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Gedenkfeier für getötete Soldaten

"Es ist eine Frage des Anstandes, der Toten zu gedenken - und zwar jeder Seite"

Nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine entzünden sich Debatten um die gemeinsame Erinnerungskultur. So soll es in den Seelower Höhen keine offizielle Gedenkveranstaltung geben. Was nicht bedeuten soll, dass der Toten nicht mehr gedacht wird.

Vor 77 Jahren standen sich an den Seelower Höhen in Märkisch-Oderland knapp eine Million Soldaten der Roten Armee und 120.000 Soldaten der Wehrmacht gegenüber. Die Schlacht an der letzten Hauptverteidigungsstellung vor Berlin kostete zehntausenden Menschen auf beiden Seiten das Leben. Daran erinnert bis heute die Gedenkstätte in Seelow.

Die Schlacht dauerte vom 16. bis 19. April 1945. Jedes Jahr am 16. April wird der Toten und ihrem Leid gedacht werden - im Rahmen einer offiziellen Veranstaltung. In diesem Jahr soll es so eine Feier jedoch nicht geben.

Keine Einladung wegen Krieg in Ukraine

Der Landkreis will nun wegen des Angriffs Russlands auf die Ukraine auf eine Trauerfeier verzichten - aber auch keine "Trauer-Vorgaben" machen, wie der stellvertretende Landrat Friedemann Hanke sagte. Deshalb gebe es auch keine offiziellen Einladungen - auch nicht an russischer Vertreter. Das sei aber auch nicht nötig. "Die russische Botschaft ist eigenständig genug", so Hanke. "Es ist ihre Kriegsgräberstätte, und für gewöhnlich ist es so, dass der russische Botschafter auch zum 16. April hier ist. Das ist auch völlig legitim und nachvollziehbar. Es sind ihre Toten und ihre Kriegsgräberstätte, und da ist das selbstverständlich."

Russlands Präsident Wladimir Putin hatte Landrat Gernot Schmidt (SPD) noch im Februar zu einer damals noch geplanten Gedenkfreier eingeladen. Kurz nach dem russischen Angriff kam dann die Kehrtwende: "Die Entwicklungen machen es unmöglich, eine Gedenkveranstaltung ohne die Belastungen der aktuellen Ereignisse durchzuführen", sagte Schmidt im Februar, betonte aber: "Trotz dieser Entscheidung werdem wir nicht nachlassen in unserem Streben nach Verständigung und Frieden zwischen den Völkern."

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Nationalität bei Gedenken nicht ausschlaggebend

Allgemein solle bei der Erinnerung an Gefallene nicht nach der Herkunft unterschieden werden, erklärt Friedemann Hanke. Das sei auch an der Gedenkstätte Seelower Höhen der Fall. "Vor dem Tod sind alle gleich. Es ist eine Frage des menschlichen Anstandes, der Toten zu gedenken - und zwar für jede Seite."

Ähnlich sieht es auch Oliver Breithaupt vom Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge. Er ist unter anderem zuständig für Ein- oder Umbettungen von Opfern des Zweiten Weltkrieges. "Eine Trennung von Nationalitäten, gar nach heutigen Umständen, findet bei uns nicht statt. Gleiches gilt auch, wenn wir Tote bergen, dass wir nicht wissen, ob es sich um einen Täter oder Opfer handelt. Unsere Aufgabe ist es, den Menschen gemäß seiner Würde eine letzte Ruhestätte zu geben." Deshalb dürfe auch jeder, der um seine Toten trauern möchte, auch ohne offizielle Einladung zu den Seelower Höhen kommen.

Protest an sowjetischen Denkmälern

Kontroversen entzünden sich derweil an anderen sowjetischen Gedenkstätten. So wurde in Kienitz in der Gemeinde Letschin (Märkisch-Oderland) eine ukrainische Fahne an das Rohr eines alten, sowjetischen Panzers gehängt.

Der T34 ist eigentlich Mahnmal für die Befreiung vom Nationalsozialismus und symbolisiert den Einmarsch der Roten Armee in Deutschland, da dort um Januar 1945 der erste Brückenkopf über die Oder gelegt wurde. Edgar Petrick von den Letschiner Heimatstuben mahnte gegenüber rbb|24 am Mittwoch: "Uns ist wichtig, nicht im Jahr 1945 zu verharren, sondern eine Brücke zu schlagen in die Gegenwart." Er betonte: "Und die müssen wir weiterbauen."

Sowjetischer Panzer mit Fahne der Ukraine in Kienitz | Quelle: rbb

Ebenfalls am Mittwoch wurden zwei Denkmal-Panzer am Sowjetischen Ehrenmal nahe des Brandenburger Tores in Berlin mit je einer großen ukrainischen Fahne verhüllt. Auch am Sowjetisches Ehrenmal im Treptower Park seien zwei große Sterne in blau und gelb aufgesprüht worden.

Die russische Botschaft protestierte gegen "die Schändung" und forderte, die Täter zur Rechenschaft zu ziehen. Die diplomatische Vertretung rief dazu auf, mögliche weitere Übergriffe auf sowjetische Kriegsgräber und Gedenkstätten an anderen Orten zu melden.

Sendung: rbb24 Brandenburg aktuell, 29.03.2022, 19:30 Uhr

Mit Material von Rainer Unruh

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