Gedenkfeier für getötete Soldaten - "Es ist eine Frage des Anstandes, der Toten zu gedenken - und zwar jeder Seite"

Mi 30.03.22 | 17:15 Uhr
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Rissisches Denkmal in der Gedenkstätte Seelower Höhen
Bild: rbb

Nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine entzünden sich Debatten um die gemeinsame Erinnerungskultur. So soll es in den Seelower Höhen keine offizielle Gedenkveranstaltung geben. Was nicht bedeuten soll, dass der Toten nicht mehr gedacht wird.

Vor 77 Jahren standen sich an den Seelower Höhen in Märkisch-Oderland knapp eine Million Soldaten der Roten Armee und 120.000 Soldaten der Wehrmacht gegenüber. Die Schlacht an der letzten Hauptverteidigungsstellung vor Berlin kostete zehntausenden Menschen auf beiden Seiten das Leben. Daran erinnert bis heute die Gedenkstätte in Seelow.

Die Schlacht dauerte vom 16. bis 19. April 1945. Jedes Jahr am 16. April wird der Toten und ihrem Leid gedacht werden - im Rahmen einer offiziellen Veranstaltung. In diesem Jahr soll es so eine Feier jedoch nicht geben.

Keine Einladung wegen Krieg in Ukraine

Der Landkreis will nun wegen des Angriffs Russlands auf die Ukraine auf eine Trauerfeier verzichten - aber auch keine "Trauer-Vorgaben" machen, wie der stellvertretende Landrat Friedemann Hanke sagte. Deshalb gebe es auch keine offiziellen Einladungen - auch nicht an russischer Vertreter. Das sei aber auch nicht nötig. "Die russische Botschaft ist eigenständig genug", so Hanke. "Es ist ihre Kriegsgräberstätte, und für gewöhnlich ist es so, dass der russische Botschafter auch zum 16. April hier ist. Das ist auch völlig legitim und nachvollziehbar. Es sind ihre Toten und ihre Kriegsgräberstätte, und da ist das selbstverständlich."

Russlands Präsident Wladimir Putin hatte Landrat Gernot Schmidt (SPD) noch im Februar zu einer damals noch geplanten Gedenkfreier eingeladen. Kurz nach dem russischen Angriff kam dann die Kehrtwende: "Die Entwicklungen machen es unmöglich, eine Gedenkveranstaltung ohne die Belastungen der aktuellen Ereignisse durchzuführen", sagte Schmidt im Februar, betonte aber: "Trotz dieser Entscheidung werdem wir nicht nachlassen in unserem Streben nach Verständigung und Frieden zwischen den Völkern."

Nationalität bei Gedenken nicht ausschlaggebend

Allgemein solle bei der Erinnerung an Gefallene nicht nach der Herkunft unterschieden werden, erklärt Friedemann Hanke. Das sei auch an der Gedenkstätte Seelower Höhen der Fall. "Vor dem Tod sind alle gleich. Es ist eine Frage des menschlichen Anstandes, der Toten zu gedenken - und zwar für jede Seite."

Ähnlich sieht es auch Oliver Breithaupt vom Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge. Er ist unter anderem zuständig für Ein- oder Umbettungen von Opfern des Zweiten Weltkrieges. "Eine Trennung von Nationalitäten, gar nach heutigen Umständen, findet bei uns nicht statt. Gleiches gilt auch, wenn wir Tote bergen, dass wir nicht wissen, ob es sich um einen Täter oder Opfer handelt. Unsere Aufgabe ist es, den Menschen gemäß seiner Würde eine letzte Ruhestätte zu geben." Deshalb dürfe auch jeder, der um seine Toten trauern möchte, auch ohne offizielle Einladung zu den Seelower Höhen kommen.

Protest an sowjetischen Denkmälern

Kontroversen entzünden sich derweil an anderen sowjetischen Gedenkstätten. So wurde in Kienitz in der Gemeinde Letschin (Märkisch-Oderland) eine ukrainische Fahne an das Rohr eines alten, sowjetischen Panzers gehängt.

Der T34 ist eigentlich Mahnmal für die Befreiung vom Nationalsozialismus und symbolisiert den Einmarsch der Roten Armee in Deutschland, da dort um Januar 1945 der erste Brückenkopf über die Oder gelegt wurde. Edgar Petrick von den Letschiner Heimatstuben mahnte gegenüber rbb|24 am Mittwoch: "Uns ist wichtig, nicht im Jahr 1945 zu verharren, sondern eine Brücke zu schlagen in die Gegenwart." Er betonte: "Und die müssen wir weiterbauen."

