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Video: rbb|24 | 25.11.21 | Stefan Oberwalleney | Quelle: dpa/Christian Charisius

Ampel-Koalition legalisiert Cannabis für Erwachsene

Verstehen sie Gras?

Sie haben es durchgezogen: Nach jahrzehntelangem Verbot will die künftige Bundesregierung den Verkauf von Cannabis an Erwachsene erlauben - streng kontrolliert in lizensierten Geschäften. Doch noch sind entscheidende Fragen offen. Von Sebastian Schneider

"Mehr Fortschritt wagen" heißt das Papier, das auch Kiffer glücklich machen könnte. Grün ist ihre Hoffnung, duftend und klebrig. Im Koalitionsvertrag, den die designierte Bundesregierung aus SPD, Grünen und FDP am Dienstag im Berliner Westhafen vorstellte, widmet sie zwei kurze Absätze der Drogenpolitik. Die aber haben es in sich. “Wir führen die kontrollierte Abgabe von Cannabis an Erwachsene zu Genusszwecken in lizenzierten Geschäften ein. Dadurch wird die Qualität kontrolliert, die Weitergabe verunreinigter Substanzen verhindert und der Jugendschutz gewährleistet”, heißt es auf Seite 88. Nach vier Jahren solle das Gesetz auf gesellschaftliche Auswirkungen überprüft werden.

Befürworter der Legalisierung bezeichnen die bisherige Prohibitionspolitik als gescheitert, Gegner warnen vor den Gesundheitsgefahren der Droge. Kiffen ist schon heute straffrei, der Handel, Kauf und Besitz von Cannabis aber illegal, wenngleich in Berlin bis zu 15 Gramm als Eigenbedarf toleriert werden können. Trotz des Verbots haben Umfragen der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung zufolge mehr als ein Viertel der Deutschen zwischen 15 und 64 Jahren schon mindestens einmal gekifft, bei den 18- bis 25-Jährigen ist es fast die Hälfte.

Worüber seit Jahrzehnten mit seriösen Argumenten beider Seiten gestritten wird, könnte bald obsolet sein: Cannabis wird für Erwachsene legalisiert. Klingt zunächst nicht sonderlich kompliziert, wirft bei näherer Betrachtung aber jede Menge Fragen auf. Zum Beispiel: Woher soll all das Gras nun kommen?

Will Cannabis weiterhin lieber importieren, wenn er darf: Philip Schetter, Geschäftsführer des Berliner Start-ups Cantourage (Quelle: Presse). | Quelle: Presse

Geschätzter Bedarf: 400 Tonnen pro Jahr

Bereits seit 2017 ist medizinisches Cannabis zum Verkauf auf Rezept in Apotheken zugelassen, weil es nachweislich Schmerzen lindert, Entzündungen hemmt und beruhigt. Bisher ist das ein überschaubarer Markt, vor allem, weil das Verschreiben dieser Rezepte unterschiedlich streng gehandhabt wird. Lediglich drei Firmen dürfen THC-haltiges, medizinisches Cannabis in Deutschland anbauen, in komplett abgeriegelten, kameraüberwachten Produktionshallen. Die erlaubte Menge: 2,6 Tonnen pro Jahr. Fast zehnmal soviel wird in Deutschland schon heute aus medizinischen Gründen konsumiert.

Die drei Anbieter beteuern, ihre Kapazitäten jederzeit erweitern zu können. Aber das würde sicher nicht reichen. Durch die Legalisierung von Cannabis als Genussmittel, schätzen der Deutsche Hanfverband und mehrere Unternehmer im Gespräch mit rbb|24, entstünde ein Bedarf von bis zu 400 Tonnen pro Jahr. Ein gigantisches Geschäft. "In Deutschland ist der Cannabis-Anbau wegen der ungünstigen klimatischen Bedingungen enorm energieintensiv. Er findet nicht in Gewächshäusern statt, sondern in geschlossenen Hallen mit sehr starken Lampen. Will Deutschland seine Klimaziele erreichen, halte ich die Strategie eines rein lokalen Anbaus für fraglich”, sagt Philip Schetter, Geschäftsführer des Berliner Start-ups Cantourage.

