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Audio: rbb24 Inforadio | Mi 21.09.22 | Siebert, W. | Quelle: rbb/Wolf Siebert

Genossenschaft als Überlebenschance

Wie Brandenburger Kleinbauern gegen Agrarkonzerne bestehen können

Die Preise für Ackerböden in Brandenburg sind in den letzten Jahren enorm gestiegen, denn Investoren haben sie als renditeträchtige Anlageform entdeckt. Öko-Bauern haben es angesichts der Preise besonders schwer, doch es gibt Alternativen. Von Wolf Siebert

Zwei Stunden dauert die Fahrt von Berlin aus, die letzten hundert Meter führen über einen Sandweg: In Weggun, im Nordwesten der Uckermark, liegt der Bio-Bauernhof von Frank van der Hulst. Seine Border-Collie-Hündin springt bellend herum, ansonsten ist es ganz still auf dem kleinen Hof, den der 55-jährige Niederländer mit seiner Frau betreibt.

Van der Hulst zeigt den offenen Schafstall, eine Wiese mit jungen Apfelbäumen und lange Reihen von Stachel-, Brom- und Johannisbeersträuchern. Der Landwirt baut Beerenobst an, hält Schafe und Hühner und betreibt auch ein bisschen Ackerbau. "So ist ein Betrieb entstanden, der auch in Krisen stabil ist." Der Bauernhof liefert nach Berlin, in Bio-Läden, auf Märkte und in die Gastronomie.

Der Groß-Investor sitzt nebenan

Direkt neben dem Bio-Bauernhof Weggun ist eine andere Art von Landwirtschaft zu sehen: Mais-Monokulturen für eine Biogas-Anlage auf mehreren Tausend Hektar. Der Investor sitzt weit im Westen der Republik.

Es ist eine übermächtige Nachbarschaft für van der Hulst und seine Frau, die gerade einmal 38 Hektar bewirtschaften. Nur 13 Prozent der landwirtschaftlichen Flächen in Brandenburg werden von Öko-Bauern bewirtschaftet. Wenn ein so kleiner Hof Land dazukaufen möchte, dann scheitere er oft an der Höchstpreispolitik der BVVG, der Bodenverwertungs- und Verwaltungsgesellschaft, beklagt der Landwirt. Die BVVG verkauft im Auftrag des Bundes Ackerflächen in Ostdeutschland: "Da wird immer nur an den höchsten Bieter verkauft", sagt van der Hulst. Wenn der mehr bezahlen könne, weil die Vergütung für Biogas und Elektrizität so hoch war, dann stehe man immer vor verschlossenen Türen.

Quelle: rbb/Wolf Siebert

Ackerboden als Investitionsobjekt

Als die Zinsen niedrig waren, suchten sich große Investoren bundesweit neue Geschäftsfelder, die Rendite versprachen. Biogasanlagen und Solarparks wurden vom Staat sehr gut gefördert. In Brandenburg gehört nach Angaben des Landwirtschaftsministeriums inzwischen schon gut die Hälfte der landwirtschaftlichen Flächen Nicht-Landwirten [mluk.brandenburg.de/PDF]. Darunter sind Bankiers, Immobilienunternehmen, auch Familienstiftungen großer Konzerne.

Das Interesse an Ackerflächen trieb auch die Preise in die Höhe: Von 2007 bis 2019 sind die Kaufpreise in Brandenburg um fast das Vierfache gestiegen, die Pachtpreise im gleichen Zeitraum um etwa das Zweifache. Gerade für kleine bäuerliche Betriebe kann das zu existentiellen Problemen führen.

Genossenschaftsmodell als Lösung für kleinere Betriebe

Als einmal die Obsternte ausfiel, geriet der kleine Bauernhof in der Krise. Van der Hulsts mussten ein Stück Land verkaufen und stießen auf die Bioboden-Genossenschaft: Die kauft bundesweit Agrarflächen, um sie dauerhaft für den Ökolandbau zu sichern und damit der Spekulation mit Agrarflächen zu entziehen. Rund 5.000 Geldgeber haben Anteile der Bioboden-Genossenschaft gezeichnet, weil sie diese Idee unterstützen wollen.

Auch dem Ehepaar van der Hulst gefiel das Modell. Sie verkauften ein Stück Land an die Genossenschaft und pachteten es von ihr zurück. Der Vorteil: Anders als auf dem freien Markt ist die Pacht bezahlbar kalkuliert, und die Verträge laufen über 30 Jahre: "Als Bio-Bauern planen wir ja nicht nur für ein paar Jahre, wir denken auch an soziale und ökologische Stabilität. Und da geht es dann um generationsübergreifende Zeiträume. Und dazu brauchen wir stabile Pachtverhältnisse."

