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Video: Abendschau | 07.01.2021 | Garus/Knieling | Gespräch mit Burkard Dregger | Quelle: dpa

Eilantrag von Neuköllner Gymnasien

Berliner Schulen wehren sich massiv gegen geplante Teilöffnung

Berliner Schulklassen sollen schon im Januar teilweise wieder in den Präsenzunterricht - das stößt auf breiten Widerstand. Die Neuköllner Gymnasien wollen diesen Weg nicht mitgehen. Kritik kommt auch von Schülern, Eltern und der Lehrergewerkschaft.

In Berliner Schulen regt sich heftiger Widerstand gegen die Pläne des Senats, ab Montag für gewisse Jahrgänge wieder Präsenzunterricht zu ermöglichen. Laut Senatsbeschluss sollen die abschlussrelevanten Klassen dann in halbierter Stärke wieder in den Schulen unterrichtet werden. Eine Woche später soll auch in Grundschulen stundenweise wieder Präsenzunterricht durchgeführt werden. Ab Mitte Februar ist dann die komplette Rückkehr zum Präsenzunterricht geplant.

Per Eilantrag appellieren die fünf Gymnasien im Bezirk Neukölln an die Bildungsverwaltung, das schulisch angeleitete Lernen von Zuhause mindestens bis zum 18. Januar zu verlängern, besser sogar bis Ende des Monats. Alles andere sei zu riskant und nicht vermittelbar, heißt es in dem Schreiben der Gymnasien.

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Video | Pläne bis Mitte Februar

Berliner Schulen sollen bald schrittweise wieder öffnen

Schulleiterin will Senatsbeschluss nicht folgen

Auch in anderen Bezirken werden die Senatspläne scharf kritisiert. So teilte unter anderem eine Schulleiterin aus Treptow-Köpenick dem rbb mit, sie öffne ihre Schule am Montag auf keinen Fall.

Unterstützung für diesen Kurs kommt von Schülerinnen und Schülern. Landesschülersprecher Richard Gamp fordert, bevor die Schulen wieder geöffnet werden, müssten erst wirklich belastbare Zahlen zum aktuellen Infektionsgeschehen da sein. Die werden wegen der Weihnachtsfeiertage allerdings frühestens in einer Woche erwartet.

Elternvertreter bemängeln "widersprüchliche Regelung"

Auch Berliner Elternvertreter reagieren brüskiert. Die Entscheidung des Senats sei widersprüchlich: "Die häuslichen Kontakte werden auf eine Person reduziert. In den Schulen dürfen sich aber Schülerinnen und Schüler aus bis zu 16 Haushalten mit ihren Lehrkräften in Unterrichtsräumen treffen", teilte der Landeselternausschuss am Donnerstag auf seiner Internetseite mit [leaberlin.de].

Schüler der Jahrgänge, für die ab dem 11. Januar Wechselunterricht geplant ist, dürften quer durch die Stadt fahrend wieder in den Unterricht, in Teilgruppen und sich immer neu mischenden Kursen in der gymnasialen Oberstufe. Die jüngeren Kinder, die zu Fuß zur Schule gelangten, müssten bis zum 18. Januar warten, obwohl die Erstwissensvermittlung für schulisch angeleitetes Lernen hier am schwersten umzusetzen sei, kritisiert der Elternausschuss.

Elternausschuss: Immer noch keine verlässlichen digitalen Lernstrukturen

Der Elternausschuss erinnert zudem an seine Forderung von Ende Dezember, Regelunterricht erst wieder vollständig zu ermöglichen, sobald das mit Blick auf die Infektionszahlen vertretbar sei. Der Senat hatte am Mittwoch entschieden, an den Schulen zunächst nicht zum Regelunterricht zurückzukehren, aber schrittweise wieder Präsenzunterricht zu ermöglichen.

Zudem bemängelte der Elternausschuss eine fehlende, klar geregelte Perspektive für die kommenden Monate, besonders im Bezug auf möglichen weiteren Heimunterricht. "Berliner Eltern brauchen dringend eine für ihre Familien belastbare Strategie bis zum Schuljahresende. Dazu gehört auch der Aufbau verläßlicher digitaler und datenschutzkonformer Lernstrukturen. Die gibt es auch im 10. Monat nach Beginn des ersten Lockdown nicht", heißt es in der Mitteilung vom Donnerstag.

Ein Berliner Familienvater startete bereits eine Online-Petition mit der Forderung "Kein Präsenzunterricht in Berlin, solange Covid-19 nicht unter Kontrolle ist". Der Regierende Bürgermeister Michael Müller und Bildungssenatorin Sandra Scheeres (beide SPD) sollten ihre "unverantwortliche Entscheidung" zurücknehmen. Bis zum Donnerstagnachmittag hatten die Petition mehr als 4.000 Menschen unterschrieben, die Zahl der Unterzeichner stieg dabei schnell.

