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Video: Abendschau | 15.02.2022 | Max Kell | Quelle: rbb|24/Datawrapper

Sinkende Zahl gemeldeter Corona-Fälle

Der Fallzahlen-Knick, der vielleicht keiner ist

In Berlin melden die Ämter weniger Corona-Infektionen als in der Vorwoche, in Brandenburg flacht der Trend ab. Und nun begründen die Regierenden Lockerungen damit. Trotzdem ist der Eindruck der Trendwende trügerisch. Von Haluka Maier-Borst

Seit fast zwei Jahren begleiten sie uns, diese elendigen Kurven. Haben uns mit auf eine emotionale Achterbahn genommen, wenn sie stiegen, Hoffnung gemacht, wenn sie sanken. Und so ist es schwierig, sich von ihnen zu lösen. Zu sagen, dass sie zurzeit nur wenig zu gebrauchen sind. Und doch: Das aktuelle Abflachen oder Abfallen der Corona-Fallzahlen erlaubt für sich genommen keine Schlussfolgerung. Auch wenn die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) sagt, dass die Inzidenzen sinken und man über den Scheitelpunkt hinaus sei.

Nur nach Schnelltests gibt es noch PCR-Tests

Was zu sehen ist, ist vor allem die Tatsache, dass anders getestet wird als bisher und darum auch andere Fälle in die Statistik eingehen. Rote Warnkachel in der Corona-App, infizierte Kontaktperson, positiver Schnelltest – bislang gab es viele Gründe, warum eine Person einen sehr sensiblen PCR-Test bekam. Das ist aber nun anders. In jedem Fall braucht es erst einen positiven, aber weniger sensiblen Schnelltest, um einen PCR-Test zu bekommen [bundesregierung.de].

Sprich: Wenn eine Person tatsächlich infiziert ist, aber der Schnelltest nicht anschlägt, wird diese Person nicht per PCR-Test nachgetestet. Es entgehen also der Statistik nun Fälle, für die der Schnelltest nicht gut genug ist, die aber ein PCR-Test sehr wohl herausgefischt hätte.

In Berlin kommt aber auch etwas weiteres hinzu: um als Corona-positiv zu gelten und sich krankschreiben zu lassen, reicht nach einem Selbsttest zu Hause auch ein Schnelltest in einer zertifizierten Teststelle [berlin.de]. Das heißt, viele durch Schnelltests als positiv bestätigte Fälle verzichten darauf, sich per PCR-Test gegentesten zu lassen. Weil es für sie persönlich keinen Unterschied macht. Gleichwohl gehen diese Fälle ebenfalls nicht in die Statistik ein, denn nur PCR-Testergebnisse fließen dort ein.

Drei Pfeile auf blau: erst dann sinkt der Trend wohl tatsächlich

Im Gesamtergebnis führt das dazu, dass die Kurve ein Abnehmen der Fallzahlen nahelegt, auch wenn das in der Realität nicht der Fall sein muss. Bei rbb|24 haben wir uns dafür als Krücke entschieden, den Wochentrend zu erweitern und neben den Fallzahlen auch die Testzahlen und die Testpositivität darzustellen. Die Grundidee dahinter: Nur wenn alle drei Indikatoren blaue Pfeile anzeigen, sinken die Fallzahlen wohl tatsächlich.

Aber auch hier sind wir vorsichtig. Ein weiteres Ändern der Teststrategie kann dazu führen, dass auch diese Pfeile einen Trend zeigen, der keiner ist. Wir haben für uns deswegen entschieden, dass wir frühestens von einer Trendumkehr sprechen, wenn alle drei Pfeile zwei Wochen lang auf blau-sinkend zeigen (Fälle, Testzahlen, Testpositivität). Das bedeutet natürlich, dass wir eher zu spät als zu früh von einer Trendwende sprechen. Aber wir wollen in diesem Fall eher übervorsichtig sein.

Alles so schlimm wie letztes Jahr? Nein.

Heißt das aber zwangsläufig, dass sich aktuell die Gesamtlage definitiv verschlechtert, weil in Wirklichkeit die Zahlen womöglich eher steigen als sinken? Nein, auch dieser Umkehrschluss ist in der Form zu einfach. Und das wird klar, wenn man sich an einigen Fragen abarbeitet.

Ist es so schlimm wie letzten Winter? Nein. Die Feststellung beginnt mit dem schlichten Vergleich, wenn man aus dem Fenster schaut. Während es vor einem Jahr einen Lockdown gab, gibt es aktuell öffentliches Leben, wenn auch mit Einschränkungen. Auch sind in den Kliniken – trotz rekordhoher Fallzahlen und Untererfassung – immer noch weniger Covid-19-Patientinen und Patienten als vergangenes Jahr. All das dank Impfungen, Boostern und auch dem Umstand, dass Omikron seltener zu schweren Verläufen führt.

Werden die Krankenhäuser wieder am Anschlag sein? Das kann passieren und aktuell ist die Lage auf den Intensivstationen alles andere als entspannt – auch weil Personal sich infiziert und in Isolation muss. Aber: Daten aus Dänemark [ft.com] und aus Großbritannien deuten auch darauf hin, dass die Lage zumindest auf den Normalstationen sich verändert. Dass häufiger Patientinnen und Patienten mit, aber nicht wegen Corona dort behandelt werden. Auch das eben dank der Kombination von Impfungen, Boostern und Omikron.

Wie geht es auf den Intensivstationen weiter? Insgesamt gesehen landet auch dort ein geringerer Teil der Infizierten als in früheren Wellen. Aber wenn jemand erstmal auf der Intensivstation ist und beatmet werden muss, dann ist es wahrscheinlich wirklich das Virus, dass sie oder ihn dorthin gebracht hat.

Aber das große Manko bleibt wie auch bei den Fallzahlen: Es fehlen genauere, vergleichbare Daten. Und so wird es vorerst unklar bleiben, wohin genau die Lage sich entwickelt.

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