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Video: rbb24 Brandenburg aktuell| 08.06.2023 | Hölscher/ Majerowitsch | Quelle: dpa/Christian Charisius

Zweiter Sozialgipfel

Sozialverbände zufrieden mit Brandenburger Hilfspaket

Teure Energie, teures Essen, teures Wohnen - die Inflation setzt in Brandenburg immer mehr Menschen zu. Sozialverbände, Kirchen und Gewerkschaften waren nach einem Sozialgipfel mit den Gegenmaßnahmen einverstanden. Lücken aber bleiben. Von Markus Woller

Gleich zwei offene Briefe gab es im Vorfeld des zweiten Brandenburger Sozialgipfels am Donnerstag in der Staatskanzlei. Mehrere Sozialverbände hatten zu Wochenbeginn Bilanz gezogen, sieben Monate nach dem ersten Zusammentreffen: Das Kartellamt als Preiskontrolleur - ein zahnloser Tiger, der Nahverkehr - für arme Menschen zu teuer, ein Kündigungs-Moratorium für Wohnraum in Händen von Land oder Kommunen – noch immer nicht flächendeckend eingeführt. Die Liga der Freien Wohlfahrtspflege beklagte außerdem in einem gesonderten Brief, dass die Situation von Geflüchteten in Brandenburg nicht ausreichend berücksichtigt werde.

Altersarmut

Immer mehr Brandenburger auf Sozialhilfe angewiesen

Wegen der seit Beginn dieses Jahres gestiegenen Lebenshaltungskosten können immer mehr Menschen ihren Unterhalt nicht mehr aus dem eigenen Einkommen bestreiten. Insbesondere ältere Menschen benötigen wegen niedrigen Renten häufiger Sozialhilfe.

814 Millionen Euro für soziale Förderung

Auf dem Gipfel am Donnerstag haben sich die Wogen offenbar weitgehend geglättet. Relevante Lücken im zwei Milliarden Euro schweren Rettungsschirm des Landes, dem sogenannten "Brandenburg-Paket", seien heute nicht bekannt geworden, so Brandenburgs Sozialministerin Ursula Nonnemacher (Bündnis 90/Die Grünen). Sie und Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) verwiesen auf die umfangreichen Hilfen, die man auch mit Unterstützung der Sozialverbände auf den Weg gebracht habe.

814 Millionen Euro seien mittlerweile mit konkreten Förderrichtlinien unterlegt, können also abgerufen werden. 100 Millionen Euro für die Kita-Kosten-Entlastung, 200 Millionen Euro für Krankenhäuser, dazu hunderte weitere Millionen fürs neue Wohngeld plus, die soziale Infrastruktur, für private Energiepreishilfen und für Tafeln oder Tierheime. Woidke sagte, das Ziel, soziale Infrastruktur durch die Inflation nicht kaputt gehen zu lassen, sei weitgehend erreicht worden. Man müsse viele Fördermöglichkeiten allerdings noch besser kommunizieren.

Forderung nach Wohngipfel

Der Zufriedenheit auf Seiten des Landes wollten die eingeladenen Verbände an diesem Tag nicht grundsätzlich widersprechen. Allerdings müssten viele Dinge "im Blick behalten werden", wie es Andreas Kaczynski von der Landesarmutskonferenz ausdrückte. Vor allem der Anstieg der Mieten mache ihm Sorgen. Im Berliner Speckgürtel und entlang der Regionalexpresslinien könnten sich viele Menschen ihre Wohnungen kaum noch leisten. Er forderte einen gesonderten Landes-Wohngipfel.

Beim Wohngeld forderte Kaczynski schnellere Bearbeitungszeiten, zeigte sich gleichzeitig beeindruckt davon, dass sich die Zahl der Anträge in der jüngsten Zeit zum Teil verdreifacht hätten. Der Antragsprozess müsse nun vereinfacht und beschleunigt werden. Alle Akteure würden aber gemeinsam daran arbeiten, die Förderprogramme den bedürftigen Familien zukommen zu lassen. Auch Tafeln, als Anlaufstelle von armen Menschen, bräuchten zudem mehr Unterstützung. Am besten mit einer Regelfinanzierung durch das Land.

 

Paritätischer Gesamtverband

Berlin weist bundesweit zweithöchste Armutsquote auf

Die Armut in Deutschland ist höher als vom Paritätischen Gesamtverband zunächst angenommen, er korrigierte die von ihm erfassten Zahlen seines Armutsberichts nach oben. Berlin ist weit vorne, Brandenburg hinten.

Nahverkehr schneller ausbauen

Der Sozialverband Deutschland kritisierte, dass es weiter keinen Plan für ein 9-Euro-Sozialticket in der Landesregierung gebe. Auch der Nahverkehr müsse schneller ausgebaut werden, so die Vorsitzende Ursula Engelen-Kefer. Die LIGA der Wohlfahrtsverbände verwies darauf, dass auch im Bereich der Flüchtlingsbetreuung weitere Anstrengungen nötig seien.

Kritik daran, dass die Maßnahmen zu lange brauchten, um auf den Weg gebracht zu werden, trat Woidke entgegen. Man müsse bei der Begründung und der juristischen Ausgestaltung besonders gründlich vorgehen, weil die AfD gegen das "Brandenburg-Paket" vor dem Landesverfassungsgericht vorgegangen sei. Die Oppositionspartei hatte geklagt, weil sie glaubt, das Land gebe das Geld aus dem Kredit nicht ausschließlich für Projekte aus, die der Bekämpfung der Inflation gelten. Zudem, so Woidke, betrete man mit vielen Förderungen Neuland und müsse auch das gründlich prüfen.

Kritik an AfD wegen Klage und Sozialneiddebatte

Auffällig trotz Kritik: Die Sozialverbände bemühten sich, die Maßnahmen des Landes grundsätzlich als Erfolg auszuweisen. Das Land habe mit dem Brandenburg-Paket gute und wichtige Förderinstrumente auf den Weg gebracht, lässt sich Hubertus Diemer von der LIGA der Wohlfahrtsverbände zitieren. Kaczynski sagte, man dürfe die Aufnahme so hoher Kredite, um Menschen zu helfen, nicht geringschätzen.

Mit Blick auf die Umfrage-Erfolge der AfD in den vergangenen Monaten verlangte er auch, als Gesellschaft zusammenzustehen und mehr darüber zu sprechen, was man geschafft habe in den letzten Jahren. Sozialministerin Nonnemacher sagte, man müsse weiter in den sozialen Zusammenhalt der Gesellschaft investieren, "um auch diesen rechten Stimmungstreibern Paroli zu bieten, die Sozialneiddebatten schüren und unser Land schlechtreden".

Die auf den Weg gebrachten Maßnahmen würden nun weiter beobachtet und bei Bedarf nachgesteuert, hieß es von allen Seiten. Spätestens nächstes Frühjahr wolle man im Sozialministerium erneut zusammenkommen.

Sendung: Antenne Brandenburg, 08.06.2023, 18:40 Uhr

Beitrag von Markus Woller

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