Analyse | BerlinTrend - Kai Wegner - ein König ohne Land?

Do 19.01.23 | 10:35 Uhr | Von Sabine Müller
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Kai Wegner (CDU), Spitzenkandidat für die Abgeordnetenhauswahl, steht im Konrad-Adenauer-Haus und präsentiert die Plakatkampagne zur Wahl: "Berlin feiern. Senat feuern." (Quelle: dpa/J. Carstensen)
Video: rbb24 Abendschau | 19.01.2023 | D. Knieling, B. Hermel | Bild: dpa/J. Carstensen

Vor allem die Silvesternacht in Berlin hatte einen deutlichen Einfluss auf die aktuellen Umfragewerte der Berliner Parteien. Profitieren konnte vor allem die CDU. Gleichwohl düfte der BerlinTrend allen Beteiligten zu Denken geben. Von Sabine Müller

Auf dieses Glücksgefühl beim Betrachten eines BerlinTrends, der Wahl- Umfrage von rbb24 Abendschau und "Berliner Morgenpost", hat die CDU lange warten müssen. Es ist schon fast drei Jahre her, dass sie hier vorne lag: Zuletzt war dies im April 2020 der Fall.

Damals wie heute kamen die Christdemokraten auf 23 Prozent und lagen damit damals wie heute vor den Grünen (21 Prozent). Ebenfalls im Aufwind ist die CDU auch bei der separat gestellten Frage, wer den künftigen Senat anführen sollte. Nach einem satten Zuwachs verdrängen die Christdemokraten hier die SPD, die regelrecht abstürzt, von Platz eins. Zweimal Spitzenposition - das gibt den Christdemokraten wichtigen Schwung für den Wahlkampf-Endspurt.

Woher rührt die Stärke der CDU?

An der Person des Spitzenkandidaten Kai Wegner kann es eigentlich nicht liegen, dass die CDU sich jetzt nach vorne geschoben hat. Denn im BerlinTrend steht der 50-Jährige bei allen persönlichen Werten mager da. Nur etwas mehr als die Hälfte der Befragten kennt Wegner so gut, dass sie sich überhaupt ein Urteil über ihn zutrauen. Von denen, die es tun, ist die Mehrheit nicht zufrieden mit seiner Arbeit. Jeder Dritte sagt, dass er Kai Wegner gar nicht kenne. Bitter: Selbst bei den CDU-Anhängern sagt das jeder Vierte.

Auch bei der Direktwahlfrage kann Wegner nicht punkten. Wenn die Wählerinnen und Wähler direkt über die Besetzung des Chefsessels im Roten Rathaus abstimmen könnten, würden sich nur 20 Prozent für ihn entscheiden. Amtsinhaberin Franziska Giffey (SPD) kommt auf 34 Prozent. Zieht also der Bundestrend Wegners CDU nach oben? In den Meinungsumfragen auf Bundesebene liegt die oppositionelle Union deutlich vor den Regierungsparteien SPD und Grünen. Allerdings tat sie dies auch schon beim letzten BerlinTrend im vergangenen November und damals konnten die Berliner Christdemokraten nicht profitieren.

Silvesternacht hat auch AfD Punkte gebracht

Die wahrscheinlichste Erklärung ist daher, dass das Thema Nummer Eins der heißen Wahlkampfphase auf die CDU einzahlt: Die Debatte über die Ausschreitungen in der Silvesternacht. Kai Wegner und Co. fahren hier eine harte Linie, wollen "Wahrheiten" aussprechen und dafür unter anderem die Vornamen der Tatverdächtigen mit deutschem Pass wissen. Vor allem von Grünen und Linken brachte ihnen das den Vorwurf des Rassismus ein.

Für diesen Erklärungsansatz spricht, dass auch AfD und FDP im BerlinTrend leicht zulegen konnten. Die AfD spielte nach der Silvesterdebatte die Migrations-Karte, die FDP kritisierte eine innenpolitische "Laissez-Faire-Haltung" der rot-grün-roten Regierung. Koalitionsparteien verlieren oder stagnieren

Hat Franziska Giffey das Nachsehen?

