Corona-Tests in Berliner Schulen - Nur 0,5 Prozent positiv? Warum Giffeys Zahl die Lage unzureichend darstellt

Mi 19.01.22 | 15:10 Uhr | Von Haluka Maier-Borst
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Schulkinder beim Corona-Test (Quelle: dpa/Luka Dakskobler)
Bild: dpa-Symbolbild/Luka Dakskobler

0,5 Prozent der Tests in Schulen seien positiv, darum sei es vertretbar, dass Schule stattfinde. Das ist die Argumentation des Berliner Senats und der Regierenden Bürgermeisterin. Doch die Zahl ist durchaus problematisch. Von Haluka Maier-Borst

Sind zwei Prozent viel? Sind es 0,5? Und wie misst und bewertet man überhaupt die Corona-Lage an Berliner Schulen? An diesen Fragen hängt aktuell die Entscheidung darüber, ob und wie der Berliner Schulbetrieb weitergeht.

Die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) präsentierte nun am Dienstag auf einer Pressekonferenz eine Zahl, die anschließend viel Furore zur Folge hatte. Nur 0,5 Prozent aller Corona-Tests an Schulen seien positiv ausgefallen, entsprechend sei es "vertretbar, dass Schule stattfindet" [twitter.com]. Allein: die Berechnung der Zahl ist in dieser Form recht problematisch.

Quoten-Rechnung mit Fallstricken

Auf den ersten Blick wirkt die Zahl tatsächlich niedrig. Von den Positivquoten bei den PCR-Tests haben wir am Anfang der Pandemie gelernt: Je niedriger die Quote, desto mehr ist die Lage unter Kontrolle. Das muss man zwar inzwischen teilweise revidieren, weil dank Schnelltests nicht jeder vage Verdachtsfall gleich per PCR getestet und entsprechend der Kreis der Getesteten vorgesiebt wird. Außerdem geht es bei PCR-Tests eben immer um einen Anfangsverdacht, sei es aufgrund von Symptomen oder Kontakt zu einer infizierten Person. Die Schnelltests in den Schulen werden bei allen, unabhängig von einem Verdacht durchgeführt.

Trotzdem: Angesichts einer Positivquote bei den PCR-Tests von weit mehr als 25 Prozent klingen 0,5 Prozent nach sehr wenig. Nach "alles unter Kontrolle". Doch die Rechnung ist eben eine vollkommen andere.

Ganz simpel gesagt, geht es bei den Positivquoten um eine Bruchrechnung. Oben im Zähler steht die Zahl der positiven Tests, unten im Nenner die Zahl aller Tests. Bei den PCR-Tests ist diese Rechnung simpel, weil in den allermeisten Fällen ein Test auf eine Person kommt. Die wenigsten lassen sich mehrfach in der Woche per PCR testen. Sprich die Quote beschreibt, wie viele von allen Getesteten (Nenner) positiv getestet worden sind (Zähler).

Bei den Schultests ist das aber vollkommen anders. Da jedes Kind drei Mal pro Woche getestet werden soll, gilt hier, dass die Zahl der Tests in etwa das Dreifache an Schülerinnen und Schülern beträgt. Das wäre kein Problem bei der Berechnung der Quote, wenn auch auf jede positiv getestete Schülerin und Schüler drei Tests kämen, also der Zähler drei Mal so groß wäre.

Ist aber natürlich nicht so. Ein Kind braucht nur einen positiven Test, um als positiv zu gelten. Während also auf der einen Seite des Bruchs die Tests mit einem Faktor drei eingehen, tun sie das auf der anderen Seite mit dem Faktor eins. Oder etwas zugespitzt gesagt: Das Beste, um die Quote zu senken ist einfach die Zahl der Tests pro Kind zu vergrößern.

Was wäre die richtige Zahl?

Etwas fairer wäre es demnach, wenn man die Quotenberechnung anpassen und sie grob gesagt verdreifachen würde, also auf 1,5 Prozent ansetzen würde. Das ist auch eine Zahl, die näher an der Quote liegt, die die Bildungsverwaltung selbst vorige Woche veröffentlichte [berlin.de], Aktuell sind das 2,05 Prozent.

