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Quelle: dpa/Westend61/Jan Tepass

Mangelhafter Jugendschutz

Wie die Medienanstalt Pornos auf Twitter bekämpft

Wer auf Twitter verkehrt, hat vermutlich schon gesehen, wie andere dort verkehren - die Plattform füllt sich vermehrt mit Pornografie. Die Medienanstalt Berlin-Brandenburg sieht den Jugendschutz in Gefahr und mahnt ab - mit mäßigem Erfolg. Von Lisa Schwesig

Wer einen Twitter-Account hat, bekommt vermutlich einmal pro Woche eine Direktnachricht mit Inhalten, die nicht für Minderjährige geeignet sind. So ergeht es zumindest der Autorin dieses Textes. Es sind Vorschauen in eine Parallelwelt: die virtuelle Pornoszene. Leicht findet man auf Twitter Accounts mit expliziten Videos oder Fotos, die Menschen beim Sex zeigen oder darauf hindeuten. Manche sind professionell, andere bewusst amateurhaft. Sie alle sind der Medienanstalt Berlin-Brandenburg (MABB) ein Dorn im Auge. Die Landesanstalt ist unter anderem zuständig für die Einhaltung von Jugendschutzrichtlinien in den Medien.

MABB-Direktorin Eva Flecken erklärt im Gespräch mit rbb|24 das Problem: "Bei der uneingeschränkten Verbreitung von Pornografie handelt es sich nicht nur um einen Verstoß gegen das Medienrecht, sondern auch um einen Straftatbestand. Diejenigen, die Pornografie ohne Altersbeschränkung verbreiten, machen sich strafbar." Der Medienanstalt gehe es darum, dass Pornografie - egal von wem und welcher Konstellation - nicht frei verbreitet wird.

Vor allem Jüngere posten pornografische Inhalte

"Wir stellen mit Sorge fest, dass auf Twitter viele pornografische Inhalte ohne Eingrenzung der Nutzergruppe verbreitet werden - zunehmend auch von jungen Erwachsenen", sagt Flecken, die sich für eine Sensibilisierung der Altersgruppe einsetzt. Aus diesem Grund haben die bundesweiten Medienanstalten damit begonnen, entsprechende Accounts zu identifizieren, an Twitter zu melden, zu ermahnen und gegebenenfalls an die Staatsanwaltschaft weiterzuleiten.

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Seit einiger Zeit geht die MABB gegen Nutzerinnen und Nutzer vor, die Sexcontent auf Twitter posten, um damit etwa auf andere kostenpflichtige Plattformen zu locken. Problematisch ist es dann, wenn die Webseiten keine Altersverifikation eingerichtet haben und sich damit nicht an den Kinder- und Jugendschutz halten, erläutert die Medienanstalt. Laut "Süddeutscher Zeitung" [sueddeutsche.de, Bezahlschranke] wurden so innerhalb weniger Monate 150 Accounts identifiziert, von denen zwei Hinweisschreiben der MABB erhielten. Zu den übrigen 148 Accounts haben laut "SZ"-Bericht die Staatsanwaltschaften in Berlin und Brandenburg die Ermittlungen übernommen.

Eva Flecken sagt dazu: "Natürlich muss man eine gewisse Freude an Sisyphos-Arbeit haben." Mit dieser Strategie waren die Medienanstalten aber bereits in den vergangenen Jahren schon einmal erfolgreich, als sie Verfahren gegen Influencerinnen und Influencer führten, die Werbung auf ihren Social-Media-Accounts nach den Maßstäben der Medienanstalt nicht ausreichend kennzeichneten. "Die Medienregulierung hat Wirkung gezeigt, Influencerinnen und Influencer haben sich professionalisiert und diesen Effekt sehen wir jetzt auch im Pornogeschäft", so Flecken weiter. Dann könne es auch kein Problem sein, den Kinder- und Jugendmedienschutz einzuhalten.

