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Video: rbb24 Abendschau | 19.01.2023 | D. Knieling, B. Hermel | Quelle: dpa/J. Carstensen

Analyse | BerlinTrend

Kai Wegner - ein König ohne Land?

Vor allem die Silvesternacht in Berlin hatte einen deutlichen Einfluss auf die aktuellen Umfragewerte der Berliner Parteien. Profitieren konnte vor allem die CDU. Gleichwohl düfte der BerlinTrend allen Beteiligten zu Denken geben. Von Sabine Müller

Auf dieses Glücksgefühl beim Betrachten eines BerlinTrends, der Wahl- Umfrage von rbb24 Abendschau und "Berliner Morgenpost", hat die CDU lange warten müssen. Es ist schon fast drei Jahre her, dass sie hier vorne lag: Zuletzt war dies im April 2020 der Fall.

Damals wie heute kamen die Christdemokraten auf 23 Prozent und lagen damit damals wie heute vor den Grünen (21 Prozent). Ebenfalls im Aufwind ist die CDU auch bei der separat gestellten Frage, wer den künftigen Senat anführen sollte. Nach einem satten Zuwachs verdrängen die Christdemokraten hier die SPD, die regelrecht abstürzt, von Platz eins. Zweimal Spitzenposition - das gibt den Christdemokraten wichtigen Schwung für den Wahlkampf-Endspurt.

BerlinTrend | Umfrage zur Wahlwiederholung

CDU liegt vorn - grün-rot-rotes Bündnis hätte Mehrheit

Die CDU kann in der Berliner Wählergunst weiter Boden gut machen und liegt an der Spitze der Parteien. Für das amtierende Regierungsbündnis würde es trotzdem reichen, wenn auch unter anderer Führung, wie aus dem aktuellen BerlinTrend hervorgeht.

Woher rührt die Stärke der CDU?

An der Person des Spitzenkandidaten Kai Wegner kann es eigentlich nicht liegen, dass die CDU sich jetzt nach vorne geschoben hat. Denn im BerlinTrend steht der 50-Jährige bei allen persönlichen Werten mager da. Nur etwas mehr als die Hälfte der Befragten kennt Wegner so gut, dass sie sich überhaupt ein Urteil über ihn zutrauen. Von denen, die es tun, ist die Mehrheit nicht zufrieden mit seiner Arbeit. Jeder Dritte sagt, dass er Kai Wegner gar nicht kenne. Bitter: Selbst bei den CDU-Anhängern sagt das jeder Vierte.

Auch bei der Direktwahlfrage kann Wegner nicht punkten. Wenn die Wählerinnen und Wähler direkt über die Besetzung des Chefsessels im Roten Rathaus abstimmen könnten, würden sich nur 20 Prozent für ihn entscheiden. Amtsinhaberin Franziska Giffey (SPD) kommt auf 34 Prozent. Zieht also der Bundestrend Wegners CDU nach oben? In den Meinungsumfragen auf Bundesebene liegt die oppositionelle Union deutlich vor den Regierungsparteien SPD und Grünen. Allerdings tat sie dies auch schon beim letzten BerlinTrend im vergangenen November und damals konnten die Berliner Christdemokraten nicht profitieren.

Informationen über Kandidierende

Plattform "Abgeordnetenwatch" startet Frageportal für Berlin-Wahl

Silvesternacht hat auch AfD Punkte gebracht

Die wahrscheinlichste Erklärung ist daher, dass das Thema Nummer Eins der heißen Wahlkampfphase auf die CDU einzahlt: Die Debatte über die Ausschreitungen in der Silvesternacht. Kai Wegner und Co. fahren hier eine harte Linie, wollen "Wahrheiten" aussprechen und dafür unter anderem die Vornamen der Tatverdächtigen mit deutschem Pass wissen. Vor allem von Grünen und Linken brachte ihnen das den Vorwurf des Rassismus ein.

Für diesen Erklärungsansatz spricht, dass auch AfD und FDP im BerlinTrend leicht zulegen konnten. Die AfD spielte nach der Silvesterdebatte die Migrations-Karte, die FDP kritisierte eine innenpolitische "Laissez-Faire-Haltung" der rot-grün-roten Regierung. Koalitionsparteien verlieren oder stagnieren

Hat Franziska Giffey das Nachsehen?

Besonders die SPD und ihre Spitzenkandidatin Franziska Giffey werden an dieser Umfrage zu schlucken haben. Die Partei bleibt im BerlinTrend wie festbetoniert auf Platz drei und liegt nach leichten Verlusten (-1 auf 18) jetzt schon fünf Prozentpunkte hinter der führenden CDU. Die Grünen halten zwar noch den Anschluss an die CDU, aber 21 Prozent (-1) bei der Sonntagsfrage – das passt nicht zum Anspruch von Spitzenkandidatin Bettina Jarasch, die auf den Chefinnensessel im Roten Rathaus will. Zumal die Grünen in Vorwahl-Umfragen meist besser abschneiden als am Wahltag.

