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Quelle: imago images/Nordphoto

Vom Anführer bis zum Unterschätzten

Wer bei Hertha BSC vor dem Saison-Start im Fokus steht

Die neue Bundesliga-Saison steht vor der Tür und die Kaderplanung kommt langsam zum Abschluss. Marc Schwitzky hat das Team von Hertha BSC genauer unter die Lupe genommen und sagt, auf wen es in der kommenden Spielzeit zu achten gilt.

Der Anführer

Hier führt kein Weg an Kevin-Prince Boateng vorbei. Der Routinier kam vor einem Jahr nach Berlin zurück und war auf Anhieb der tonangebende Spieler in Herthas sonst so stiller Mannschaft. Aufgrund seiner Erfahrung und den großen Erfolgen, die Boateng in seiner bewegten Karriere erlebt hat, hat sein Wort absolutes Gewicht. Alle Mitspieler respektieren ihn, viele junge schauen zu ihm auf.

In den Relegationsspielen – einer Zerreißprobe für den gesamten Verein – ging Boateng mit seinen 35 Jahren mit breiter Brust voran, ohne ihn wäre Hertha wohl abgestiegen. Auch in der kommenden Saison wird er eine zentrale Säule der Mannschaft sein – jüngst wurde er zum Vize von Kapitän Marvin Plattenhardt gewählt.

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Der Newcomer

"Wenn er dranbleibt und hart arbeitet, kann er in den nächsten ein, zwei Jahren bei uns eine Überraschung werden", sagte Geschäftsführer Fredi Bobic vor ein paar Tagen über Derry Scherhant. Wenn seine Entwicklung jedoch weiter so rasant erfolgt wie in den vergangenen Wochen und Monaten, wird der 19-Jährige schon in der bevorstehenden Saison ein Faktor bei Herthas Profis werden. Der Stürmer gehört zu einer aussterbenden Art, denn er hat nie ein Nachwuchsleistungszentrum besucht. Über Viktoria Berlin, TeBe und den Berliner SC stieß Scherhant 2020 zu Hertha, in der vergangenen Saison gelang ihm mit 16 Toren und acht Vorlagen für Herthas U23 der Durchbruch.

Als Belohnung gab es den ersten Profi-Vertrag, Trainer Sandro Schwarz ließ Scherhant sogar die gesamte Vorbereitung mit der A-Mannschaft absolvieren. Der Angreifer zahlt das Vertrauen voll zurück. Im Training und in den Testspielen gibt Scherhant Vollgas, seine aktive Spielweise passt perfekt zum Fußball, den Schwarz sehen will. Auch dass er sowohl im Sturmzentrum als auch auf den Außen einsetzbar ist, imponiert Herthas Coach. Zumal dies Positionen sind, auf denen Hertha nicht gerade überragend besetzt ist. Schnelligkeit, Agilität, fußballerische Intelligenz, clever im direkten Zweikampf, unbedingter Einsatz – mit dem Gesamtpaket könnte Scherhant schnell von sich reden machen.

Der Kreative

Unter solch einer Kategorie wird sich meist ein Spielmacher vorgestellt – nur wird es diese klassische Rolle im System von Sandro Schwarz wohl nicht geben. Ideen mit dem Ball wird Neuzugang Chidera Ejuke wohl eher in Form von Dribblings liefern. Der Nigerianer ist für ein Jahr aus Moskau ausgeliehen worden – die Fifa-Regelung, dass ausländische Spieler ihre Verträge in Russland für ein Jahr ruhen lassen dürfen, hat diesen Deal erst für Hertha möglich gemacht. Normalerweise wäre der 24-jährige Flügelspieler für die Berliner nicht zu holen gewesen, er rangiert ein Regal höher als die sonst zu stemmenden Transfers.

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Mit seiner Schnelligkeit, seinem Spielwitz und den unwiderstehlichen Dribblings bringt Ejuke viele Eigenschaften mit, die Hertha in der vergangenen Saison sehr schmerzlich vermisst hatte. Mit seiner Spielweise wird der Offensivspieler für viele Überraschungsmomente sorgen, sodass die Berliner endlich wieder weniger berechenbar agieren werden. Ejukes Geistesblitze und Einzelaktionen könnten einen wichtigen Beitrag für Herthas Saison leisten.