TikTok und Instagram für Pornos

Für Plattformen wie OnlyFans ist die Schnittstelle zwischen Social Media und Sex längst lukrativ. Der US-Nachrichtenagentur "Bloomberg" [bloomberg.com, Bezahlschranke] zufolge machte das britische Unternehmen im vorletzten Jahr mehr als zwei Milliarden Dollar Umsatz. Auf OnlyFans können Userinnen und User analog zu TikTok, Facebook oder Instagram Fotos und Videos teilen. Der einzige Unterschied: OnlyFans lässt auch Sexvideos und Nacktbilder zu. Wer den Content sehen will, muss allerdings dafür zahlen. Werbung für Profile wird unter anderem mit Tweets gemacht, die dann zur Bezahlplattform führen.

"Ich habe nichts dagegen, wenn Erwachsene mit Erwachsenen Geld verdienen oder auf andere Plattformen gelockt werden", sagt die MABB-Direktorin. "Problematisch wird es aber, wenn die Werbung für solche Accounts selbst pornografisch ist und unbeschränkt verbreitet wird - genau das sehen wir auf Twitter."

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Medienanstalt fordert bessere Altersverifikation

Die Medienanstalt verweist auf den Jugendschutz, der ohne eine ausreichende Altersverifizierung von Inhaberinnen und Inhabern der Accounts sowie der Konsumierenden nicht gegeben ist und fordert Twitter dazu auf, eine entsprechende Einhaltung der Altersgrenze von 18 Jahren sicherzustellen. "In geschlossenen Benutzergruppen für Menschen über 18 Jahren können pornografische Inhalte geteilt und auch monetarisiert werden. Onlyfans hat dafür beispielsweise ein anerkanntes Verifikationssystem", sagt Flecken.

Sie berichtet: "Es gibt rund 50 anerkannte Altersverifikationssysteme, für viele braucht man nur ein Handy mit Kamera. So kann der Ausweis gescannt und mit der Gesichtserkennung abgeglichen werden." Wenn man sicherstellen wolle, dass Kinder nicht auf Pornos zugreifen können, müsse man funktionsfähige Systeme einrichten, lautet ihre Forderung. Auch Eltern können Restriktionen vornehmen.

Aktuell ist es bei Twitter so: Wer sich einen Account erstellt, kann sein Geburtsdatum selbstständig festlegen - ganz ohne Verifikation. Wer einmal angemeldet ist und pornografische Inhalte konsumiert, erhält zwar eine Warnung, sehen kann er sie aber trotzdem.

Screenshot von Twitter | Quelle: Twitter

"In weiten Teilen wissen wir es, wenn wir Pornos sehen"

Das Portal "jugendschutz.net", das von Bund und Ländern finanziert wird, unterstützt die Forderung der MABB. In seinem aktuellen Jahresbericht für 2021 [jugendschutz.net als PDF] ist von 7.000 bearbeiteten Verstößen gegen den Jugendschutz im Internet die Rede, mehr als ein Drittel auf Social-Media-Plattformen, davon 16 Prozent auf Twitter. In knapp tausend Fällen der registrierten Verstöße geht es um Pornografie.

Wer sich unsicher ist, was genau als Pornografie gilt, könne sich an die Medienanstalten wenden, rät Flecken. Sie sagt aber auch: "In weiten Teilen wissen wir, dass wir Pornos sehen, wenn wir Pornos sehen." Die Kriterien dafür seien eigentlich klar geregelt. "Eine blanke Brust ist kein Fall von Pornografie, eine Penetration im Closeup dagegen schon". Es gehe um explizite Darstellungen von Geschlechtsverkehr - unabhängig von Geschlecht, Alter, Anzahl, Konstellation oder Fetisch.

Auch die Übernahme von Twitter durch Elon Musk spiele für die Medienanstalt keine Rolle. Man wende sich an Twitter in Irland, erläutert Flecken, denn man habe die Möglichkeit, auch den Host-Provider direkt in Anspruch zu nehmen. "Es geht nicht zu sagen: Ich nehme als Plattform Geld, aber bin nicht für die Inhalte verantwortlich."

Einige der von der MABB an Twitter gemeldeten Accounts aus Deutschland sind bereits nicht mehr verfügbar. "Unser Ziel ist es, bei den Creatorinnen und Creatoren anzusetzen und zu sensibilisieren", sagt Eva Flecken. Das Problem: Jeden Tag kommen neue Accounts dazu, die identifiziert und gemeldet werden müssen.

Beitrag von Lisa Schwesig

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