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Audio: Radioeins | 25.01.2022 | Interview mit Christoph Keller | Quelle: dpa/Kay Nietfeld

Rekordinzidenz in Berlin-Mitte

An den Kliniken allein kann es nicht liegen

Seit einer Woche gehört der Bezirk Mitte zu den Gebieten mit der höchsten Inzidenz in Deutschland. Fast genauso lange bemüht der zuständige Stadtrat dafür eine spezielle Erklärung. Doch die hält bei genauerem Blick nicht stand. Von Haluka Maier-Borst

Eine Sieben-Tage-Inzidenz von weit über 3.000 am Dienstag - und das nach einer Inzidenz von über 1.000 letzte Woche. Berlin-Mitte steht seit ungefähr einer Woche als der Hotspot der Republik dar. Doch ungefähr genau so lange bemüht der zuständige Gesundheitsstadtrat Christoph Keller (Linke) eine besondere Erklärung für diese Zahlen.

Sieben-Tage-Inzidenz

Bundesweit höchste Corona-Inzidenz-Werte in Berlin und Brandenburg

Die Zahlen seien nur so hoch, weil man sich dafür entschieden habe, pragmatischer zu melden. Unter anderem sagt Keller: "Dabei war mir klar, dass unsere Inzidenz steigen würde." Man entlaste aber damit andere Bezirke, behauptet der Stadtrat. Somit bilde die Zahl das Infektionsgeschehen in der ganzen Stadt ab, nicht nur im Bezirk Mitte.

Um das zu verstehen, muss man vielleicht erst einmal einen Schritt zurückgehen und erklären, wie die Inzidenzen berechnet werden. Die Fallzahlen und damit die Inzidenzen basieren auf Befunden, die den Gesundheitsämtern übermittelt und von dort aus weiter an das Robert-Koch-Institut (RKI) gemeldet werden. Dabei gilt normalerweise das Wohnortprinzip. Sprich: Covid-19-Erkrankte werden dem Bezirk oder dem Kreis zugerechnet, wo sie wohnen.

Sonderweg bei den Meldungen in Mitte

Nun hat sich aber der Bezirk Mitte laut Gesundheitsstadtrat Keller dazu entschieden, von diesem Prinzip abzuweichen. Wenn Kliniken in Mitte Patientinnen und Patienten mit Covid-19 aufnehmen, erfasst grundsätzlich das Gesundheitsamt Mitte diese Meldungen, ganz egal, wo diese Fälle wohnen. Das würde das bürokratische Hin und Her des Weitermeldens ersparen. Und weil es eben so viele Kliniken in Mitte gebe, sei man eben Spitzenreiter, so Keller. Aber kann das stimmen?

Um das zu überprüfen, schauen wir uns die gemeldete Hospitalisierungsinzidenz des Berliner Senats an und gehen - mal sehr vereinfacht - davon aus, dass alle Berliner Covid-19-Klinik-Fälle in Mitte behandelt werden. Das wären bei einer Hospitalisierungsinzidenz von aktuell 16,8 pro 100.000 Einwohnerinnen und Einwohnern und einer Bevölkerung von ungefähr 3,7 Millionen Menschen am Ende 622 neue Fälle innerhalb der letzten sieben Tage.

Auf der anderen Seite steht die Anzahl aller Fälle, die der Bezirk Mitte in den letzten sieben Tagen gemeldet hat: Das sind 11.860 [data.lageso.de]. Das heißt, die Krankenhaus-Fälle könnten selbst bei der Annahme, alle würden in Kliniken in Mitte aufgenommen, maximal fünf Prozent der Fälle und damit der Inzidenz ausmachen.

Kliniken können Rekordinzidenz nicht erklären

Trotzdem hält sich diese Erklärung hartnäckig. Keller hat sie wohl in der Bezirksverordnetenversammlung so gegeben [twitter.de] und auch am Freitag im rbb-Inforadio und am Dienstag wieder in einem Interview bei Radioeins [radioeins.de].

Es kann natürlich sein, dass durch diese Änderung im Meldeprinzip tatsächlich viel Bürokratie erspart bleibt. Doch dass diese Formalität der Hauptgrund ist, wieso die Corona-Lage in Mitte aktuell so dramatisch aussieht, das kann rechnerisch nicht sein.

Sendung: RadioEins, 25.01.2022, 08:00 Uhr

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