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Audio: Inforadio | 17.12.2021 | Ann Kristin Schenten | Quelle: dpa/Jens Kalaene

Beleidigungen und Angriffe wegen Corona-Regeln

"Mir bleibt das alles im Herzen und macht mir schlechte Gedanken"

Einzelhandel, Fitnessstudio, Apotheke oder Rettungsstelle: Jeden Tag bekommen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dort den Hass und die Aggressivität von Menschen zu spüren, die die Corona-Maßnahmen ablehnen. Wie fühlt sich das an?

Das ist der erste Teil unseres Beitrags. Den zweiten finden Sie hier.

Claudia, hat am Empfang eines Berliner Planetariums gearbeitet

Ich war vor dem Planetarium für den Einlass eingesetzt. Dabei musste ich die Impf- oder Genesenen-Nachweise und die FFP2-Maskenpflicht kontrollieren. Da kam eine Dame, die im Haus auf Toilette gehen wollte. Ich habe sie darauf hingewiesen, dass sie dafür eine FFP2-Maske tragen muss und ich ihren Nachweis sehen muss, da sie sonst nicht das Haus betreten darf.

Daraufhin hat sie direkt angefangen, mich anzuschreien. Ob sie mir denn, ich zitiere, "ins Gesicht pinkeln soll", und dass sie sich ja nicht impfen lasse, nur um auf Toilette zu gehen. Darauf folgten dann Beschimpfungen wie "kleine Schlampe", "die ist Hitler, wie 1933", "die kleine Nazi-Nutte will mich zur Impfung zwingen" und ging dann schimpfend davon.

Ich war in dem Moment wie in einer Schockstarre, nachdem ich mit meiner Argumentation nicht weiterkam und die Beleidigungen rieselten - es war echt schlimm für mich, das so nah mitzuerleben. Davor kannte ich sowas nur aus Berichten von Protesten gegen die Corona-Maßnahmen. Dass ich damit als Mensch live damit konfrontiert war und solchen Hass und Beschimpfungen miterleben musste, hat mich erschrocken und überfordert.

Ich arbeite heute nicht mehr dort. Ich muss sagen, dieser Vorfall hat mich schon eine Zeit lang belastet. Kurz darauf kam auch die Meldung mit dem Tötungsdelikt in der Tankstelle Idar-Oberstein. Da habe ich mir schon kurz gedacht: Anscheinend bin ich noch gut weggekommen.

Mein Solidaritätsbewusstsein hat das auf jeden Fall gestärkt und damit auch das Unverständnis gegenüber Meinungen, die in eine unwissenschaftliche Richtung gehen. Man kann ja die Regierung und die Maßnahmen kritisieren und sich trotzdem an die wissenschaftlichen Fakten halten, vor allem aber sollte man nicht einzelne Personen dafür verantwortlich machen.

Quelle: dpa/Jens Kalaene

Christina*, arbeitet in einem Fitnessstudio in Berlin

Es ging schon nach dem ersten Lockdown los. Da hatten wir eine Besucherbegrenzung und Maskenpflicht. Schon da gab es am Eingang oft Tumult, Leute die uns ständig angegangen haben, was das soll. Inzwischen ist es aber noch schlimmer. Die Maskenverweigerer sind nicht ohne. Wir werden dafür angegangen, dass wir die Regeln umsetzen, und die Leute tun so, als wären das unsere Regeln.

Es kommen viele mit gefälschten Tests, Genesungsbescheinigungen oder Impfnachweisen. Wenn wir die Nachweise eingescannt haben, hat das Gerät rot geblinkt, es war eindeutig. Aber außer die Leute wegzuschicken, können wir nichts machen. Ich kann mir vorstellen, dass die Polizei Wichtigeres zu tun hat. So müssen wir mit der Wut dieser Leute klarkommen. Psychisch ist das ab und zu richtig schwer.

Du wirst beleidigt, obwohl Du nur arbeiten möchtest. Das führt dazu, dass ich von niemandem mehr was Positives von der Arbeit höre. Zwischen Kollegen und Kolleginnen gibt es kaum noch ein anderes Thema, auch Trainer aus anderen Studios erzählen, was sie da jeden Tag an Beschimpfungen und Beleidigungen erleben.

