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Audio: rbb24 Inforadio | 13.05.2023 | Lars Becker | Quelle: imago images/Contrast

Analyse zum Sieg gegen Freiburg

Union unvergesslich

Nach einem Sieg in Christopher Trimmels 300. Spiel steht der 1. FC Union kurz vor dem Sprung in die Champions League. Am Samstag bewiesen die Unioner einmal mehr ihre Qualitäten – auch in der Offensive. Von Till Oppermann

Am 3. August 2014 schien in Karlsruhe die Sonne. Union Berlin reiste am ersten Spieltag der neuen Zweitligasaison zum Auswärtsspiel zum KSC. Schon kurz vor dem Halbzeitpfiff gab es im unüberdachten Gästeblock kein Wasser mehr. Das schwache Spiel ging am Ende 0:0 aus und gäbe es Christopher Trimmel nicht, dann würde sich wohl niemand mehr an diesen Sommersonntag erinnern.

4:2-Sieg gegen Freiburg

1. FC Union verteidigt Champions-League-Platz

Der 1. FC Union ist weiter auf Champions-League-Kurs. Dank starker erster Halbzeit und eines gut aufgelegten Sheraldo Beckers gewannen die Berliner gegen den direkten Verfolger SC Freiburg und haben nun eine gute Ausgangslage für den Saisonendspurt.

Aber der heutige Mannschaftskapitän absolvierte damals sein erstes von mittlerweile 300 Spielen für den 1. FC Union. Deshalb ist dieses Remis in Karlsruhe in gewisser Weise ein historischer Tag in der eisernen Vereinsgeschichte. Dieser 3. August vor neun Jahren war der Ausgangspunkt von Trimmels Reise mit Union, die sich nach dem 4:2-Heimsieg gegen Freiburg am Samstag sicher in der Europa League und sehr wahrscheinlich in der Champions League fortsetzt.

Kein Spieler im Kader steht so sehr wie Trimmel für diese Reise aus dem Karlsruher Wildpark auf die größte Bühne des Vereinsfußballs. Die Fans auf der Waldseite brachten es auf den Punkt: "300 Spiele und noch lange kein Ende – Aus Liga Zwei nach Europa, als Kapitän und Legende."

Union macht das Erwartbare unverhinderbar

Seit der Verpflichtung des kroatischen Nationalspielers Josip Juranovic im Winter rückte der 36-jährige Trimmel immer häufiger in die zweite Reihe, musste viele Spiele auf der Bank verbringen. Aber gegen den direkten Konkurrenten aus Freiburg vertraute Urs Fischer dem Österreicher von Beginn an. Er wurde nicht enttäuscht. Trimmel verteidigte auf seiner rechten Seite gewohnt solide und sah schon in der vierten Spielminute dabei zu, wie seine Mannschaft eine ihrer größten Stärken ausspielte.

Stürmer Kevin Behrens verlängerte einen sowieso schon langen Pass auf seinen Sturmpartner Sheraldo Becker. Der nahm den Ball an und spielte ihn zurück zu seinem Mitspieler. Behrens blieb dann im Strafraum eiskalt und nutzte nach einem Freiburger Ausrutscher seine gute Schussposition zur Führung. Ein typischer Union-Angriff, gab SCF-Topscorer Vincenzo Grifo zu: "Wir wussten genau, was auf uns zukommt, lange Bälle auf Behrens, Becker geht in die Tiefe." Genau das ist Qualität, genau das ist der 1. FC Union Berlin, sie machen das Erwartbare unverhinderbar.

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Müdigkeit führt zu kurzen Schreckminuten

Aber neben all den Qualitäten, die die Mannschaft in diesem Jahr auszeichnen, ist der 1. FC Union am Ende dieser langen Saison mit nun 46 Pflichtspielen auch erschöpft. "Ich bin ziemlich am Ende heute", schnaufte Robin Knoche stellvertretend für die ganze Mannschaft. Diese Müdigkeit sorgte in der einzigen schwächeren Phase der Partie gegen Freiburg für zwei Gegentore und angespannte Gesichter auf den Tribünen.

Zwar rannten die Eisernen mal wieder mehr als ihr Gegner, die laufstärkste Mannschaft der Liga brachte 119 Kilometer auf den Platz, doch zwei Freiburger Tore nach ruhenden Bällen brachten die Breisgauer nach einem 0:3 Pausenrückstand noch einmal ins Spiel. Erst ein Konter in 79. Minute sicherte den Sieg, wie Trainer Urs Fischer analysierte. Zur richtigen Zeit habe man das 4:2 erzielt, befand der Schweizer. "Über 90 Minuten ist der Sieg schon verdient."

Sheraldo Becker dominiert das Spiel

Besonders ein Spieler ragte am Samstag aus der insgesamt blendend aufgelegten Mannschaft heraus. Sheraldo Becker bereitete nicht nur das 1:0 und das letztlich entscheidende 4:2 vor, sondern traf vor der Pause innerhalb von zwei Minuten selbst doppelt. "Jeder im Verein wusste, wie wichtig dieses Spiel ist", sagte Becker, der gegen Freiburg wirkte, als wüsste er es selbst am allerbesten.

Mit 36,57 km/h-Topspeed war Becker der schnellste Spieler auf dem Platz, aber noch beeindruckender als seine Tiefenläufe war die Spielfreude des Angreifers. Als er vor dem zwischenzeitlichen 2:0 erst im Mittelfeld einen Freiburger aussteigen und einen anderen ins Leere grätschen ließ, zeigte er eine Qualität, die den Köpenickern in manchen Spielen in den letzten Wochen abging. Denn Becker kreierte im flachen Zusammenspiel mit Robin Knoche eine Chance, die nicht nur zum Tor führte, sondern auch zeigte, dass in Unions Kader durchaus spielerische Klasse steckt, die das Label "Champions League" rechtfertigt.

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Theoretische Diskussion beendet

Apropos Spielklasse: Ein statistischer Wert sorgte bei vielen Beobachtern im Laufe der Saison immer wieder für Diskussionen. Geht man nach den expectedGoals – die darstellen, wie gute Torchancen sich eine Mannschaft im Laufe der Saison erspielt – sollte Union im Mittelfeld der Tabelle stehen. Auch gegen Freiburg notierte der Anbieter "FootMob" statt 4:2 für Union auf Basis der Torchancen ein 1,34 zu 2,14 für die Gäste. Union würde "überperformen", schlussfolgern manche deshalb und meinen damit, dass der 3. Platz der Köpenicker viel mit Glück zu tun habe.

Dabei verkennen sie eine der größten Stärken der Eisernen: Die Mannschaft spielt so effizient wie kein anderes Team in der Liga. Wenn es gilt, nutzen Urs Fischers Spieler ihre Chancen. Vielleicht laden sie damit auch dazu ein, den Fußball nicht zu verbissen zu betrachten. Geschichten wie die von Christopher Trimmels Weg von Karlsruhe in die Champions League sind sowieso viel schöner als aufwendig berechnete Zahlen. So werden sogar torlose Unentschieden unvergesslich.

Sendung: rbb24, 13.05.2023, 21:45 Uhr

Beitrag von Till Oppermann

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