Mit dem Import würde Deutschland gegen internationale Abkommen verstoßen

Er äußert sich auch deshalb so, weil sein Unternehmen sein Geld mit ausschließlich importiertem medizinischen Cannabis verdient, aus Ländern wie Jamaika, Portugal, Südafrika oder Uruguay. Mit der Einfuhr von medizinischem Cannabis gebe es kein Problem; importiere man aber Cannabis als Genussmittel, sei das eine ganz andere Sache.

Denn Deutschland hat die sogenannte Drug Convention der Vereinten Nationen unterschrieben. Das Abkommen verbietet seit 1961 den Import und Verkauf von Cannabis als Genussmittel und bezeichnet das Hanfprodukt dezidiert als Droge. Will die Ampel-Koalition nicht gegen die UN-Konvention verstoßen, dürfte sie eigentlich nur Anbau im eigenen Land erlauben. "Falls ein Land das Abkommen verletzt, könnten andere Länder das Land nicht mehr mit Cannabis zu medizinischen Zwecken beliefern. Somit müsste Deutschland sehr schnell Kapazitäten aufbauen, um den Bedarf für Patienten aber auch einen Freizeitmarkt zu decken", sagt Schetter.

Andere Anbieter halten das im Gespräch mit rbb|24 für keine unlösbare Aufgabe. Nehme der Staat Cannabis aus dem Betäubungsmittelgesetz heraus, könne er den Anbau erleichtern und beispielsweise Flächen dafür zur Verfügung stellen. Auch Landwirte könnten dann von dem Geschäft mit den Cannabispflanzen profitieren, weil die Auflagen für sie nicht zu streng wären.

Welche Erfahrungen andere Länder gemacht haben

In Kanada und Uruguay ist Cannabis bereits vollständig legalisiert, ebenso wie in 21 US-Bundesstaaten, darunter Kalifornien. Dort können erwachsene Kunden seit 2018 Cannabis in lizensierten Fachgeschäften kaufen, sogenannten Dispensarys. Cannabis wird dort als Lifestyle-Produkt vertrieben.

Das amerikanische Think Tank “Cato Institute” kam in diesem Jahr nach der Auswertung mehrerer Studien aus den USA zu dem Schluss, dass sowohl die Erwartungen der Befürworter, als auch die der Gegner der Legalisierung überzogen waren [cato.org]. Der Preis für Marihuana ist in Kalifornien stark gesunken, einen Schwarzmarkt gibt es noch immer. Weder brachte das Geschäft mit Cannabis sonderlich viele Jobs, noch stiegen der Cannabis-Konsum bei Jugendlichen, der Konsum härterer Drogen oder die Verbrechensrate nennenswert an.

Klar zu erkennen ist allerdings: Die Regierung nahm durch Cannabis deutlich mehr Steuern ein. In Kalifornien sind es 50 Millionen Dollar pro Monat.

Wissen was drin ist? Wer nicht gerade illegal selbst anbaut, hat keine Chance zu erkennen, welche gesundheitsgefährdenden Stoffe in seinem Joint stecken. | Quelle: dpa/Julia Imo

Steuern für den Staat

Die Ampel-Koalition erklärte, Cannabis nicht aus finanziellen Gründen zu legalisieren, sondern wegen des Jugend- und Gesundheitsschutzes. Ein großer Teil der Steuer soll für Prävention ausgegeben werden.

Doch lohnen würde sich das Geschäft mit dem Gras für den Staat allemal. Laut einer Studie der Uni Düsseldorf im Auftrag des Deutschen Hanfverbandes [dice.hhu.de] würde er durch Cannabissteuer, Umsatzsteuer, Gewerbesteuer und Lohnsteuer rund 3,3 Milliarden Euro einnehmen, 27.000 neue Jobs würden entstehen. "Der Markt existiert längst. Das einzige, was nicht existiert, sind die Steuern“, sagte der Ökonom Justus Haucap, Autor der Studie und Professor für Volkswirtschaft, vor wenigen Tagen dem ARD-Morgenmagazin.

Weil Staatsanwaltschaft und Polizei erwachsene Kiffer nicht mehr verfolgen müssten, würde der Staat 1,4 Milliarden Euro einsparen, so die Studie. Dass die Polizei durch die Legalisierung weniger Arbeit hat, bezweifelt die Gewerkschaft der Polizei (GdP). Dealer müssten trotzdem weiterhin kontrolliert werden. “Die Dealer werden hier nicht verschwinden, die werden weiter irgendwie versuchen, ihre Lebensgrundlage zu finanzieren und dann reden wir hier über einen ganz anderen Stoff", sagt der Berliner GdP-Sprecher Benjamin Jendro bei einem rbb-Interview im Görlitzer Park.