Allerdings weist die Verwaltung bei dieser Statistik darauf hin: "Zum Stichtag 14. Januar 2022 sind der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie folgende, durch PCR-Test bestätigte Corona-Fälle gemeldet worden. Diese Zahlen umfassen nicht nur Fälle aus der aktuellen Woche, sondern auch ältere, für die noch kein Negativattest vorliegt." Demnach könnten die zwei Prozent der Senatsverwaltung etwas zu hoch sein, die 1,5 Prozent, weil sie nur grob hochgerechnet sind, wahrscheinlich etwas zu niedrig.

So oder so klingt das aber immer noch nach sehr wenig Fällen. So wie die meisten Corona-Zahlen, wenn man sie auf Prozent umrechnet. Nur anders gesagt bedeuten 1,5 oder zwei Prozent, dass eine Inzidenz von 1.500 bis 2.000 unter Schülerinnen und Schülern herrscht. Hinzu kommt, dass sicher auch Fälle der Statistik entgehen, weil die Kinder zu Hause positiv getestet werden und eben nicht in der Schule.

Soll man also sofort die Schulen dicht machen? Sind nun Klassenräume doch Pandemietreiber? Wie so oft in den vergangenen Jahren würde es gut tun, ruhig die verschiedenen Seiten zu analysieren.

Einerseits sind die meisten Kinder in Schulen ungeimpft oder zumindest nicht vollständig geimpft, haben also gar keinen Schutz gegen die Omikron Variante. Auch aus anderen Ländern wird berichtet, dass unter 18-Jährige sich in alarmierender Schnelligkeit anstecken und weil sich mehr anstecken, auch mehr Kindern nun im Krankenhaus landen.

Andererseits legt aber zum Beispiel eine Untersuchung aus Großbritannien nahe, dass in den seltenen Fällen, in denen ein Kind mit Corona ins Krankenhaus muss, die Aufenthaltszeit im Krankenhaus auch kürzer ist [sciencemediacentre.org]. Und es ist klar, dass ein vollkommener Wegfall des Unterrichts massive psychische Folgen für die Kinder hat. Nicht umsonst gab es aus der Wissenschaft den breiten Konsens, erst alles andere zu schließen, bevor man das für Schulen erwägt [leopoldina.org]

Kurzum: Es ist kompliziert. Ein einfaches "Auflassen oder Zumachen" wird der Lage nicht gerecht. Es wäre jetzt Zeit, wieder mehr über Wechselunterricht, kleinere Klassen, kürzere Unterrichtseinheiten mit mehr Lüften und dergleichen zu reden. Es wäre wichtig, noch mehr das Stufenkonzept auszubauen und zu überlegen, wie man die Zahl der Infektionen im Rahmen hält und gleichzeitig das Wohl der Kinder schützt.

Und natürlich gehören dazu auch flächendeckende Tests, wie sie der Senat sie versucht. Aber sie müssen eben sauber und transparent verrechnet werden.

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Beitrag von Haluka Maier-Borst

53 Kommentare

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  1. 52.

    Aber wo haben wir denn "exponentielles Wachstum"?
    Bis eben hatte ich davon lange nichts mehr gehört oder gelesen - und das hat auch seinen Grund: Dieses exponentielle Wachstum gibt es nämlich schon sehr lange nicht mehr.
    Natürlich steigen die Inzidenzzahlen, aber von Tag zu Tag mäßig (auch wenn Sensationsschlagzeilen von immer neuen Höchstwerten etwas anderes vermuten lassen)- von exponentiell kann zur Zeit überhaupt keine Rede sein...

  2. 51.

    Aber wo haben wir denn "exponentielles Wachstum"?
    Bis eben hatte ich davon lange nichts mehr gehört oder gelesen - und das hat auch seinen Grund: Dieses exponentielle Wachstum gibt es nämlich schon sehr lange nicht mehr.
    Natürlich steigen die Inzidenzzahlen, aber von Tag zu Tag eigentlich relativ wenig - von exponentiell kann zur Zeit überhaupt keine Rede sein...

  3. 50.

    Dann sollte Ihr Hausarzt das vielleicht dem Ministerium mitteilen, denn dort geht man weiter davon aus, daß die Schulen sicher sind und die Infektionsgeschehen genau in der anderen Richtung laufen (also von außen in die Schulen eingetragen werden und nicht vorrangig in den Schulen verbreitet werden und dann nach außen weitergetragen werden).

