krankenkassen nur durch ein Schiedsverfahren auf zwei Prozent höhere Vergütung einigen können, obwohl die Kosten deutlich höher gestiegen seien.

Protest versus Berufsethos

Die Beweggründe kann auch Ulrich Zeisler nachvollziehen. Er ist seit 1991 Hausarzt in Buckow und Strausberg (beides Märkisch-Oderland). "Ich verstehe die Protestaktion. Ich verstehe auch, dass die Kollegen teilweise sehr frustriert sind, dass es Probleme gibt und dass sie besorgt sind", sagt er, fügt jedoch hinzu: "Aber ich kann diese Protestaktion eigentlich in dem Sinne nicht machen, weil ich kann ja niemanden wegschicken, der jetzt mit Fieber oder Herzschmerzen da steht."

"Menschen finden keinen Hausarzt mehr"

Einige Regionen Brandenburgs beklagen zudem einen Hausärzte-Mangel. "Wir erleben schon jetzt, dass Menschen keinen Hausarzt mehr finden", sagte Karin Harre. Sie beklagt außerdem eine mangelnde Planungssicherheit für Ärztinnen und Ärzte, die sich in Brandenburg niederlassen wollen.

Brandenburgische Hausarztpraxen behandelten bereits mehr Patientinnen und Patienten als in anderen Bundesländern. Zugleich gebe es eine immer dünner werdende finanzielle Ausstattung.

Sendung: rbb24 Inforadio, 04.10.2022, 6 Uhr

65 Kommentare

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  1. 65.

    Zum Röntgen in eine andere Praxis?

    Sehr schlechter Witz. Jeder Facharzt muss die Technik vorhalten, die er zur Ausübung der Tätigkeit braucht

    Sie gehören bestimmt zu den Patienten, die jammern, wenn sie mit Schmerzen erst einige Tage auf den Röntgenbefund und dann auf den Termin beim Facharzt warten müssen.

  2. 64.

    Denken Sie, dass man mit der Behandlung von mehr Patienten auch mehr verdient? Dem ist nicht so.

    Die Kassen zahlen für die extrem gestiegenen Energiekosten keinen Cent mehr. Gleiches gilt für die Preiserhöhung bei Verbrauchsmaterialien.

    Es kann nicht sein, dass niedergelassenen Fachärzte sehr oft geringere Stundenlöhne haben als Assistenzärzte im Krankenhaus. Ohne mindestens 15% Privatpatienten kann kein Arzt eine Praxis wirtschaftlich betreiben.

  3. 63.

    Klar, Großverbraucher in einer Praxis wie Überwachung, Licht oder Geräte legt man still? Operiert wird dann im Keller bei Kerzenschein?

    Kunden wie ich können nicht verhandeln.

    Klar betreibe ich die Praxis nicht allein. Aber schon mal daran gedacht, dass die Krankenkassen den erhöhten Aufwand an Energie nicht zusätzlich vergüten?

  4. 62.

    Wie messen Sie "jammern auf hohem Niveau"? Was ist denn "hoch"? Ob Ihr Gefühl da der richtige Gradmesser ist?

  5. 60.

    "Praxis und OP Bereich mit 4 Sälen etwa 6500 Eur monatlich für Strom...." Das werden Sie ja kaum allein betreiben, also können Sie ja deutlich mehr Patienten behandeln, als eine Einzelpraxis. Und da Sie ja "auch Unternehmer" sind, verhandeln Sie mit dem Energieversorger und legen ggf. die großen "Verbraucher" vorübergehend still. In Ihrem Fall empfinde ich Ihre Äusserungen als "Jammern auf hohem Niveau"

  6. 59.

    "die technische Ausrüstung eines Hausarztes ist zudem nicht vergleichbar mit einem Facharzt…Augenarzt, HNO, Radiologie, Fachinternisten, Gynäkologie… " dafür muss beim Facharzt vieles selbst bezahlt werden, "Igel-Leistungen", wenn ich bei der Vorsorge beim Gyn den Ultraschall selbst bezahlen muss, kann ich die Vorsorge auch beim Hausarzt machen - wo ist der Sinn? Und warum muss jeder Facharzt die komplette Ausstattung vorhalten? Zum Röntgen kann man in's KH oder Diagnostikum gehen.

  7. 58.

    Dieser Staat?! Waren Sie schon mal in den USA? Großbritannien? Australien? Brasilien? Nennen Sie mir ein Land, wo es nicht so ist. Und nennen Sie mir eine Epoche, wo es nicht so war. Ok, Jesus hat kostenlos Menschen geheilt. Aber ansonsten?! Selbst in Kuba bekommt nicht jeder einfach so die medizinische Versorgung, die man benötigt. Kapitalismus sei dank. Aber es wird ja lieber gegen den Staat gewettert statt gegen die entsprechenden Dagobert Ducks dieser Welt.

  8. 57.