Wir wollen unseren Frust ablassen, aber finden kein Ventil. Wenn wir nach der Arbeit im Studio trainieren, sind wir ja immer noch damit konfrontiert. Man schaltet nicht mehr ab. Ich bin nach Schichten richtig ausgelaugt und habe nicht mehr so wirklich Vorfreude auf den nächsten Tag. Das war früher anders. Es macht mich so traurig und wütend, wie alles gerade läuft.

Ich habe dieses Jahr das erste Mal wegen Studiomitgliedern auf Arbeit geheult. Das war, als wir noch die 3G-Regel hatten. Die Drehkreuze an unserem Eingang sind gesperrt, wir müssen die separat freigeben. Sobald Du am Tresen bist, kriegst Du die Wut ab. Ein Mann hatte mir einen eindeutig gefälschten Test gezeigt. Es war sehr voll an dem Tag, die Leute durften maximal 75 Minuten lang trainieren. Ich hab dem Mann sachlich gesagt, dass er hier nicht rein darf, weil sein Test gefälscht ist.

Da ist er ganz nah an mich rangegangen, hat sich aufgebaut und gesagt: "Pass auf, was Du sagst, sonst klären wir das draußen." Er wurde sehr laut und aggressiv. Meine Kollegen haben nichts gemacht. Das hat sich einfach scheiße angefühlt.

Wir haben einfach keinen Nerv mehr, ständig diskutieren zu müssen, wenn jemand auch nach dem dritten Mal Bitten seine Maske nicht tragen will. Seit die digitalen Impfnachweise auf dem Handy Pflicht geworden sind, sind manche nochmal aggressiver geworden. "Was willst Du denn da jetzt einscannen?" fragen sie dann, weil sie genau wissen, dass ihre Nachweise gefälscht sind. Die nehmen uns nicht für voll und das verletzt einen einfach.

Auch wenn ich weiß, dass wir nichts dafür können, tut es weh, wenn man so behandelt wird.

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Nomu, arbeitet in einem Berliner Restaurant

Fast jeden Tag werden Gäste am Eingang laut oder sogar aggressiv. Es geht immer darum, dass wir sie nicht annehmen können, weil sie nicht nachweisen können, dass sie geimpft oder genesen sind.

An einen Vorfall erinnere ich mich besonders: Ein Gast hat mich rassistisch beschimpft und laut angeschrien, weil er und seine Begleiter keine Nachweise dabeihatten. Ich habe ihn und die anderen aufgefordert, unser Restaurant zu verlassen. Wenn sie sich geweigert hätten, hätte ich die Polizei gerufen.

Beim Gehen sagte der Mann noch: "Ja ja, die mit dem Judenstern müssen jetzt gehen." Als alles vorbei war, war ich ganz zittrig, aber auch extrem wütend. Der Rassismus triggert und verletzt mich enorm. Da bleiben nur Wut und Unverständnis.

Sandra*, arbeitet als Lehrerin an einer Schule in Berlin

Eine Mutter hat mich als "Handlangerin der Corona-Diktatur" bezeichnet, da ich ihr aus dem Netz ausgedrucktes Maskenattest nicht akzeptiert habe. Die gleiche Mutter beschwerte sich, dass ich die Schüler:innen beeinflussen und fürs Impfen werben würde, was gar nicht der Fall war.

Einen Kollegen hat sie aufgefordert, einen Psychologen aufzusuchen, wenn er bezüglich Corona eine Psychose aufgebaut habe. Dieser Kollege setzt einfach nur die Maskenpflicht im Unterricht durch. Zum Glück sind es für mich persönlich mehr Einzelfälle, über die man fast schon lachen kann.

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Emma*, arbeitet in einem Bekleidungsgeschäft in einem Einkaufscenter in Berlin

Es fängt oft schon damit an, dass die Kunden genervt davon sind, wenn man sie nett darauf hinweist, ihre Maske richtig zu tragen. Hinzu kommen die Diskussionen am Einlass, wenn es um die 2G-Regelungen geht. Da werden wir dann für alles verantwortlich gemacht, teilweise angeschrien, beleidigt. Ein Kunde war auch der Meinung, den Laden trotzdem zu betreten, obwohl ich ihm zuvor den Eintritt verwehren musste, da er nicht die nötigen Nachweise hatte. Er hat mich und meine Kollegen einfach ignoriert. Erst als die Security ihm gedroht hat, die Polizei zu rufen, ist er gegangen.

