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Quelle: dpa-Symbolbild/Luka Dakskobler

Corona-Tests in Berliner Schulen

Nur 0,5 Prozent positiv? Warum Giffeys Zahl die Lage unzureichend darstellt

0,5 Prozent der Tests in Schulen seien positiv, darum sei es vertretbar, dass Schule stattfinde. Das ist die Argumentation des Berliner Senats und der Regierenden Bürgermeisterin. Doch die Zahl ist durchaus problematisch. Von Haluka Maier-Borst

Sind zwei Prozent viel? Sind es 0,5? Und wie misst und bewertet man überhaupt die Corona-Lage an Berliner Schulen? An diesen Fragen hängt aktuell die Entscheidung darüber, ob und wie der Berliner Schulbetrieb weitergeht.

Die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) präsentierte nun am Dienstag auf einer Pressekonferenz eine Zahl, die anschließend viel Furore zur Folge hatte. Nur 0,5 Prozent aller Corona-Tests an Schulen seien positiv ausgefallen, entsprechend sei es "vertretbar, dass Schule stattfindet" [twitter.com]. Allein: die Berechnung der Zahl ist in dieser Form recht problematisch.

Quoten-Rechnung mit Fallstricken

Auf den ersten Blick wirkt die Zahl tatsächlich niedrig. Von den Positivquoten bei den PCR-Tests haben wir am Anfang der Pandemie gelernt: Je niedriger die Quote, desto mehr ist die Lage unter Kontrolle. Das muss man zwar inzwischen teilweise revidieren, weil dank Schnelltests nicht jeder vage Verdachtsfall gleich per PCR getestet und entsprechend der Kreis der Getesteten vorgesiebt wird. Außerdem geht es bei PCR-Tests eben immer um einen Anfangsverdacht, sei es aufgrund von Symptomen oder Kontakt zu einer infizierten Person. Die Schnelltests in den Schulen werden bei allen, unabhängig von einem Verdacht durchgeführt.

Trotzdem: Angesichts einer Positivquote bei den PCR-Tests von weit mehr als 25 Prozent klingen 0,5 Prozent nach sehr wenig. Nach "alles unter Kontrolle". Doch die Rechnung ist eben eine vollkommen andere.

Ganz simpel gesagt, geht es bei den Positivquoten um eine Bruchrechnung. Oben im Zähler steht die Zahl der positiven Tests, unten im Nenner die Zahl aller Tests. Bei den PCR-Tests ist diese Rechnung simpel, weil in den allermeisten Fällen ein Test auf eine Person kommt. Die wenigsten lassen sich mehrfach in der Woche per PCR testen. Sprich die Quote beschreibt, wie viele von allen Getesteten (Nenner) positiv getestet worden sind (Zähler).

Bei den Schultests ist das aber vollkommen anders. Da jedes Kind drei Mal pro Woche getestet werden soll, gilt hier, dass die Zahl der Tests in etwa das Dreifache an Schülerinnen und Schülern beträgt. Das wäre kein Problem bei der Berechnung der Quote, wenn auch auf jede positiv getestete Schülerin und Schüler drei Tests kämen, also der Zähler drei Mal so groß wäre.

Ist aber natürlich nicht so. Ein Kind braucht nur einen positiven Test, um als positiv zu gelten. Während also auf der einen Seite des Bruchs die Tests mit einem Faktor drei eingehen, tun sie das auf der anderen Seite mit dem Faktor eins. Oder etwas zugespitzt gesagt: Das Beste, um die Quote zu senken ist einfach die Zahl der Tests pro Kind zu vergrößern.

Was wäre die richtige Zahl?

Etwas fairer wäre es demnach, wenn man die Quotenberechnung anpassen und sie grob gesagt verdreifachen würde, also auf 1,5 Prozent ansetzen würde. Das ist auch eine Zahl, die näher an der Quote liegt, die die Bildungsverwaltung selbst vorige Woche veröffentlichte [berlin.de], Aktuell sind das 2,05 Prozent.

Allerdings weist die Verwaltung bei dieser Statistik darauf hin: "Zum Stichtag 14. Januar 2022 sind der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie folgende, durch PCR-Test bestätigte Corona-Fälle gemeldet worden. Diese Zahlen umfassen nicht nur Fälle aus der aktuellen Woche, sondern auch ältere, für die noch kein Negativattest vorliegt." Demnach könnten die zwei Prozent der Senatsverwaltung etwas zu hoch sein, die 1,5 Prozent, weil sie nur grob hochgerechnet sind, wahrscheinlich etwas zu niedrig.

So oder so klingt das aber immer noch nach sehr wenig Fällen. So wie die meisten Corona-Zahlen, wenn man sie auf Prozent umrechnet. Nur anders gesagt bedeuten 1,5 oder zwei Prozent, dass eine Inzidenz von 1.500 bis 2.000 unter Schülerinnen und Schülern herrscht. Hinzu kommt, dass sicher auch Fälle der Statistik entgehen, weil die Kinder zu Hause positiv getestet werden und eben nicht in der Schule.

Soll man also sofort die Schulen dicht machen? Sind nun Klassenräume doch Pandemietreiber? Wie so oft in den vergangenen Jahren würde es gut tun, ruhig die verschiedenen Seiten zu analysieren.

Einerseits sind die meisten Kinder in Schulen ungeimpft oder zumindest nicht vollständig geimpft, haben also gar keinen Schutz gegen die Omikron Variante. Auch aus anderen Ländern wird berichtet, dass unter 18-Jährige sich in alarmierender Schnelligkeit anstecken und weil sich mehr anstecken, auch mehr Kindern nun im Krankenhaus landen.

Andererseits legt aber zum Beispiel eine Untersuchung aus Großbritannien nahe, dass in den seltenen Fällen, in denen ein Kind mit Corona ins Krankenhaus muss, die Aufenthaltszeit im Krankenhaus auch kürzer ist [sciencemediacentre.org]. Und es ist klar, dass ein vollkommener Wegfall des Unterrichts massive psychische Folgen für die Kinder hat. Nicht umsonst gab es aus der Wissenschaft den breiten Konsens, erst alles andere zu schließen, bevor man das für Schulen erwägt [leopoldina.org]

Kurzum: Es ist kompliziert. Ein einfaches "Auflassen oder Zumachen" wird der Lage nicht gerecht. Es wäre jetzt Zeit, wieder mehr über Wechselunterricht, kleinere Klassen, kürzere Unterrichtseinheiten mit mehr Lüften und dergleichen zu reden. Es wäre wichtig, noch mehr das Stufenkonzept auszubauen und zu überlegen, wie man die Zahl der Infektionen im Rahmen hält und gleichzeitig das Wohl der Kinder schützt.

Und natürlich gehören dazu auch flächendeckende Tests, wie sie der Senat sie versucht. Aber sie müssen eben sauber und transparent verrechnet werden.

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Beitrag von Haluka Maier-Borst

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