Sowjetischer Panzer mit Fahne der Ukraine in KienitzSowjetischer Panzer mit Fahne der Ukraine in Kienitz

Ebenfalls am Mittwoch wurden zwei Denkmal-Panzer am Sowjetischen Ehrenmal nahe des Brandenburger Tores in Berlin mit je einer großen ukrainischen Fahne verhüllt. Auch am Sowjetisches Ehrenmal im Treptower Park seien zwei große Sterne in blau und gelb aufgesprüht worden.

Die russische Botschaft protestierte gegen "die Schändung" und forderte, die Täter zur Rechenschaft zu ziehen. Die diplomatische Vertretung rief dazu auf, mögliche weitere Übergriffe auf sowjetische Kriegsgräber und Gedenkstätten an anderen Orten zu melden.

Sendung: rbb24 Brandenburg aktuell, 29.03.2022, 19:30 Uhr

Mit Material von Rainer Unruh

31 Kommentare

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  1. 31.

    "Das Krim-Volk hat sich, sogar u. a. mit OSZE-Beobachtung, mit ca 90% für RU entschieden."

    Das ist schlicht gelogen, siehe die Mitteilung der OSZE dazu:
    https://www.osce.org/cio/116313
    Die OSZE hat es abgelehnt, das Referendum zu beobachten, da sie es für illegal hielt.
    Ich bitte um Korrektur des Beitrags oder auch Löschung des Benutzers.
    Warum werden solche offensichtlich falschen Beiträge durch die Moderation zugelassen?

  2. 30.

    Oh wow, Birnen und Äpfel. Das Recht von Gebietskörperschaften, über die Zugehörigkeit zu einem Bundesland abstimmen zu können, ist durch das Grundgesetz geregelt. Ein Sezessionsrecht gibt es im Völkerrecht nicht, das wird gerne mit dem Selbstbestimmungsrecht verwechselt. Die Krim ist völkerrechtlich Teil der Ukraine, dass kann Russland nmcht einseitig ändern.
    Das Referendum: Lesen sie mal den Wkipediaartikel dazu und verschonen uns mit Ihrer Propaganda. Oder arbeiten Sie vielleicht in letzter Zeit für Russia Today?

  3. 29.

    "Es ist eine Frage des Anstandes, der Toten zu gedenken - und zwar jeder Seite"

    das ist die Kernaussage und darüber sollte nicht diskutiert werden

  4. 28.

    Genau, und Grade hier kämpfte die 1. Ukrainische Front unter Marschall Konew !

    Hier sollten sie doch noch mal in der Literatur nachlesen. An den Seelower Höhen kämpfte die 1. Belorussische Front unter Marschall Shukow. Die Truppen von Konew standen südlicher und ein Teil schwenkte etwas später auf Berlin ein, um die Stadt einzuschließen. Nun soll man auch nicht annehmen, dass in der 1. Ukrainische Front ausschließlich Ukrainer kämpften. Die sowjetischen Frontbezeichnungen richteten sich nach geografischen Begriffen der UdSSR.

  5. 27.

    @ Martina, nur in einem Punkt ist Ihnen Recht zu geben: es ist falsch, alles russische und eventuell sogar alles kommunistische aus Deutschland zu verbannen. Alles andere sollten Sie noch mal überdenken. Auch, dass Stalin schon alles kommunistische...

  6. 26.

    Bernhard, Fortsetzung Teil 3
    ...Stellen Sie sich vor, als sich die Balten, Ukrainer von RU Anfang der 90'er lösen wollten und Moskau hätte gesagt "Nein, ihr gehört zu RU", wir im Westen hätten aufgeschrien "Volkerrecht, Selbstbestimmungsrecht des Volkes". Nur bei Russen darf sowas nicht sein.
    Gehen wir mal geografisch nicht so weit.
    Sie kennen die Skat-Stadt Altenburg? Gehörte nach der Wende zum Freistaat Thüringen. Hier wurde nach Forderungen ein Volksentscheid ausgerufen. Dieser ergab, dass Altenburg und Umland zu Thüringen wechselte.
    Sicher, ABG verblieb in DE.

  7. 25.

    Genau, und Grade hier kämpfte die 1. Ukrainische Front unter Marschall Konew !

  8. 24.

    Zitat: " . . . Weshalb es ein Rätsel bleibt, weshalb Sie mich auffordern zu glauben, ich hätte den Nachrichtentext nicht gelesen."

    Ich enträtsele mal, da Sie zumindest den letzten Absatz offenbar nicht gelesen haben, Martina. Dort steht u. a.: "Die russische Botschaft protestierte gegen "die Schändung" und forderte, die Täter zur Rechenschaft zu ziehen."

  9. 23.