Ein anderes Mal wollten ein Mann und eine Frau in unser Geschäft. Beide hatten aber keinen digitalen Impfpass. Ich durfte mir erst einige blöde Kommentare anhören. Ich erklärte ihnen, dass ich sie ohne digitalen Nachweis nicht reinlassen dürfe, die Bestimmungen habe ich ihnen sogar schriftlich vorgelegt. Da schrie der Mann mich an, ich solle meine Arbeit richtig machen, bei Karstadt sei er auch so reingekommen. Wenn ich keine Ahnung hätte, dann soll ich mich hier "verpissen".

Im ersten Moment wusste ich nicht, wie mir geschieht, und dann meinte ich nur mit festerem Ton, dass er so nicht mit mir zu reden hat. Dann kam von ihm nur noch ein "Von dir kleiner Schlampe muss ich mir gar nichts sagen lassen" und er zog ab. Nach der Aktion brauchte ich eine Pause an der frischen Luft und bin dann auch früher nach Hause gegangen, weil mich das sehr getroffen und aufgewühlt hat.

Mittlerweile versuche ich es zu vermeiden, die Einlasskontrollen durchführen zu müssen und überlasse das Kollegen. Ich bin einfach müde, ständig zu diskutieren. Und ganz ehrlich, manchmal fällt es mir auch echt schwer, ruhig und professionell zu bleiben, wenn ich stumpfe Beleidigungen an den Kopf geworfen bekomme. Da möchte ich am liebsten einfach nur noch kontern.

Aber das alles führt dazu, dass mich solche Vorkommnisse auch noch weit nach Feierabend beschäftigen, so dass ich kaum zur Ruhe komme, weil ich schon weiß: Morgen wird es wieder so.

Ich mache eigentlich eine Ausbildung im sozialen Bereich und verdiene mir mit meinem Job im Einzelhandel etwas dazu. Ich glaube, ich kann eigentlich sehr gut mit Menschen umgehen und bin immer offen anderen gegenüber. Aber durch diese täglichen Erlebnisse erwische ich mich mittlerweile oft bei dem Gedanken: "Ich hasse Menschen." Aber das ist dann genau das, was ich zuvor bei diesen Kunden kritisiere. Es ist also echt ein Teufelskreis aus Negativität, aus dem es schwer ist wieder raus zu kommen.

Worte können manchmal sehr viel mehr anrichten, als man denkt.

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Nelly, arbeitet bei einer großen Elektronikmarkt-Kette in Berlin

Ich wurde mehrmals im Laden "Corona-Nazi" genannt, weil ich höflich die Kundinnen und Kunden, die ihre Maske unter der Nase trugen, darauf hingewiesen habe, ihre Maske über der Nase zu tragen. Wir dürfen uns auch oft die Meinung der Kunden anhören, dass sie alles scheiße finden und uns dann beschimpfen. Oder sie versuchen, uns zu überreden, trotz der 2G-Regel ohne Nachweis reinzukommen. Dabei dürfen wir das nicht zulassen.

Die langen, doofen Diskussionen jedes Mal rauben viel Energie und Zeit. Es ist da nicht immer einfach, professionell zu bleiben und nach einer frustrierenden Erfahrung wieder schnell den Reset-Knopf für die nächsten Kunden zu drücken. Am Ende eines solchen, schlechten Tages bleibt das Gefühl von großem Frust, weil wir nun mal nichts dafür können. Nach ein paar tiefen Atemzügen geht es mir dann schon etwas besser.

Sicher, manchmal habe ich deshalb keine Lust, zur Arbeit zu gehen. Aber als Team unterstützen wir uns gegenseitig. Manchmal würde ich diese Menschen gerne fragen, ob sie sich nicht zusammenreißen, ob sie sich nicht beherrschen können? Ob sie Mensch bleiben können?