Besonders die SPD und ihre Spitzenkandidatin Franziska Giffey werden an dieser Umfrage zu schlucken haben. Die Partei bleibt im BerlinTrend wie festbetoniert auf Platz drei und liegt nach leichten Verlusten (-1 auf 18) jetzt schon fünf Prozentpunkte hinter der führenden CDU. Die Grünen halten zwar noch den Anschluss an die CDU, aber 21 Prozent (-1) bei der Sonntagsfrage – das passt nicht zum Anspruch von Spitzenkandidatin Bettina Jarasch, die auf den Chefinnensessel im Roten Rathaus will. Zumal die Grünen in Vorwahl-Umfragen meist besser abschneiden als am Wahltag.

Persönlicher Hoffnungsschimmer für Jarasch: Ihre Bekanntheitswerte haben sich seit der letzten Wahl fast verdoppelt. Die Silvesterdebatte könnte auch hier als Erklärung für den leichten Abwärtstrend von SPD und Grünen dienen, allerdings stellt sich dann die Frage, warum sich die Linke davon entkoppeln kann und stabil bei 11 Prozent bleibt.

Als Koalition insgesamt können sich SPD, Grüne und Linke daran aufrichten, dass sie trotz der leichten Verluste gemeinsam weiterhin eine Regierungsmehrheit hätten. Nach jetzigem Umfragestand würde die Koalition dann allerdings nicht mehr von der SPD angeführt, sondern von den Grünen. Grüne und Linke betonen, dass sie die aktuelle Koalition fortsetzen wollen, die SPD hält sich eher bedeckt.

CDU: Siegerin und Verliererin zugleich?

Die Tatsache, dass die aktuelle Koalition weiterhin eine Mehrheit hat, stellt für CDU-Spitzenkandidat Kai Wegner eine große Gefahr dar. Denn wenn sich die aktuellen Umfragen am Wahlabend bewahrheiten, ist es gut möglich, dass die CDU als Sieger durchs Ziel geht und letztlich trotzdem als Verliererin dasteht.

Natürlich hätte ein Wahlsieger Wegner als Erster ein Recht darauf, Sondierungsgespräche zu führen. Rechnerisch möglich wäre laut aktuellem BerlinTrend zum Beispiel eine "Jamaika"-Koalition aus CDU, Grünen und FDP. Darauf, dass die FDP aktuell wenig Lust auf die Grünen zeigt, sollte man nicht allzu viel geben. Denn Spitzenkandidat Sebastian Czaja schließt ja nur aus, dass seine Partei die Grüne Bettina Jarasch zur Regierenden Bürgermeisterin wählt.

Grüne gehen auf Distanz zur CDU

Kritischer ist die öffentlich geäußerte Skepsis der Grünen gegenüber der CDU. Zwar schließt Bettina Jarasch eine Zusammenarbeit nicht kategorisch aus. Allerdings haben die Grünen unter anderem in der Verkehrs- und Klimapolitik schon genug Dissens-Punkte mit der CDU und nach der Silvesternacht scheint noch unwahrscheinlicher, dass sie einen gemeinsamen Nenner finden.

Die grüne Spitzenkandidatin Bettina Jarasch sagte dem rbb mit Blick auf die CDU gerade erst: "Wer eine Debatte über Jugendgewalt und erwartbare Ausschreitungen an Silvester zu einer Debatte über Vornamen macht, wie es Kai Wegner am Ende getan hat, der hat diese Stadt nicht verstanden."

Rechnerisch möglich ist laut der aktuellen Umfrage auch eine sogenannte "Deutschland"-Koalition aus CDU, SPD und FDP. Franziska Giffey wurden im letzten Wahlkampf Sympathien für diese Kombination nachgesagt – allerdings dachte sie dabei natürlich an eine SPD-Führungsrolle. Schon vor anderthalb Jahren kam dann aber immer der Hinweis, die SPD-Basis würde eine solche Farbkombination wohl kaum mittragen. Und dass Franziska Giffey persönlich sich irgendwo als Nummer zwei einreiht, ist schwer vorstellbar.

Zufriedenheitswerte bei allen ausbaufähig

Insgesamt sind die Koalitionsoptionen überschaubar: Zweierbündnisse und auch eine grün-rot-gelbe Ampel-Koalition hätten rechnerisch zurzeit keine Mehrheit. Diese Zahlen müssen allen zu denken geben

Der BerlinTrend liefert auch Erkenntnisse, die allen Parteien Kopfschmerzen bereiten sollten. Denn es herrscht durch die Bank große Unzufriedenheit mit dem politischen Personal. Keine einzige Spitzenkandidatin und kein einziger Spitzenkandidat bekommen mehrheitlich Zufriedenheit attestiert. Egal ob Wegner, Jarasch, Giffey, Lederer, Brinker oder Czaja - die Wählerinnen und Wähler haben mehr Negatives als Positives über ihre Arbeit zu sagen.