Persönlicher Hoffnungsschimmer für Jarasch: Ihre Bekanntheitswerte haben sich seit der letzten Wahl fast verdoppelt. Die Silvesterdebatte könnte auch hier als Erklärung für den leichten Abwärtstrend von SPD und Grünen dienen, allerdings stellt sich dann die Frage, warum sich die Linke davon entkoppeln kann und stabil bei 11 Prozent bleibt.

Als Koalition insgesamt können sich SPD, Grüne und Linke daran aufrichten, dass sie trotz der leichten Verluste gemeinsam weiterhin eine Regierungsmehrheit hätten. Nach jetzigem Umfragestand würde die Koalition dann allerdings nicht mehr von der SPD angeführt, sondern von den Grünen. Grüne und Linke betonen, dass sie die aktuelle Koalition fortsetzen wollen, die SPD hält sich eher bedeckt.

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CDU: Siegerin und Verliererin zugleich?

Die Tatsache, dass die aktuelle Koalition weiterhin eine Mehrheit hat, stellt für CDU-Spitzenkandidat Kai Wegner eine große Gefahr dar. Denn wenn sich die aktuellen Umfragen am Wahlabend bewahrheiten, ist es gut möglich, dass die CDU als Sieger durchs Ziel geht und letztlich trotzdem als Verliererin dasteht.

Natürlich hätte ein Wahlsieger Wegner als Erster ein Recht darauf, Sondierungsgespräche zu führen. Rechnerisch möglich wäre laut aktuellem BerlinTrend zum Beispiel eine "Jamaika"-Koalition aus CDU, Grünen und FDP. Darauf, dass die FDP aktuell wenig Lust auf die Grünen zeigt, sollte man nicht allzu viel geben. Denn Spitzenkandidat Sebastian Czaja schließt ja nur aus, dass seine Partei die Grüne Bettina Jarasch zur Regierenden Bürgermeisterin wählt.

Wahlverzeichnisse erstellt

Weniger Wahlberechtigte bei Wiederholung der Berlin-Wahl

Grüne gehen auf Distanz zur CDU

Kritischer ist die öffentlich geäußerte Skepsis der Grünen gegenüber der CDU. Zwar schließt Bettina Jarasch eine Zusammenarbeit nicht kategorisch aus. Allerdings haben die Grünen unter anderem in der Verkehrs- und Klimapolitik schon genug Dissens-Punkte mit der CDU und nach der Silvesternacht scheint noch unwahrscheinlicher, dass sie einen gemeinsamen Nenner finden.

Die grüne Spitzenkandidatin Bettina Jarasch sagte dem rbb mit Blick auf die CDU gerade erst: "Wer eine Debatte über Jugendgewalt und erwartbare Ausschreitungen an Silvester zu einer Debatte über Vornamen macht, wie es Kai Wegner am Ende getan hat, der hat diese Stadt nicht verstanden."

Rechnerisch möglich ist laut der aktuellen Umfrage auch eine sogenannte "Deutschland"-Koalition aus CDU, SPD und FDP. Franziska Giffey wurden im letzten Wahlkampf Sympathien für diese Kombination nachgesagt – allerdings dachte sie dabei natürlich an eine SPD-Führungsrolle. Schon vor anderthalb Jahren kam dann aber immer der Hinweis, die SPD-Basis würde eine solche Farbkombination wohl kaum mittragen. Und dass Franziska Giffey persönlich sich irgendwo als Nummer zwei einreiht, ist schwer vorstellbar.

Berliner Landeswahlleiter im Interview

"Wir schauen genau, dass jetzt keine weiteren Fehler mehr auftauchen"

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Zufriedenheitswerte bei allen ausbaufähig

Insgesamt sind die Koalitionsoptionen überschaubar: Zweierbündnisse und auch eine grün-rot-gelbe Ampel-Koalition hätten rechnerisch zurzeit keine Mehrheit. Diese Zahlen müssen allen zu denken geben

Der BerlinTrend liefert auch Erkenntnisse, die allen Parteien Kopfschmerzen bereiten sollten. Denn es herrscht durch die Bank große Unzufriedenheit mit dem politischen Personal. Keine einzige Spitzenkandidatin und kein einziger Spitzenkandidat bekommen mehrheitlich Zufriedenheit attestiert. Egal ob Wegner, Jarasch, Giffey, Lederer, Brinker oder Czaja - die Wählerinnen und Wähler haben mehr Negatives als Positives über ihre Arbeit zu sagen.

Beitrag von Sabine Müller

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