Der Bund Deutscher Kriminalbeamter widerspricht, er befürwortet die Gesetzesänderung. "Der Schwarzmarkt wird natürlich nicht komplett verschwinden. Aber die Hoffnung ist, dass der Organisierten Kriminalität hier ein großes Einkommensfeld streitig gemacht wird", sagt Carsten Milius, Co-Vorsitzender des Berliner BdK. So wie es zur Zeit laufe, laufe es auf eine gigantische Steuergeld-Verschwendung und eine Verschwendung polizeilicher Ressourcen hinaus. Die Zahl der erfassten Delikte hat sich in den vergangenen zehn Jahren von 130.000 auf 220.000 erhöht. All das beschäftigt die Justiz.

Apotheke, Späti, Coffee Shop?

Abgesehen davon stellt sich vor allem die Frage, wo das Cannabis überhaupt verkauft werden darf. Nur in Apotheken, oder im Späti um die Ecke, an der Supermarkt-Kasse oder in eigenen Coffee-Shops? Der Onlinehandel ist tabu, weil er nicht wirksam kontrolliert werden kann. Start-up-Chef Schetter plädiert für den Verkauf in Apotheken, diese seien inhabergeführte Vollsortimenter und hätten deshalb wenig Druck, Cannabis als Genussmittel verkaufen zu müssen. Außerdem könnten sie die nötige Beratung leisten.

Die Berliner Apothekerin Melanie Dolfen schätzt den Aufwand für diese Beratung und die Prüfung der Ware als hoch ein. Schon beim Verkauf von medizinischem Cannabis sei die Marge durch diese Anforderungen relativ eng, aus Profitstreben heraus ergebe der Verkauf von legalisiertem Cannabis aus ihrer Sicht wenig Sinn. Stattdessen fordert sie im Gespräch mit rbb|24, Verkaufsstellen von medizinischem Cannabis und Cannabis als Genussmittel strikt zu trennen.

Denkbar sei aber, dass Apotheken solche Shops betrieben. "Dort wären sicherlich auch Menschen aus der Partyszene die Zielgruppe, die sagen, sie wollen Cannabis in vernünftiger, sicherer Qualität. Die würden auch das Geld in die Hand nehmen, für diese Qualität zu bezahlen. Den Schwarzmarkt komplett auszutrocknen ist unmöglich, aber wir wären deshalb attraktiv, weil wir kein verunreinigtes Zeug auf den Markt werfen", sagt Dolfen, die in Mitte und Friedrichshain zwei Apotheken betreibt. Kein verunreinigtes Zeug bedeutet für sie auch: den THC-Gehalt im legalen Cannabis streng zu begrenzen.

Verkauf ja, aber mit begrenzten Abgabemengen und strikt getrennt von medizinischem Cannabis: Melanie Dolfen, Inhaberin von zwei Apotheken in Berlin-Mitte und -Friedrichshain. | Quelle: presse

Gesundheitsgefahr durch synthetische Cannabinoide

Denn der für die Rauschwirkung verantwortliche THC-Gehalt in beschlagnahmtem Cannabis steigt seit Jahren, auch befeuert durch die Zunahme von synthetischen Cannabinoiden. Laut britischen Forschern hat er sich in Europa zwischen 2006 und 2016 verdoppelt. Mit dem steigenden THC-Gehalt steigt aber auch die Gesundheitsgefahr. Das Problem auf dem bisher illegalen Markt: Das Cannabis ist oft verdreckt, gestreckt mit Stoffen wie Glas, Sand, Schuhcreme oder sogar Blei. Auch erfahrene Konsumenten können das nicht gleich erkennen.

Michael Frommhold, Co-Geschäftsführer des Notdienstes für Suchtmittelgefährdete und -abhängige Berlin, sagt dem rbb, der Konsum von Cannabis sei in den vergangenen Jahren ohnehin deutlich angestiegen. Die Legalisierung sei eine Chance, diese Konsumenten besser zu schützen. Über die Wirkung und die Risiken der Droge müsse dabei ehrlich und neutral aufgeklärt werden. Man könne auch nicht sagen, dass Cannabis pauschal weniger gefährlich sei als etwa Alkohol.