Umfragewerte Abgeordnetenhauswahl 2023

Beitrag von Sabine Müller

106 Kommentare

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  1. 106.

    OK - ZUM ZEHNTEN MAL.
    An wen der Beitrag und weshalb noch geht steht im Ort

    "Nur so mal aus reiner Neugierde, wo wird die cDU diffamiert?"
    Häh? Wollen Sie mich verarschen?
    1. Schon die Tatsache wie sie CDU schreiben ist Diffamierung. Haben sie sich jetzt nicht getraut auch noch unsere ehemalige Kanzlerin auf die ich verwies, zu spucken.
    2. Heben Sie sich Ihre Abneigung gegen etablierte Psrteien für den nächsten 1. Mai auf.
    3. Die Überschrift ist meines Erachtens auch fragwürdig. Wieso ist Wegner ein König ohne Land? Wollen wir die negative Wahlwerbung nicht einstellen und warten was der Bürger sagt? Das wäre Verzicht auf WHlmsnipulation.

  2. 105.

    Das müssen Sie nicht mich fragen, sondern die CDU, die dieses Thema immer wieder hervorkramt. Ich vermute mal, das fängt bei der CDU schon mit den Vornamen der Menschen an ...

  3. 104.

    Der Begriff "Migrationhintergrund" ist sehr ungenau und schwammig. Wo genau endet bei Ihnen diese Gruppe, wen würden Sie noch als Person mit Migrationshintergrund bezeichnen und wen nicht mehr?

  4. 103.

    Es ist Wahlkampf in Berlin. Die CDU wollte Informationen zur Nationalität der Beteiligten haben und diese Information wurde ihr verweigert. Dann hat man sich eine möglichst provokante Frage ausgedacht (Wahlkampf!), um auf anderem Weg an eine Aussage zu kommen. Hat doch prima funktioniert, man ist Dauerthema in den Medien und bekommt so kostenlose Wahlkampfhilfe. Vergessen Sie bitte nicht den Hintergrund einer heißen Wahlkampfphase bei allem, was Politiker in Berlin so gerade tun.

  5. 102.

    Hat die cDU eigentlich auch nach den Vornamen derjenigen gefragt die bei den Maskendeals beteiligt waren?

    https://www.ardmediathek.de/video/extra-3/gescheiterte-integration-von-maennern/ndr/Y3JpZDovL25kci5kZS8xM2VhYTAyOC03NDA5LTQxOGYtYjIyNS02Zjg1MDFjYzViNzE

  6. 101.

    "Machen sie sich nicht lächerlich! Warum nicht gleich Dr.Motte oder Die Ärzte?"

    Darüber könnte man doch mal nachdenken. :-D

    Im Ernst: Was hat das mit Spandau zu tun? Spandau BEI Berlin? Viel bedenklicher ist doch, dass Wegner das politische Ziehkind Lummers ist, wie man deutlich an seinen letzten Äußerungen feststellen konnte.

  7. 100.

    Es ist schon ziemlich menschenverachtend, Leute nach Äußerlichkeiten wie dem Vornamen zu verdächtigen. Was kommt als nächstes? Haarfarbe? Genetische Abstammung? Vorzeigen des Stammbaums? Das hatten wir alles schon mal, vor etwas über 100 Jahren. Die Würde des Menschen ist unantastbar. Egal, wie er heißt oder aussieht. Das sollten sich besonders "christliche" Politiker hinter die Ohren schreiben.

  8. 99.

    Tja, Herr Wegner stellt sich selber ins Abseits, wenn er vermeintliche "Ausländer" nach ihren Vornamen bewerten will. Damit kriminalisiert er pauschal Millionen Deutsche mit Migrationshintergrund.

  9. 98.

    Nur so mal aus reiner Neugierde, wo wird die cDU diffamiert? Und selbst wenn es so wäre, dann müßte man im Schreien Dauermodus sein, so wie hier jeden Tag (!) gegen Grüne und Linke gehetzt wird.

  10. 97.

    "Denn es ist nach Urteil zweifelsfrei festgestellt, dass ein gebürtig Deutscher, dessen Familie auch schon in Deutschland geboren worden war," Das sagt jetzt überhaupt nichts über die Nationalität oder die Staatsbürgeschaft aus. Das Argument paßt also nicht als Antwort in der Diskussion im Kommentar.