Der Konstante

Schon in der vergangenen Saison gehörte Suat Serdar lange Zeit zu den wenigen Lichtblicken bei den Hauptstädtern. Der vierfache Nationalspieler wurde für acht Millionen Euro vom FC Schalke verpflichtet und belegte auf Anhieb, eine große Varianz an Fähigkeiten zu besitzen, die Herthas Mittelfeld so eklatant fehlten: Zweikampfstärke – offensiv wie defensiv -, Ballsicherheit, schnelles Umschalten, Läufe in die Tiefe und Torgefahr. Das Hertha-Umfeld war von dem 25-Jährigen schnell begeistert. Doch auch Serdar wurde irgendwann vom Negativ-Strudel der Berliner Saison erwischt, besonders als er fast ausschließlich auf ihm eigentlich fremden Positionen eingesetzt wurde.

Doch nun ist mit Sandro Schwarz Serdars größte Förderer zurück, unter dem der zentrale Mittelfeldspieler wohl zu Schlüsselfigur werden dürfte. Schwarz schätzt seinen Schützling aus gemeinsamen Mainzer Zeiten sehr - Serdars aggressive und aktive Spielweise ist exakt das, was der Trainer von seinen Spielern fordert. In dem pressing-intensiven Spiel unter Schwarz könnte Serdar in seiner angestammten Rolle als Box-to-Box-Spieler regelrecht aufblühen – und somit auch die dringend benötigte Konstanz finden.

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Der Unterschätzte

Die enttäuschende Rückrunde hat das Hertha-Umfeld womöglich vergessen lassen, zu was Jurgen Ekkelenkamp imstande ist. Ekkelenkamps intelligentes Raumgefühl und Kombinationsspiel kombiniert mit starken Tiefenläufen und einer auffälligen Torgefahr könnten im Fußball von Schwarz bestens zur Geltung kommen - und das aufgeblitzte Talent in Konstanz gießen. Momentan scheinen ihn wenige auf dem Zettel zu haben, was auch am ungünstig verlaufenen Trainingslager liegen wird – er stieg spät ein und verpasste körperlich bedingt einige Inhalte. Mit den ersten Erfolgserlebnissen könnte aber auch das Selbstvertrauen zurückkehren, dann kann Ekkelenkamp ein wichtiger Faktor werden.

Der Überschätzte

Schon lange ist traurige Gewissheit, dass sich Hertha mit der Ablöse in Höhe von 24 Millionen Euro für Krzysztof Piatek maßlos übernommen hat. Die Hoffnungen, die in ihn gesetzt wurden, konnte der polnische Mittelstürmer seit seiner Ankunft im Januar 2020 nahezu nie erfüllen. Zwölf Tore in 57 Spielen – eine schwache Quote.

Das Missverständnis mündete in der vergangenen Rückrunde in einer Leihe zur AC Florenz. Doch es gibt sie noch: die, die fest daran glauben, dass in Piatek nach wie vor das Potenzial eines Top-Stürmers schlummert. Es bräuchte nur das richtige System für den 27-Jährigen, dann würde er auch knipsen.

Nur: Solch ein System kann sich auf der Welt kaum ein Verein leisten. Piatek ist ein reiner Strafraum-Stürmer, der seine Stärken im Abschluss hat. Seine Defizite sind dafür umso zahlreicher: Er ist nicht überaus schnell, Bälle kann er kaum festmachen, sein Anlaufverhalten ist nicht tauglich für Pressing-Fußball, bei Flanken kann er sich gegen großgewachsene Innenverteidiger nicht durchsetzen, spielerisch gibt er seiner Mannschaft wenig.

Piatek scheint ein aus der Zeit gefallener Stürmertyp zu sein, der die im modernen Fußball benötigten Qualitäten nicht mitbringt. Da zuletzt, ob bei Hertha oder Florenz, nicht einmal mehr die Torquote stimmte, muss Piateks Qualität womöglich noch einmal neu eingeschätzt werden.

Sendung: rbb24, 28.07.2022, 18 Uhr

Beitrag von Marc Schwitzky

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