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Video: rbb24 | 11.03.2023 | Material: rbb24 Abendschau | Quelle: imago images/Schöning

Maßregelvollzug in Berlin und Brandenburg

Aufgrund von Platzmangel droht vorzeitige Entlassung von Straftätern

Im Berliner und Brandenburger Maßregelvollzug gibt es zu wenige Haftplätze, die Anstalten sind überbelegt. In Berlin mussten verurteilte Straftäter bereits vorzeitig entlassen werden, weitere könnten folgen.

Der Maßregelvollzug ist sowohl in Berlin als auch in Brandenburg überbelegt. Das geht aus aktuellen Behördenzahlen hervor, die am Samstag bekannt geworden sind.

In den Maßregelvollzug kommen Straftäter, wenn ein Gericht diese wegen einer psychiatrischen Auffälligkeit oder einer Suchtkrankheit als vermindert schuldfähig einstuft oder eine vollständige Schuldunfähigkeit feststellt.

In Berlin ist der Maßregelvollzug seit Jahren überlastet. Derzeit sind nach Angaben der Senatsgesundheitsverwaltung 600 Patienten dort untergebracht (Stand 10.3.). Genehmigt seien nur 541 Betten. Wegen Platzmangels wurden zuletzt zwei verurteilte Straftäter vorzeitig aus der Haft entlassen. Am 10. Februar kam ein wegen Drogenhandels zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilter Mann frei. Wenige Tage zuvor war ein Clan-Mitglied, das wegen eines Geldtransporter-Überfalls verurteilt worden war, vorzeitig entlassen worden.

Senatorin sieht Handlungsbedarf

Erneut Straftäter wegen Platzmangels aus Maßregelvollzug entlassen

Der Fall hat für Aufmerksamkeit gesorgt: Ein bekanntes Clan-Mitglied ist wegen Platzmangel aus der Haft entlassen worden. Nun gibt es einen weiteren Fall. Justizsenatorin Kreck sieht angesichts der "Missstände" dringend Handlungsbedarf.

16 weitere Männer könnten vorzeitig freikommen

Im Fall des Clan-Mitglieds wurde der Staatsanwaltschaft regelmäßig mitgeteilt, es gebe keine Kapazitäten. Da bis Mitte Januar 2023 eine Aufnahme in den Maßregelvollzug nicht absehbar war, habe man den Mann nicht länger in Haft halten können, so die Behörde. Die restliche Strafe des Verurteilten verfalle durch die Freilassung aber nicht, hieß es. Er werde zu gegebener Zeit wieder vorgeladen.

Es drohen weitere derartige Fälle: Nach jüngsten Angaben der Berliner Staatsanwaltschaft warten derzeit 16 verurteilte Männer darauf, in den Maßregelvollzug zu kommen. Gesundheitssenatorin Ulrike Gote (Grüne) sprach Ende Februar von etwa 15 bis 25 Menschen.

In Berlin soll nun eine ressortübergreifende Arbeitsgruppe bis Ende Juni einen Masterplan mit kurz-, mittel- und langfristigen Maßnahmen erarbeiten. Bis zum Jahr 2025 sollen auf dem Gelände der bestehenden Einrichtung in Reinickendorf 60 neue Vollzugsplätze geschaffen werden. Das soll rund 53 Millionen Euro kosten. Schon in etwa drei Monaten soll dort ein erneuertes Gebäude mit etwa 12 klinischen Plätzen zur Verfügung stehen.

Berlin

Clan-Mitglied wegen Platzmangel in Maßregelvollzug aus Haft entlassen

Mehr als 50 Häftlinge zu viel in Brandenburg

Auch in Brandenburg ist die Lage angespannt. Nach Angaben des Sozialministeriums in Potsdam sind aktuell 320 Menschen untergebracht, die Belegungskapazität liege bei 269 Plätzen. Gleichwohl seien in den vergangenen drei Jahren alle Verurteilten aufgenommen worden, bei denen das Gericht eine Unterbringung angeordnet habe.

Berlin und Brandenburg sind in Sachen überlasteter Maßregelvollzug keine Einzelfälle. Die Kapazitäten reichen in vielen Bundesländern nicht aus. Wie aus dem Bericht einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe hervorgeht, waren 2020 etwa 5.280 Menschen im Maßregelvollzug, 1995 waren es noch rund 1.370.

Sendung: rbb24 Inforadio, 11.03.2023, 9 Uhr

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