Maßregelvollzug in Berlin und Brandenburg - Aufgrund von Platzmangel droht vorzeitige Entlassung von Straftätern

Sa 11.03.23 | 14:59 Uhr
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Maßregelvollzug der Karl-Bonhoeffer-Nervenklinik in Berlin (Bild: imago images/Schöning)
Video: rbb24 | 11.03.2023 | Material: rbb24 Abendschau | Bild: imago images/Schöning

Im Berliner und Brandenburger Maßregelvollzug gibt es zu wenige Haftplätze, die Anstalten sind überbelegt. In Berlin mussten verurteilte Straftäter bereits vorzeitig entlassen werden, weitere könnten folgen.

Der Maßregelvollzug ist sowohl in Berlin als auch in Brandenburg überbelegt. Das geht aus aktuellen Behördenzahlen hervor, die am Samstag bekannt geworden sind.

In den Maßregelvollzug kommen Straftäter, wenn ein Gericht diese wegen einer psychiatrischen Auffälligkeit oder einer Suchtkrankheit als vermindert schuldfähig einstuft oder eine vollständige Schuldunfähigkeit feststellt.

In Berlin ist der Maßregelvollzug seit Jahren überlastet. Derzeit sind nach Angaben der Senatsgesundheitsverwaltung 600 Patienten dort untergebracht (Stand 10.3.). Genehmigt seien nur 541 Betten. Wegen Platzmangels wurden zuletzt zwei verurteilte Straftäter vorzeitig aus der Haft entlassen. Am 10. Februar kam ein wegen Drogenhandels zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilter Mann frei. Wenige Tage zuvor war ein Clan-Mitglied, das wegen eines Geldtransporter-Überfalls verurteilt worden war, vorzeitig entlassen worden.

16 weitere Männer könnten vorzeitig freikommen

Im Fall des Clan-Mitglieds wurde der Staatsanwaltschaft regelmäßig mitgeteilt, es gebe keine Kapazitäten. Da bis Mitte Januar 2023 eine Aufnahme in den Maßregelvollzug nicht absehbar war, habe man den Mann nicht länger in Haft halten können, so die Behörde. Die restliche Strafe des Verurteilten verfalle durch die Freilassung aber nicht, hieß es. Er werde zu gegebener Zeit wieder vorgeladen.

Es drohen weitere derartige Fälle: Nach jüngsten Angaben der Berliner Staatsanwaltschaft warten derzeit 16 verurteilte Männer darauf, in den Maßregelvollzug zu kommen. Gesundheitssenatorin Ulrike Gote (Grüne) sprach Ende Februar von etwa 15 bis 25 Menschen.

In Berlin soll nun eine ressortübergreifende Arbeitsgruppe bis Ende Juni einen Masterplan mit kurz-, mittel- und langfristigen Maßnahmen erarbeiten. Bis zum Jahr 2025 sollen auf dem Gelände der bestehenden Einrichtung in Reinickendorf 60 neue Vollzugsplätze geschaffen werden. Das soll rund 53 Millionen Euro kosten. Schon in etwa drei Monaten soll dort ein erneuertes Gebäude mit etwa 12 klinischen Plätzen zur Verfügung stehen.

Mehr als 50 Häftlinge zu viel in Brandenburg

Auch in Brandenburg ist die Lage angespannt. Nach Angaben des Sozialministeriums in Potsdam sind aktuell 320 Menschen untergebracht, die Belegungskapazität liege bei 269 Plätzen. Gleichwohl seien in den vergangenen drei Jahren alle Verurteilten aufgenommen worden, bei denen das Gericht eine Unterbringung angeordnet habe.

Berlin und Brandenburg sind in Sachen überlasteter Maßregelvollzug keine Einzelfälle. Die Kapazitäten reichen in vielen Bundesländern nicht aus. Wie aus dem Bericht einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe hervorgeht, waren 2020 etwa 5.280 Menschen im Maßregelvollzug, 1995 waren es noch rund 1.370.

Sendung: rbb24 Inforadio, 11.03.2023, 9 Uhr

77 Kommentare

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  1. 77.

    Schlechte Versorgung = längere Verweildauer = schlechtere Prognose. Der Maßregelvollzug hat den gesetzlichen Auftrag zur Sicherung und Besserung. Das eine gelingt einigermaßen(im Bundesdurchschnitt lange Verweildauer!), das andere schlecht. Damit ist das Glas halb leer! Der Senat und die Klinik selbst haben sich längst aufgegeben. Vor ein paar Wochen: Auf der Jugendforensik (Stat. 5b) wird ein Patient isoliert. Der Raum war eigentlich gesperrt, es stank erbärmlich, die Wände waren vom Vor-Patienten mit Kot und sonstwas beschmiert. Nicht menschenwürdig, Straftat hin oder her. So will man Kranke gesünder machen? Unter dieser KMV-typischen Farce leiden viele, Ärtze, der Pflegedienst und die Patienten selbst. Und nun werden Stimmen laut, die sagen, das stimme alles gar nicht. Täterschaft und Kollaboration. Funktioniert leider prima im KMV. Noch ein Beispiel? Isolierten Patienten werden Telefonate mit Ihrem Anwalt verweigert, mit Hinweis auf die Isolation. Geht gar nicht!!!

  2. 76.