Schon 2016 wollte der Berliner Senat einen Modellversuch starten. Studienteilnehmer sollten in Apotheken kontrolliert freigegebenes Cannabis kaufen können. Das Ziel: weniger Gefahr durch gestreckten Stoff. Der Bund lehnte ab, Berlin klagt dagegen.

"An den Hotspots Konkurrenz zum Schwarzmarkt sein": Catherina Pieroth (Grüne), gesundheitspolitische Sprecherin der Fraktion (Quelle: dpa). | Quelle: dpa/Bernd von Jutrczenka

"Ein Märchen, dass Cannabis heute nur im Görli angeboten wird"

Einen langfristigen Verkauf nur in Apotheken hält die Berliner Grünen-Politikerin Catherina Pieroth heute für wenig zielführend. "Wenn es um selbstbestimmten Konsum geht, kommen wir nicht mehr daran vorbei, auch den Konsum in lizenzierten Verkaufsstellen möglich zu machen - dafür sind auch Läden wie Spätis denkbar, wenn sie die Bedingungen erfüllen. Entscheidend ist auch, solche Verkaufsstellen gut über die Stadt zu verteilen", sagt die gesundheitspolitische Sprecherin der Fraktion im Abgeordnetenhaus. Es sei ein Märchen, dass Cannabis heute nur im Görlitzer Park oder der Hasenheide illegal angeboten werde, es sei an zig Orten Berlins verfügbar. "Genau an den Hotspots wollen wir Transparenz reinbringen und Konkurrenz sein", sagt sie rbb|24.

Ähnlich äußert sich Finn Hänsel, Gründer des Berliner Start-ups Sanity Group, das medizinisches Cannabis vertreibt. "Ich gehe davon aus, dass sich am Ende wie in Kalifornien Firmen oder Einzelpersonen um Lizenzen bewerben dürfen, die dann Geschäfte aufbauen können. Für diese wird es Auflagen geben, beispielsweise einen Safe, Zugangsverbot für Unter-18-Jährige, eine gewisse Ausbildung der Fachkräfte im Geschäft, damit sie Beratung gewährleisten können", sagt Hänsel. Sein Start-up könne sich den Betrieb solcher Lizenzgeschäfte vorstellen. Auch der Verband der deutschen Tabakhändler hat bereits sein Interesse bekundet.

Die Legalisierung hilft kaum etwas, wenn der Zugang für Kunden komplizierter ist als der Gang zum Dealer - die Erfahrungen aus anderen Ländern scheinen das zu bestätigen. In Kanada zum Beispiel gibt es zu wenige Verkaufsstellen, die Wege sind weit und die Ware ist wegen der hohen Steuer relativ teuer. Die Erwartungen der kanadischen Regierung haben sich nicht erfüllt [tagesschau.de]. "Sie haben dort zig Tonnen Cannabis in riesigen Hallen angebaut, ein Massenprodukt wie Industriebier, um beim Preis konkurrieren zu können. Aber dadurch hatte man am Ende nur ein okayes Produkt, genauso teuer wie auf dem Schwarzmarkt", sagt Philip Schetter, der früher für eine kanadische Firma gearbeitet hat.

Finn Hänsel, Gründer des Berliner Start-ups Sanity Group. Bevor er mit medizinischem Cannabis handelte, war Hänsel bei Zalando und einer Craft-Beer-Brauerei (Quelle: Presse). | Quelle: Presse / Norman Posselt

Alles eine Frage des Preises

Wie teuer darf das Produkt also sein, damit die Legalisierung überhaupt Sinn ergibt? Bislang beliefert die staatliche Cannabis-Agentur die deutschen Apotheken exklusiv, zu einem Festpreis von 4,30 Euro pro Gramm. Das ist weniger als die Hälfte des Schwarzmarktpreises - dementsprechend lohnt sich der illegale Markt für Lieferanten mehr.

“Wir werden beim Preis von legal abgegebenem Cannabis nie mit Drogenkartellen und mafiösen Strukturen mithalten können. Aber es geht darum, alle Informationen ins Licht zu rücken. Jeder sollte wissen, was drin ist - wie beispielsweise bei einer Flasche Bier. Dieser Gesundheitsschutz sollte uns etwas wert sein", sagt die Grünen-Politikerin Pieroth.