  4. 49.

    Es ist definitiv eine Beleidigung, auch wenn die Kultis dies falsch verwenden, macht es das nicht richtiger. Es ist ja nicht das Einzige was da falsch läuft...
    So steht die Abkürzung „sus“ einfach für das englische Wort „suspect“ beziehungsweise „suspicious“. Übersetzt bedeutet das also „mutmaßlicher Täter“, „Tatverdächtiger“ oder eben einfach „verdächtig“. Oder noch missverständlicher:
    Mit dem Satz „Green/Yellow/Red is sus“ ist also gemeint, dass der Spieler mit der entsprechenden Farbe für verdächtig gehalten wird.
    Und genau das ist der Grund, warum es "die Schüler" heißt und nichts anderes...lt. dt. Rechtschreibrat.

  5. 48.

    Das ist wie in den Büros des Landes Berlin.

    3 positiv Getestete gestern und alle arbeiten weiter ....

  6. 47.

    Ganz oft ist bei den Kindern und Erwachsenen der Selbsttest oder Schnelltest negativ aber der PCR-Test positiv. Ohne PCR-Test verteilen dann alle das Virus. Vielen Dank!

  7. 46.

    Hier irren Sie sich. Das sind offizielle Abkürzungen, die im Schulbetrieb und auch bei den Schulverlagen verwendet werden.
    SuS = Schülerinnen und Schüler
    LuL = Lehrerinnen und Lehrer
    Gern geschehen.

  8. 45.

    Der Hausarzt meines Mannes teilte ihm gestern mit, dass bei SÄMTLICHEN Coronaerkrankungen, die er behandelt hat, das Virus AUSNAHMSLOS über KITAS und SCHULEN in die Familien hineingetragen wurde.

  9. 44.

    Wo haben sie denn diesen Blödsinn her? SuS ist die offizielle Beschreibung der Kultusminister/Senatsverwaltung für Schüler und Schülerinnen.

  10. 43.

    Bei uns sieht es ähnlich aus. 1000 Schüler. Aussage einzelner SuS: "Schüler halten sich doch eh nicht an die Quarantäne" oder "kriegen wir dieses Jahr den MSA wieder geschenkt" usw. Keine Luftfilter, keine Verwaltung, die funktioniert, Verschwörungstheoretiker, die den Diskurs dominieren usw. usw. Kein Wunder, dass die Menschen das Vertrauen in die Politik und Gesellschaft verlieren bzw. verloren haben, wenn sich doch das Einkommen der Superreichen in der Pandemie verdoppelt hat. Bildung nicht.

  11. 42.

    An meiner Schule wird zunächst die komplette Klasse nach Hause geschickt, wenn in einem der drei wöchentlichen Schnelltests bis zu drei positive Ergebnisse festgestellt werden. Alle 32 Kinder müssen dann 5 Tage zu Hause bleiben, die positiv getesteten müssen zum PCR-Test. Sind sie negativ, kommen sie wieder zur Schule. Auch der große „Rest“ der Klasse (29) kommen nach erneutem Negativtest bereits vor Ablauf der 5 Tage wieder in die Schule. Das machen die Kiddis freiwillig!
    Die Kinder haben keinen Bock, zu Hause herumzugammeln. Die wollen in die Schule. Und ich als Lehrerin will keine Gruppenhaft. Schließlich gibts die im deutschen Recht ja zum Glück auch nicht.

  12. 41.

    Achtung, Fr. Giffey redete von postiv getesteten Kindern, nicht von Quarantäne!
    Die Gesundheitsämter in Berlin reagieren extrem unterschiedlich bei der Isolation. Meine Kollegin z.B. sitzt mit dem Kind zuhause, weil der Erzieher einer anderen Klasse PCR-positiv ist, die Maskenpflicht eingehalten wurde etc. Dafür fällt bei uns ihr Unterricht aus. Jedes Ding hat immer zwei Seiten

  13. 40.