    Sehr kollegial! Jetzt werfen Sie einem der Ärzte, die im Dez. gekündigt haben, auch noch Dreck hinterher! Ihre Schilderungen zu den Motiven der Kündigung, sind unwahr. Das können zahlreiche Mitarbeiter:innen aus dem KMV, und zwar aus verschiedenen Berufsgruppen, bezeugen und nicht zuletzt die beiden betroffenen Ärzte selbst. Jetzt kann man sich mal die Frage stellen, wer eigentlich Interesse daran haben könnte, die unhaltbaren, über Jahre hinweg gewachsenen Zustände im Berliner Maßregelvollzug zu decken bzw. zu leugnen. Dann fällt das Licht zwangsläufig auf die Verursacher, auf jene, die ihren Kolleg:innen das Leben zur Hölle machen und in die Kündigung treiben. Damit wären wir dann mal wieder beim Chefarzt und seinen ärztlichen Abteilungsleitern. Die Methoden des neu hinzugekommenen Abteilungsleiters Herrn Dr. Schukai, siehe Homepage des KMV, siehe den Artikel in der Süddeutschen (keine Gegendarstellung erfolgt!, sind weiter unten in diesem Forum ja schon kurz zur Sprache gekommen.

  3. 75.

    Für eine Anwältin, die sie vorgeben zu sein, wissen sie wenn ich alle ihre Beiträge hier lese erstaunlich viel über das innere Angelegenheiten im KMV und arbeiten sich nur an der KL (Klinikleitung) ab. Sie haben vällig aus den Augen verloren, worum es bei dem RBB-beitrag geht.

  4. 74.

    Sie haben nicht ganz verstanden: ich habe geschrieben, dass es nicht stimmt, dass der Chefarzt keine Visiten macht. Natürlich gibt es Missstände und ich finde gut, dass das hier in der Abendschau berichtet wird. Die Überbelegung ist das eine (aber ein riesiges Problem), andere Missstände gibt es tatsächlich auch.

  5. 73.

    Auf meiner Statiion werden die neuen Ärzte eingearbeitet, momentan 3; trotz Überbelegung arbeiten die gerne bei uns und wollen bleiben. Stimmt, im Dezember haben zuletzt 2 Ärzte gekündigt, die bei uns auf der 10D waren; der eine hatte nach 2 Monaten festgestellt, das die Forensik nichts für ihn ist und er Probleme mit geschlossenen Stationen hat, der andere war aus Pflegesicht völlig ungeeignet als Arzt und kam frisch von der Uni....der Oberarzt war auch froh, als der weg war....zuletzt sind in anderen Abteilungen sogar neue Oberärzte dazu gekommen; dass Ärzte Monat für Monat kündigen, ist ein bösartiges Gerücht und eimfach nicjt wahr, Ich wundere mich, welche Lügen hier über das KMV verbreitet werden. Wenn Sie selbst im KMV arbeiten (auch als Plegekraft oder etwas anderes) scheinen Sie innerlich längst gekündigt zu haben.

  6. 72.

    Aha...und in Frankfurt Oder steht seit 10 Jahren ein leeres Gefängnis und wartet auf neue Bewohner.

  7. 71.

    Krass!

  8. 70.

    Dann sind Ihre Patienten ja bestens versorgt, das freut mich. Meine Mandanten berichten leider anderes. Wenn deren Berichte auch nur annähernd zutreffend sind, fragt man sich, warum der Chef als Arzt diese Zustände toleriert. An das ärztliche Ethos sein nachdrücklich erinnert.

  9. 69.

    ja, das stimmt! aber eben weiteres bespiel dafür, dass in der klinik systemische missstände herrschen.

  10. 68.

    Dann sind Ihre Patienten ja bestens versorgt, das freut mich. Meine Mandanten berichten leider anderes. Wenn deren Berichte auch nur annähernd zutreffend sind, fragt man sich, warum der Chef als Arzt diese Zustände toleriert. An das ärztliche Ethos sein nachdrücklich erinnert.

  11. 66.

    Der Chefarzt ist total engagiert. Fragen Sie mal seine Kolleg:innen! Und fragen Sie mal warum sie Monat für Monat das Weite suchen!

  12. 65.

    Beamte bekommen diese immer zum Monatsanfang, alle anderen am Ende. Manchmal auch gar nicht, wenn keine Änderung eingetreten ist. Ist halt Kommunal, da muss Geld gespart werden ;)

  13. 63.

    Bei diesen Zuständen dürfte doch wohl eine Lohnabrechnung das kleinste Problem sein, oder?

  14. 61.

    Sie meint die Februar-Abeechnung. aber vielleicht ist das Paket ja auch wieder einmal verschwunden, mit Datenschutz hat man es hier nicht so. die losen Blätter aus den Strafakten liegen ja auch überall rum.

  15. 59.

    Liebe Klinikleitung, hätten Sie die Freundlichkeit, uns endlich die Lohnabrechnung für den Monat März 2023 zu übermitteln? gibt es eigentlich irgendwas, was in diesem Haus noch funktioniert? Warum vergraulen Sie das ganze Personal, und schreien dann Personalnot?
    Lieber Senat, bevor Sie in dieses marode System noch mehr Geld (Millionenen )investieren, sollten Sie die Klinikleitung komplett austauschen!

  16. 58.

    Dass der Reinigungsdienst abgestellt wurde, stimmt nicht. Zumiondestens nicht in dem Haus (WSH), in dem ich arbeite,,,

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