    Heutige Streitigkeiten auf den Kriegsgräbern von damals auszutragen, ist verfehlt. Jeder sollte bedenken, das der Erhalt solcher Stätten auf Gegenseitigkeit beruht. Deutsche Kriegsgräberstätten in Rußland konnten immerhin nach dem Ende der Sowjetunion angelegt werden.

    Das sowjetische Kriegsgerät auf manchen Erinnerungsplätzen in Deutschland empfinde ich persönlich als deplaziert. Es bedürfte aber diplomatischer Übereinkommen, selbiges abzuräumen.

  10. 22.

    Vor 80 Jahren kämpften Soldaten der Sowjetunion gegen Hitlerdeutschland. Diesen Soldaten rekrutierten sich aus allen Ländern der damaligen UdSSR! Diesen Soldaten ist zurecht zu gedenken, ebenso wie allen Soldaten der Westalliierten, die für die Befreiung vom Hitlerfaschismus gefallen sind, auch wie allen Widerstandskämpfenden. Der aktuell losgetretene putinsche Angriffskrieg ist davon abgekoppelt zu betrachten und zu verurteilenn; ebenso wie die damit einhergehenden schlimmen Geschehen durch die Soldaten aller Nationen, die meinem, durch widerwärtige Exzesse an unschuldigen Zivilisten, irgendwas rächen zu müssen. Selbst Tiere agieren nicht so

  11. 21.

    Vielleicht lesen Sie den Kommentar auf den ich mit meinem Kommentar antworte.
    Dann müssten Sie nicht glauben, annehmen, spekulieren als quasi behaupten ich hätte bloß eine Überschrift gelesen.

    Aber vielleicht haben Sie sich ja auch einfach verklickt. Weshalb es ein Rätsel bleibt, weshalb Sie mich auffordern zu glauben, ich hätte den Nachrichtentext nicht gelesen.

  12. 20.

    " Wer hat das hier behauptet? "

    Steht oben im Text !!

    Die russische Botschaft spricht von Schändung während gleichzeitig russische Panzer auf Frauen und Kinder in der Ukraine schießen .

  13. 19.

    Im Prinzip müssten am Panzerrohr alle Fahnen der ehemaligen Sowjetrepubliken angebracht werden. Die russische Botschaft sieht die Schändung in der Aufhebung des Alleinvertretungsanspruchs Russlands bezüglich der Sowjetunion, die mit dieser ausschnitthaften und gezielten Aktion getätigt wurde.

  14. 18.

    Sowjetmacht gibt es schon seit 1993 nicht mehr in Deutschland. Im Gegensatz zu englischen und amerikanischen Truppen. Von Ramstein wurden bereits Kriegseinsätze geflogen.

  15. 16.

    Sinnvoller als kämpfen und sich töten lassen, finde ich sich dem Krieg entziehen. Daher befürworte ich die Forderung, denjenigen Asyl zu gewähren, die den Kriegsdienst verweigern oder desertieren (von allen Kriegsparteien) und es schaffen hierher zu fliehen. In diesem Sinne gedenke ich auch der Toten, die "vom eigenen Militär" standrechtlich erschossen wurden als "Deserteure".

  16. 15.

    Bernhard Fortsetzung
    Zur Krim: leider wird, weil es der Russe ist, immer von Annektion gesprochen.
    Wussten Sie, dass die Krim eine eigenständige Duma schon seit der Wende hatte?
    Wussten Sie, dass die UA-Verfassung der Krim-Duma bis 2014 Rechte einräumte, ihre Geschicke und Zukunft selbst zu beschließen? Also selbst die Loslösung. Es sickerte durch, dass der Schoko-Oligarch Poroschenko sehr kurzfristig diesen Passus streichen lassen wollte. Hier reagierte die Krim-Duma und stimmte für einen Volksentscheid. Das Krim-Volk hat sich, sogar u. a. mit OSZE-Beobachtung, mit ca 90% für RU entschieden. Im Völkerrecht ist übrigens Volkes Wille genauso hoch angesiedelt, wie die unverletzlichkeit der Grenzen. Mit Gewalt wurde die Krim auch nicht eingenommen, was ein wesentlicher Bestandteil einer Annektion ist...
    Fortsetzung folgt...

  17. 14.

    Wir wissen zwar nicht genau, wohin wir wollen*, aber das mit aller Kraft.

    ;-

    (*Denn darüber gab es ja nie ein offenes Einvernehmen ...)

  18. 12.

    Wenn Bernhard mit „allem Kommunistischem“ Sowjetmacht und Elektrifizierung im ganzen Land meint (Lenin), dann kann ich ihm zumindest im Punkt Sowjetmacht zustimmen.

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