    In der Statistik erscheinen bisher alle PCR-positiven Ergebnisse, unabhängig vom Ort des Schnelltests. Außerdem werden die Menschen erfasst, die als Kontaktpersonen gemäß Anordnung vom GesAmt zuhause bleiben müssen. Schulpersonal und Schüler*innen werden hierbei separat aufgeführt.
    (Ich fülle die Statistik täglich aus für unsere Schule.)
    Spannend wird es, wie die Abfrage modifiziert wird, wenn demnächst die PCR-Tests für Kinder wegfallen. Denn diese Ergebnisse liegen immer schriftlich vor .....

  14. 39.

    "0,5 % heißt als Inzidenz 500. Schön, wenn die Politik mal die Panik relativiert, kommt ja selten vor."

    andersherum wird ein Schuh daraus- unerträglich, wie hier, nur weil Zahlen niedrig _erscheinen_ bagatellisiert wird. 0,5% Ansteckungsquote sind bei exponentiellem Wachstum extrem viel- ob das schlimm ist, ist dann abhängig von den Folgen. Und die sind auch bei Omikron nicht wirklich harmlos!

  15. 38.

    Hi,

    hat sich wohl immer noch nicht rumgesprochen:
    sus, suis,.... Ist lateinisch und die Bedeutung....., es ist eine Beleidigung.

    Ich würde nicht gerne diesem Tier zugesprochen werden.
    Kommentar erwünscht.

    Auch ein Lehrer, allerdings mit großem Latinum.

    Mfg Bart

  16. 37.

    @HMB: offline topic
    Haben Sie es aufgegeben die Datenseite (https://www.rbb24.de/panorama/thema/2020/coronavirus/service/faelle-berlin-brandenburg-verdopplungszeit-fallzahlen-entwicklung.html#top-of-comments) zu pflegen und zu aktualisieren?

  17. 36.

    Schulen und Kitas waren und bleiben immer Pandemietreiber. Ich erinnere mich noch an die Aushänge, die mit "wir haben" begannen... Scharlach, Windpocken, Noro, Rota, Influenza, Läuse, Mumps, und alles andere was juckt, rotzt oder kotzt. Bah! Und gleiches jetzt mit Corona. Dort hocken einfach noch mehr Menschen dicht aufeinander als in meinem Büro. Zwischen den Schreibtischen ist Platz. Viele Fenster. Alle geboostert. In der Schule: 2 Kinder auf 2qm, Fenster nicht zu öffnen, damit nicht dauernd Federtaschen (oder Schüler) auf den Hof fliegen. Dazu Sportunterricht ohne Masken. Gruppenarbeiten. Und im Hort alle gemischt. Ja ok, wie man sich DA nicht anstecken soll, ist mir rätselhaft.....

  18. 35.

    Nun ja, die Qualität des wissenschaftlichen Arbeitens von Frau G. kennen wir ja. (Sorry, das musste sein.)
    Die Kommentare hier alleine lassen ja erahnen, dass dieser fiktive Wert von 0,5% nicht der Realität entspricht. Ebenso die Einstufung so mancher Schule in die Stufe "grün". Die Berufsschulen wurden hier ja schon erwähnt; sie scheinen aber bei der Einschätzung von Politikern einfach keine Rolle zu spielen. Das sitzen erwachsene Leute von 16 bis Anfang 30 auf engstem Raum - in der Pause natürlich ohne Maske. Die Cafeteria ist, als wäre es nie anders gewesen, geöffnet.
    Das Problem nur: Wir haben Turnusunterricht. Wird eine Auszubildende/ ein Auszubildender z.B. am Dienstag nach der Berufsschulwoche positiv getestet, wir diese/ dieser garantiert nicht in der Berufsschule anrufen, um Bescheid zu geben. Die Gesundheitsämter sind leider diesbezüglich eh überlastet. Das waren sie schon Mitte 2020, als ich selbst positiv war. Wo ich arbeite, wollte die Dame damals nicht wissen.

  19. 34.

    Ein Beispiel aus der Schule: Montag morgens: 30 Eltern melden ihre Kinder ab, da ein Schnelltest zuhause positiv war. Das positive Ergebnis wird in der überwiegenden Zahl durch einen PCR- Test bestätigt. In der Schule selbst werden drei Schüler*innen an diesem Morgen positiv getestet. Wieviele der Fälle finden wohl Eingang in die Statistik von Frau Giffey?

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