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Video: Brandenburg aktuell | 18.01.2022 | Carsten Krippahl | Quelle: rbb

"Sie sind schuld"

Dutzende Hausarztpraxen erhalten Drohbriefe von Impfgegnern

Hausärzte in Berlin und Brandenburg haben in den letzten Monaten vermehrt juristisch anmutende Drohschreiben erhalten. Die Ärzte werden vor Konsequenzen gewarnt, sollten sie weiterhin Impfungen gegen das Coronavirus verabreichen. Von Ann-Kristin Schenten

Professioneller Briefkopf, juristischer Tonfall: Ein Verein aus Süddeutschland verschickt zurzeit zahlreiche Schreiben an Hausärzte in der Region und droht ihnen wegen der Corona-Impfungen mit Konsequenzen. Der Verein soll der "Querdenker"-Szene nahestehen, wie die Landesärztekammer Brandenburg dem rbb am Dienstag erklärte. Demnach haben in den letzten fünf Monaten etwa 20 Hausarztpraxen in Brandenburg die Schreiben erhalten, die Dunkelziffer könnte noch höher sein.

Schreiben strafrechtlich nicht relevant

"In diesen Haftungsbescheiden ist pseudowissenschaftlich dargelegt, dass die Impfungen unnötig und gefährlich seien", sagt der Geschäftsführer der Landesärztekammer Daniel Sobotta, "es wird juristisch hergeleitet, dass die Ärzte dafür auch einzustehen hätten."

Die Drohbriefe seien strafrechtlich nicht relevant, da sie keine Morddrohungen oder Gewaltfantasien enthielten, so Sobotta. Die Ärzte könnten aber Anzeige erstatten, die meisten würden jedoch gelassen mit den Briefen umgehen.

"Sie sind schuld, wenn Menschen Schaden erleiden"

Der Brandenburger Hausarzt Mario Zerbaum hat eines der Drohschreiben erhalten. Er hat die Fälle öffentlich gemacht, denn der Ton werde rauer, so Zerbaum: "Sowas bringt einen mittlerweile nicht mehr aus der Fassung, aber es bewirkt schon etwas in einem. Es regt zum Nachdenken an, wie es letztendlich dazu kommt, dass Menschen so einen Standpunkt einnehmen und damit dann Arztpraxen anschreiben."

Auch in Berlin erhielten Hausarztpraxen Drohschreiben aller Art, sagt der Zehlendorfer Arzt Wolfgang Kreischer. Die seien oft eher allgemein formuliert, "so nach dem Motto: Sie machen sich strafbar, sie verwenden Impfstoffe, die nicht ausreichend getestet sind, sie sind schuld, wenn diese Menschen Schaden erleiden", sagt Kreischer.

Der Mediziner beschreibt ein weiteres Problem: Immer mehr Kollegen berichten ihm, dass ihre Arztstempel für Impfausweise gefälscht werden würden. Das sei fast noch ein größeres Problem, so der Arzt.

Berliner Ärztekammer: "Man sollte die Briefe definitiv ernst nehmen"

Was die Drohschreiben betrifft, hat sich die Berliner Ärztekammer der Sache angenommen und berät betroffene Ärzte. "Wichtig ist, dass wir die, die hier auch teilweise bedroht werden, niemals allein lassen und sie auch in ihrer Arbeit unterstützen", sagt Ärztekammer-Präsident Peter Bobbert.

Die Briefe dürfe man nicht bagatellisieren. "Wir haben schon Sorge, dass aus diesen Worten, die dort drinstehen, irgendwann Taten werden. Sie zu ignorieren, davor warne ich. Man sollte sie definitiv ernst nehmen." Bobbert fügt hinzu: "Diese Entwicklung, die wir hier in den Praxen und Klinik sehen, ist ja auch eine Entwicklung, die wir auch in der Gesellschaft sehen."

Oft werden die Drohbriefe anonym verschickt - oder die Absender sind schwer nachzuvollziehen. Im Fall des "Querdenker"-Vereins aus Süddeutschland hat der Brandenburger Hausarzt Mario Zerbaum um Unterlassung gebeten. Auch eine Klage schließt er nicht aus.

Sendung: Inforadio, 18.01.2022, 18 Uhr

Beitrag von Ann-Kristin Schenten

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