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GEW: Kein Präsenz-Unterricht bis Lockdown-Ende

Aus Sicht der Bildungsgewerkschaft GEW ist die Entscheidung ebenfalls falsch. "Das passt alles nicht zusammen", sagte der Berliner GEW-Landesvorsitzende Tom Erdmann am Donnerstag. "Ab der nächsten Woche sind die halben Oberstufen wieder in der Stadt unterwegs", kritisierte Erdmann. "Ich gehe nicht davon aus, dass die Infektionszahlen dann wieder so gut sind, dass man sich das leisten kann."

Es habe schon eine Vielzahl von kritischen Rückmeldungen gegeben. "Viele Kollegen, die mir geschrieben haben, unterstellen der Bildungssenatorin, dass sie billigend in Kauf nimmt, dass es zu Infektionen unter Lehrkräften kommt", sagte Erdmann. Die GEW fordere, bis zum Ende des Lockdowns keinen Unterricht in den Schulen anzubieten.

Auch das Vorhaben des Senats, ab Mitte Februar wieder komplett zum Präsenzunterricht zurückzukehren, hält die GEW für einen Fehler. "Das ist in sechs Wochen. Zurückblickend vor sechs Wochen hat sich keiner vorstellen können, dass wir in einer Situation wie jetzt sind", sagte der Landesvorsitzende Tom Erdmann.

Scheeres: "Eine durchdachte Entscheidung"

Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) verteidigte die Pläne für die Schulöffungen. "Es ist eine bewusste Entscheidung, eine durchdachte Entscheidung", sagte sie am Donnerstag. Die Folgen seien unabsehbar, wenn etwa Grundschüler für sechs Wochen nicht in den Schulen seien. Deshalb hätten auch Experten empfohlen, behutsam mit Kleinsten anzufangen: "Damit sie uns nicht wegrutschen." Es gelte verantwortungsvoll abzuwägen zwischen dem nötigen Gesundheitsschutz und dem Recht auf Bildung.

Müller warnt vor sozialen Folgen

Bei einer Sondersitzung im Abgeordnetenhaus am Donnerstag verteidigte Regierungschef Müller die Entscheidung des Senats. Es sei ein Abwägungsprozess, sagte der SPD-Politiker. "Es bleibt dabei, ich möchte so dringend wie möglich in den Präsenzunterricht, weil ich weiß, wie die sozialen Folgen sind, wenn die Kinder nicht in die Schule gehen", sagte Müller. "Aber in der Abwägung, was ich ansonsten alles an Maßnahmen beschließe, kann ich nicht wegdiskutieren, dass es auch Infektionsketten gibt aus dem Schulgeschehen heraus. Und dann muss ich möglicherweise da auch einschränken."

Die Grünen äußerten sich ähnlich. "Jeder Tag Lockdown bedeutet ein weiterer Tag, an dem die Schere zwischen denen, die lernen können, und denen, die nicht lernen können, größer wird", sagte die Fraktionschefin Silke Gebel. Begleitet werden müsse die stufenweise Wiedereröffnung der Grundschulen ab dem 18.01. durch kostenlose Schnelltests für Lehrer sowie kostenlose FFP2-Masken und Luftfilteranlagen in allen Bildungseinrichtungen.

Die Linke, dritter Koalitionspartner, äußerte sich hingegen kritisch. Der Fraktionsvorsitzende Carsten Schatz bezeichnete die Regeln als "wenig konsistent" und kündigte an: "Wir werden diese inkonsistenten Regelungen diskutieren und Änderungen anregen."

Auch Berliner Opposition lehnt Senatspläne ab

Die oppositionelle CDU fordert den Senat auf, die Pläne zur schrittweisen Wiedereröffnung zurückzunehmen. Fraktionschef Burkhard Dregger sprach sich für eine Schließung der Schulen bis Ende Januar aus. Er sagte am Donnerstag in der rbb Abendschau, er könne sich nicht vorstellen, dass sich die Schulen und Schulbusse jetzt wieder füllen. Ziel sei es, die Zahl der Neuinfektionen deutlich zu senken. Die CDU warf dem Senat zudem vor, seit März nicht konsequent die Digitalisierung der Schulen voranzutreiben.

Die FDP hingegen bezeichnete die schrittweise Wiedereröffnung der Berliner Schulen als richtigen Weg. Der Senat müsse nun alles daran setzen, "dass am 18. Januar Hepa-Filter, 'halbe Klassen' und auch geeignete Hygienekonzepte endlich in allen Schulen zum Einsatz kommen und gewährleistet sind", sagte Paul Fresdorf, bildungspolitischer Sprecher der FDP-Fraktion. Auch das Problem der Digitalisierung an den Berliner Schulen müsse schnellstmöglich auf den Weg gebracht werden.

Die Kommentarfunktion wurde am 07.01.2021 um 20:34 Uhr geschlossen

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