Quelle: dpa/Fabian Sommer

Helga, arbeitet in einem Bekleidungsgeschäft in Berlin

Manchmal stehe ich am Eingang. Dort fangen Leute meistens dann an herumzuschreien, wenn ich sie bitte, mir ihren Ausweis zusammen mit dem Impfnachweis zu zeigen. Fast jedem zweiten muss ich dann erzählen, dass ich die Regeln nicht mache und sie mich nicht anzubrüllen brauchen.

Ein Mann hat mich zum Weinen gebracht, weil er so laut geschrien hat, ich sei nicht kompetent. Ich habe mich umgedreht und bin weggegangen, weil es mir zuviel war. Er hat einfach nicht aufgehört und mich angeschrien, ich solle ihm meinen Namen sagen, den Manager rufen und so weiter.

Das alles ist psychologisch schwer, ich verstehe ja auch, dass das Kunden nervt. Aber warum versteht man nicht, dass ich nur meine Arbeit mache und Punkt? Diese Leute sollten sich mal überlegen, ob sie sowas nicht persönlich nehmen würden? Vor ihnen steht ein Mensch mit Gefühlen, nicht irgendein Gegenstand.

Natürlich komme ich nach solchen Tagen mit schlechter Laune nach Hause. Mit der Frage im Kopf, warum ein Mensch jemand anderen beleidigen und beschimpfen kann, den er nicht mal persönlich kennt? Es gibt Kollegen, denen das egal ist. Mir nicht. Mir bleibt das alles im Herzen und macht mir schlechte Gedanken.

Quelle: dpa/Gerald Matzka

Jacky, arbeitet als Friseurin in Berlin

Ich und meine Kollegen und Kolleginnen werden immer wieder beleidigt, es gibt viel lauten Streit über Maskenpflicht und Impfnachweise. Den Kollegen und mir wurde Gehirnwäsche unterstellt. Kunden, die man Jahre kannte, werden einem total fremd.

Eine alte Dame zum Beispiel, rund 85 Jahre alt, kannte ich schon als Lehrling. Wir hatten immer wieder gute Gespräche und nette Momente. Als ich sie eines Tages freundlich gebeten habe, eine Maske aufzusetzen, schrie sie mich an: "Ihr jungen Menschen werdet alle verrecken an eurem Desinfektionsmittel und den Masken!" Sie schubste mich sogar. Da war ich sprachlos. Sie ging schreiend aus dem Laden.

Ich sehe sie noch manchmal im Edeka um die Ecke, da zieht sie immer noch dieselbe Show ab. Ich möchte betonen, dass sie nicht dement ist oder eine ähnliche Krankheit hat. Ich bin ein empathischer Mensch und denke, dass solche Menschen ihre eigenen Unsicherheiten mit Hass und Unmut verdecken wollen.

Ich würde gerne mal versuchen, ihnen zu erklären, wie schlecht ich mich dabei fühle, wenn sie mich so behandeln. Dass die Regeln, die ich an meinem Arbeitsplatz umsetzen muss, mir auch nicht immer gefallen und ich gerne ohne all das leben und arbeiten würde. Aber die Situation lässt es nun mal nicht zu, im Gegenteil: Diese Gegenwehr führt zu immer mehr Leid. Wie schwer der Weg in eine "normale" Gesellschaft, mit Toleranz und Empathie ist, wissen wir wohl alle. Aber die Hoffnung stirbt zuletzt.

Quelle: imago images/Ralph Peters

Ivo*, arbeitet im Qualitätsmanagement der Bahn

Mit Ignoranz, Verschwörungsmythen, aggressiven Drohgebärden und Beleidigungen wurde ich seit letztem Jahr immer häufiger konfrontiert, vor allem als es um die Einhaltung der Mund-Nasen-Bedeckung in Zügen ging. Zu körperlichen Auseinandersetzungen ist es noch nicht gekommen, weil ich deeskaliert habe, der Sicherheitsdienst eingeschritten ist oder ich mich der Situation entzogen habe.