Van der Hulst fing auf seinem Hof 2009 buchstäblich bei Null an. Denn aktive Landwirtschaft wurde hier kaum noch betrieben. Als erstes teilten sie die großen Flächen in kleine Parzellen auf, legten Naturhecken an. Die schützen den Boden nicht nur vor Erosion. Inzwischen sind sie auch Rückzugsort für Tiere. Die jungen Apfelbäume auf der Hühnerwiese sind für Insekten attraktiv, und den Hühnern spenden sie Schatten. "Bio-Landwirtschaft braucht Zeit", sagt Frank van der Hulst. Mithilfe der Bioboden-Genossenschaft konnte er seinen Hof inzwischen sogar vergrößern.

Geplantes Agrarstrukturgesetz

Landesbauernverband will Investoren nicht vollkommen "verteufeln"

Investoren, die mit Landwirtschaft nichts zu tun haben, legen ihr Kapital verstärkt in riesigen Äckern an. Einfache Landwirte dagegen werden durch steigende Bodenpreise in ihrer Existenz bedroht. Brandenburg will dem einen Riegel vorschieben.

Reichen die politischen Reformen aus?

Auch in der Politik hat man erkannt, dass man bei den Subventionen die falschen Anreize gesetzt, und damit regionale landwirtschaftliche Kleinbetriebe unter Druck gesetzt hat. Die Ampel-Koalition überarbeitet zudem das Gesetz, das die Vergabe landwirtschaftlicher Flächen durch die BVVG regelt. Bis zur Einigung über diese politische Reform verkauft die BVVG keine weiteren landwirtschaftlichen Flächen, Ausnahmen sind nur in begrenztem Umfang möglich. Und die brandenburgische Landesregierung arbeitet an einem Agrarstrukturgesetz. Politisch soll erreicht werden, dass die Kauf- und Pachtpreise von Ackerland auch für kleinere bäuerliche Betriebe erschwinglich werden. Brandenburg zahlt zudem Jung-Landwirten eine Prämie, um den Start des Betriebs zu fördern.

Ob die politischen Reformversuche am Ende dazu führen, dass auch kleine Agrarbetriebe wieder besser wirtschaften können, lässt sich jetzt noch nicht sagen. Frank van der Hulst wünscht sich, dass die Agrarflächen in Brandenburg, die noch verkäuflich sind, in eine Landesstiftung eingebracht werden, ähnlich wie bei der Bioboden-Genossenschaft. So würde sich eine langfristige Perspektive ergeben. Die Familie van der Hulst hat sechs Kinder, der Jüngste ist 13. Sein Vater hofft, dass er eines Tages den Betrieb übernimmt. Das Interesse sei da, sagt Frank van der Hulst.

Reaktion von Landwirtschaftsminister Vogel

In Reaktion auf die rbb-Berichterstattung hat der Brandenburger Agrarminister Axel Vogel (Bündnis 90/Die Grünen) am Mittwoch die BVVG Bodenverwertungs- und -verwaltungs GmbH kritisiert. "Die BVVG ist ein Preistreiber allererster Güte", sagte Vogel im rbb24 Inforadio. Die Gesellschaft verkaufe regelmäßig wesentlich teurer, als der Durchschnitt der landwirtschaftlichen Bodenpreise in Brandenburg sei. Zudem treibe die BVVG auch die Pachtpreise in die Höhe: "Die Neupachten sind beispielsweise um die 50 Prozent höher als im Landesdurchschnitt, die Bestandspreise fast doppelt so hoch", so der Minister.

Deswegen seien die Ostminister und -ministerpräsidenten schon mehrfach beim Bund vorstellig geworden. In der Koalitionsvereinbarung sei festgehalten worden, dass diese Flächen nicht mehr verkauft, sondern nur an ökologisch und nachhaltig wirtschaftende Betriebe verpachtet werden. Der Grünen-Politiker betonte: "Allerdings hat das nicht dazu geführt, dass die Vergabe von Pachten irgendwie im Preis reduziert wurden, sondern da geht die BVVG nach wie vor nach Höchstpreisangeboten vor und hebelt damit ein Stück weit den Koalitionsvertrag aus."

Die BVVG Bodenverwertungs- und -verwaltungs GmbH ist ein staatliches Unternehmen der Bundesrepublik Deutschland mit Sitz in Berlin.

Sendung: rbb|24 Inforadio, 21.09.2022, 8:40 Uhr

Beitrag von Wolf Siebert

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