    Das ist ein anderes Thema „Joddy“. Wollen Sie mehr Steuern zahlen? Denn der Staat spart sich bei der Verbeamtung den sonst üblichen Arbeitgeberanteil. Und wussten Sie das in Brb. den Neuverbeamten ca. 7% vom Brutto abgezogen wird, damit Netto nicht mehr übrig bleibt? Ein Beamtenleben lang? Wenn man die Pension überhaupt erreicht, hat man vorher verzichtet , m Vergleich zu ganz anderen Möglichkeiten.
    Also auch hier geht „verlockendes Wegnehmen“ nicht, damit „Joddy“ neu verteilen kann, zu Lasten Anderer. Aber trotzdem ist ein Umbau möglich, wenn man dies alles berücksichtigt...

    P.S. Wussten Sie das in Österreich jeder selbst für seine Pflege verantwortlich ist? Wollen Sie auch die gleichen Sätze wie in Österreich in jungen Jahren schon einzahlen? Also mehr als Sie jetzt heute zahlen?

  9. 56.

    Österreich hat das System erfolgreich umgestellt. Dort zahlen alle außer Beamte ein.

    Es wäre aber wohl auch möglich die mit einzahlen zu lassen. Deren Einkommen ist höher als das der meisten anderen und für ihren Ruhestand müssen sie nichts abdrücken. Den Luxus von Beamten im deutschen Sinn leisten sich nicht um sonst andere Länder nicht.

    Das wäre ein echtes Solidarsystem.

  10. 55.

    Ob Sie „Bernd“ richtig verstanden haben? In Ihrem Kommentar steckt eine unangemessene Bewertung für die Probleme die die Ärzte haben und auf die der Artikel aufmerksam machen will. Vermutlich arbeitet z.Z. „Bernd“ für einen Stundenlohn, für den kein Handwerker aufsteht...

  11. 54.

    Was arbeiten Sie um die Lage einschätzen zu können? Vermutlich sind Sie nicht ansatzweise in der Position der Ärzte.

  12. 53.

    und der Handwerker berechnet seine Anfahrt nach den aktuellen Spritpreisen, ist ja auch verständlich . Hausbesuche von Ärzten werden mit einer lächerlichen Pauschale abgerechnet.

  13. 52.

    "Letztlich sind wir Ärzte auch nur Unternehmer."

    stimmt aber, entweder ist ein Kredit für eine Neugründung aufzunehmen oder aber für eine Praxisübernahme . Der Kredit muss aus den Praxiseinnahmen bedient werden , ebenso Miete, Nebenkosten und Personal

  14. 51.

    "Anders als auf dem Rücken der Patienten geht's nicht "

    Ihnen sollte man die Approbation entziehen, allein schon für diesen dummen Spruch. Begründung: "Letztlich sind wir Ärzte auch nur Unternehmer."

  15. 50.

    Hab mich nicht auf Quellen bezogen, sondern auf Menschen, die ich kenne, die in Brandenburg eine Praxis hätten übernehmen können und es aus nicht wollten. Nichts Unseriöses dran!

  16. 49.

    Und ist Ihr Einzelfall irgendwie relevant für das gesamte Problem? Wollen Sie nun am liebsten die Brandenburger abschaffen?

  17. 48.
    Antwort auf [TRAMSR] vom 04.10.2022 um 13:49

    Wie möchten Sie es denn haben bei der Versorgung von Flüchtlingen? Nur Oberkörper oder Unterkörper? Linke oder rechte Körperseite, wobei Sie vermutlich eher zur rechten tendieren? Flüchtlinge sollen Ihrer Meinung nach unseren Dreck aufsammeln? Schon mal daran gedacht, dass da auch Ärzte, Physiker, Erzieher und andere flüchten, die hier wunderbar diese Jobs übernehmen könnten, statt Dreck aufzusammeln, weil Sie Ihnen nicht mehr zutrauen? Immerhin ist Deutschland ja in Sachen Bildung einsame Spitze in der Welt, nicht wahr? Oder zumindest in Europa... Oder vielleicht doch nur in den deutschsprachigen Ländern. Ach nee, da auch nicht...

  18. 47.

    Sie haben das eibentliche Problem des Fachkräftemangels in Deutschland auf den Punkt gebracht: Nicht nur Ärzte sondern auch Ingenieure, Architekten usw. mit sehr gutem Abschluss wandern aus (aufgrund gröstenteils miserabler Bezahlung in Deutschland und immer höheren Steuern/Abgaben usw.). Ferner lässt das Bildungsniveau des Nachwuchs immer mehr nach in diesem Land.

  19. 46.

    Unsinn! Waren sie schon mal in Brandenburg? Dort gibt es nämlich viel Ärzte, die nicht " deutsch " aussehen. Hier hat sich in der Region Oderbruch ein Hautarzt niedergelassen, der so viele Patienten inzwischen hat, das er keine Neupatienten mehr aufnehmen kann. Die Menschen hier sind dankbar dafür.

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