  11. 96.

    Vergebene Liebesmühe. Sie versteht sie nicht. Nicht weil sie es nicht könnte, sondern weil sie es nicht will.
    Wer dermassen ideologisch verblendet ist, dass er den Bezug zur Realität verloren hat, stellt meiner Meinung nach eine öffentliche Gefahr dar.

  12. 95.

    Ohne die Vornamen- u. Paschaartikulierung würden wir gar nicht über dieses Problem reden. Manchmal braucht es diese Dinge, damit man sich stellt und bewusst (?) falsch zu interpretierende Statistiken geraderückt. Das dies nötig ist wollen Sie doch nicht beschtreiten? Aufgabe der Opposition ist ja gerade das...

    P.S. Was passiert wenn man ideologisch Probleme nicht sehen will? Bsp: Deutsche Diebe haben... oder alternativ: Diebe haben....; oder „Dieb:innen“ haben....
    Versteht man das? Heute ist es schon so, wenn „deutsche“ davor gesetzt wird, denkt man an wem wohl? Und das ist es, wenn es schief läuft. Schon bei Formulierungen.

  13. 94.

    Herr Neumann,
    da Sie das offenbar für so selbstverständlich halten, möchte ich hier besprochen haben was bei Ihnen schief gelaufen ist und schief läuft. Welches Versäumnis in Ihrer Familie und Ihrem sozialen Umfeld festzustellen ist. Und was Sie für Massnahmen gegen Ihresgleichen vorschlagen.
    Denn es ist nach Urteil zweifelsfrei festgestellt, dass ein gebürtig Deutscher, dessen Familie auch schon in Deutschland geboren worden war, zwei Polizisten einfach nur deshalb erschoss, weil die ihn beim wildern gestellt hatten.
    Auch stellt sich die Frage was man mit Ihnen machen muss Herr Neumann, wie man Sie anschauen muss, wenn man weiss wie viele gescheiterte Familienväter Ihre ganze Familie auslöschen. Weil die Frau ihn verliess, oder er mit zu Schulden arbeitslos geworden war. Können Sie mir da beweisen, dass Sie kein Problemfall sind? Gerade mit solchem
    Vornamen.

  14. 93.

    Aber nicht in dem Fall. Wenn ein Vertreter einer demokratischen Partei, die 16 Jahre die Kanzlerin Deutschlands stellte, hier diffamiert wird, schon durch den Beitrag, MUSS MAN SCHREIEN!

  15. 92.

    Genau das ist der Punkt: CDU = Stillstand. Und es gab hin und wieder Skandale.

  16. 91.

    Was hier viele zu vergessen scheinen: Herr Kai Wegner kommt aus Spandau. Ein Spandauer als Berliner Bürgermeister? Machen sie sich nicht lächerlich! Warum nicht gleich Dr.Motte oder Die Ärzte?

  17. 90.

    Das wäre super wenn diese steuerverschwendende RGR-KOALITION verhindert werden könnte

  18. 88.

    "Eigentlich hat nur EINE ein Herz für unsere Stadt, ALLEINE zu regieren wäre toll! Wir sollten uns die Chance geben und ihr alle unsere Stimmen!"

    Eine die mal nach rechts, dann wieder nach links blinkt aber eigentlich den Kurs der Seeheimer verfolgt? Eine cDU mit einem winzigen sozialdemokratischen, also keinen sozialen, Anstrich?

    Die es fertigbringt aus Machtgeilheit mit dieser cDU unter Wegner zu koalieren? Giffey ist das politische Ziehkind Buschkowsky und wo der steht da wird sogar Sarrazin neidisch. Der gehört eigentlich in die AfD, siehe seine Entgleisungen nach Silvester.

    Wegner hingegen ist das politische Ziehkind Lummers und wo der stand muß ich hoffentlich nicht erklären. Der wäre heute unter Beobachtung des VS.

  19. 87.

    Vielleicht. Aber wenn die CDU ihr klassisches konservatives Profil stärken würde, würde das den extremen rechten Rand in die Bedeutungslosigkeit drängen. Wenn alle Parteien nur in der Mitte sein wollen, gibt es nie klare Mehrheitsverhältnisse und nur noch Koalitionen mit entsprechenden Kompromissprogrammen, damit sich keiner politisch für die nächste Wahl weh tut - das empfinde ich nicht als erstrebenswerte Zukunft. Bezüglich Profil gilt das analog für die anderen Parteien natürlich genauso.

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