Den Kunden kostet ein Gramm, je nach Stadt und Qualität, etwa zehn Euro. Um dieses Angebot unattraktiv zu machen, dürfte legal verkauftes Cannabis trotz Steuer und aller entsprechenden Kosten für Qualität und Drogenprävention, nicht deutlich teurer sein. Mehrere Anbieter sind im Gespräch mit rbb|24 skeptisch, ob dieser Preis zu halten wäre, wollen sich damit aber nicht namentlich zitieren lassen. Damit alle Teile der Wertschöpfungskette nachhaltig wirtschaften können, gehen Experten von einem notwendigen Netto-Preis von fünf bis sechs Euro pro Gramm aus. Sonst drohe ein Preiskampf, unter dem die Qualität leide.

“Am Ende hat man ein tolles Modellprojekt, alles am Produkt super kontrolliert, aber es kostet 30 Euro und keiner kauft es. Dieses Spannungsfeld muss die Politik in den nächsten Monaten klären", wendet Finn Hänsel ein.

Negativbeispiel Niederlande

Entscheidend ist Experten zufolge auch, die gesamte Wertschöpfungskette im Blick zu behalten. Es lohnt ein Blick ins Nachbarland: In den Niederlanden ist zwar der Verkauf in den Coffee-Shops legal, der Anbau größerer Mengen und Einkauf aber nicht gesetzlich geregelt. Solange die Läden nicht mehr als ein Pfund Cannabis lagern, haben sie keine weiteren Fragen zu befürchten. Das Ergebnis: Organisierte Banden haben den gigantischen Markt unter sich aufgeteilt und finanzieren mit den Einnahmen auch andere, illegale Geschäfte - nicht zuletzt den Handel mit härteren Drogen.

Die Gewalt durch Organisierte Kriminalität ist in den letzten Jahren eskaliert, der Mord an dem Reporter Peter de Vries auf offener Straße gilt Kritikern der niederländischen Drogenpolitik als jüngster Beweis, dass das Land inzwischen ein “Narco-Staat” geworden ist. Staatsanwälte, Richter, Journalisten stehen unter Polizeischutz. Der niederländische Weg des Wegsehens scheint klar gescheitert.

Berlin auf Droge | Psychiater Betzler zu Drug-Checking

"Aus medizinischer Sicht auf jeden Fall sinnvoll"

Berliner Clubgänger sollen ab nächstem Jahr ihre Drogen vor dem Feiern überprüfen lassen können. Felix Betzler forscht an der Charité zu Partydrogen und sagt ganz klar: Drug-Checking ist ein sehr guter Weg, um die Konsumenten zu erreichen.

Modellprojekt in der Schweiz

Es gibt aber auch vielversprechendere Beispiele unter Deutschlands Nachbarn: In der Schweiz soll 2022 ein mehrere Jahre langer, wissenschaftlich begleiteter Modellversuch in großen Städten wie Zürich, Bern, Genf und Basel starten. Erwachsene können dann Cannabis in Apotheken als Genussmittel rezeptfrei kaufen, orientiert am Schwarzmarktpreis.

Maximal 5.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer dürfen pro Versuchsort mitmachen. Die Bezugsmenge ist pro Verkauf und Monat beschränkt. Es darf ausschließlich Schweizer Hanf mit einem THC-Gehalt von maximal 20 Prozent verkauft werden - Importe sind verboten. Für ein solches Modell spricht sich der deutsche Apothekerverband aus. Die Berliner Gesundheitspolitikerin Pieroth wäre ihren Worten zufolge ebenfalls mit so einem Probelauf in deutschen Städten "sehr einverstanden."

Inzwischen haben auch die Niederlande solche Modellprojekte: Anbau und Handel vor Ort, lückenlose Kontrolle, dadurch frei gewordene Kapazitäten der Justiz auf die Verfolgung härterer Drogen konzentrieren.

Die Fehler des Nachbarlandes will die deutsche Ampel-Koalition ausdrücklich vermeiden. Das geht nur, wenn sie das Geschäft vom Anbau bis zum Endkunden reguliert. Dafür muss sie nun zügig einen Gesetzesentwurf zustandebringen. Ab wann weißer Rauch aufsteigt und Kiffer sorglos zum Coffee-Shop um die Ecke schlendern können, ist noch gänzlich ungeklärt.

Beitrag von Sebastian Schneider, rbb|24

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