Meiner Wahrnehmung nach hat sich die Atmosphäre besonders durch die Maskenpflicht aufgeheizt. Aber am Anfang war die Ablehnung dagegen breiter und vielfältiger. Wer aber jetzt keine Maske tragen will, fällt direkt auf, ist in der absoluten Minderheit und macht das in der Regel aus politischen Gründen. Die haben sich meist schon ein paar Ausreden oder Parolen zurechtgelegt.

Es gibt Fahrgäste, die herumschreien, mit angeblichen Attesten fuchteln, andere Fahrgäste beleidigen, angreifen oder spucken. Da musste ich auch schon dazwischengehen. Bis der Triebwagenführer den Sicherheitsdienst am nächsten Bahnhof verständigt hat, ist in solchen Fällen auch Zivilcourage gefragt.

Auf manche Argumente darf man gar nicht erst eingehen und lieber wiederholen, dass man die Gesetze nicht gemacht hat und einfach selbst gerne gesund bleiben möchte. Die Routine kommt in erster Linie durch Selbstbewusstsein und Erfahrungen mit solchen Diskussionen. Manchmal hat man auch einfach das Privileg, 1,90 Meter lang zu sein.

Selbstverständlich nimmt man das auch mit nach Hause. Solche Auseinandersetzungen und das rücksichtslose und egoistische Verhalten von Mitmenschen erzeugen auch Wut und Weltschmerz, der einen schon mal nachts wachhalten kann. Mit einer achtsamen Haltung und einer gewissen Routine fällt der Umgang damit aber leichter.

Achtsamkeit heißt für mich ruhig bleiben, sich auf gute Nachrichten fokussieren und Zeit zum Durchatmen und Reflektieren nehmen. Einige Kundenbetreuer:innen im Nahverkehr haben aber nicht die Kraft und Geduld, sich ständig damit auseinanderzusetzen. Wer es jedoch tut, hat vollste Anerkennung und Unterstützung verdient, finde ich.

Quelle: dpa/Eventpress Hoensch

Robert*, arbeitet als Notfallsanitäter in der Rettungsstelle eines Berliner Krankenhauses

Ich und meine Kollegen erleben jeden Tag verbale Übergriffe, Androhung von Gewalt, und alles nur, weil wir Angehörige und Patienten darum bitten, FFP2-Masken zu tragen - oder die Patienten fragen, aus welchen Gründen sie nicht geimpft sind.

Das Problem ist: Der größte Teil der Patienten, der hier Stress macht, ist ungeimpft. Egal welches Alter: Wenn man sie auffordert, eine Maske zu tragen, wird man bepöbelt oder sie gehen wütend aus der Rettungsstelle und drohen mit Anzeigen. Ich erkläre ihnen dann, dass das eine Regel des Krankenhauses ist, an die sich alle halten müssen und sie gerne die Rettungsstelle verlassen können, wenn sie das nicht möchten.

Daraufhin habe ich schon mehrmals Sätze gehört wie: "Ich stech dich ab", "Das hat für Dich Konsequenzen", oder "Ich weiß, wann Du Feierabend hast, dann siehst Du mein Messer". Ich merke auch einen Unterschied: Wenn Frauen im Team sind, Ärztinnen, Sanitäterinnen, Krankenschwestern, dann liegt bei den Beleidigern und Angreifern die Hemmschwelle niedriger.

Nach der Schicht komme ich oft völlig ermüdet und überlastet nach Hause, weil die Rettungsstellen in Berlin zu viele Patienten betreuen müssen und sie nicht auf die Stationen verlegen können. Denn diese Stationen haben wegen Personalmangels Betten gesperrt. Zum Glück kann ich gut mit meiner Frau über alles reden, sie ist Krankenschwester auf einer Intensivstation.

Ich kann mich gut verteidigen und lasse mich erstmal nicht durch solche Drohungen einschüchtern. Aber unterschwellig macht das was mit einem. Das geht nicht spurlos an mir vorbei. Ich wurde bisher "nur" verbal angegangen. Aber andere wurden bespuckt und sogar körperlich attackiert.

*Namen auf Wunsch von Betroffenen geändert. Die Namen liegen der Redaktion vor.

Gesprächsprotokolle: Sebastian Schneider, rbb|24

Sendung: Inforadio, 17.12.2021, 11:48 Uhr

Beitrag von Sebastian Schneider

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