Berliner Start-up aufgekauft - Wieso der Schufa-Score per "Bonify"-App nicht nur Vorteile hat

Mo 24.07.23 | 14:07 Uhr
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Ein Screenshot der App "Bonify" ist auf dem Bildschirm eines Mobiltelefon vor einem Mietvertrag zu sehen. (Quelle: dpa/Peter Kneffel)
Audio: rbb24 Inforadio | 19.07.2023 | Karsten Zummack | Bild: dpa/Peter Kneffel

Deutschlands größte Auskunftei Schufa will mehr Transparenz zeigen. Teil dieser Strategie ist eine App. Dort soll der Schufa-Score durchgehend kostenlos angezeigt werden. Verbraucherschützer sehen das kritisch.

Jeder kennt sie: die Schufa-Auskunft. An dem Dokument von Deutschlands größter Auskunftei führt bei der Wohnungssuche, Kreditbeantragungen oder Ratenkäufen kaum ein Weg vorbei. Für manche mag es nur eine lästige Formsache sein, andere warten bang auf das Urteil der Auskunftei. Den eigenen Schufa-Score kennt kaum jemand ad hoc.

Das soll sich nun ändern: Mit einer App namens "Bonify", in der Nutzerinnen und Nutzer nach Registrierung permanent und kostenlos ihren sogenannten "Schufa-Basisscore" sehen können. Der ist zwar kein Ersatz für die Schufa-Auskunft (das Urkunden-ähnliche Dokument muss man weiterhin bestellen), die App verrät einem aber immerhin, wie die Auskunft ausfallen wird, und erspart böse Überraschungen. Der Score solle quartalsweise aktualisiert werden, verspricht die Schufa.

App will Einsicht ins Bankkonto

Der Service wurde diese Woche auf der Homepage von "Bonify" gestartet, innerhalb der nächsten Wochen soll auch die Einführung in der App "Bonify Finanzmanager" folgen, wie die Schufa mitteilte. Um den Basisscore sehen zu können, müssen Nutzerinnen und Nutzer sich mit dem Personalausweis oder ihrem Bankkonto registrieren.

Die App "Bonify" wird vom Berliner Fintech-Unternehmen Forteil GmbH betrieben, welches die Schufa vor rund einem halben Jahr aufkaufte. Bei "Bonify" werden bislang neben dem Bonitäts-Score eines Konkurrenten der Schufa auch weitere Serviceleistungen angeboten. Wer sich mit seinem Bankkonto registriert, kann - so das Werbeversprechen - seine Finanzdaten analysieren lassen; Das Ausgabeverhalten, die Ersparnisse und das Gehalt, alles wird analysiert und mit Optimierungsvorschlägen versehen. Für 90 Tage hat "Bonify" dann Zugriff auf die Kontoaktivitäten.

Verbraucherschützer blicken nun mit Sorge auf diese Verpflechtung. Die Befürchtung: Die ohnehin schon übermächtige Auskunftei Schufa könnte künftig "Bonify"-Kunden dazu bringen wollen, ihre Bankdaten auch der Schufa offenzulegen und mit diesen zusätzlichen Finanzdaten noch mächtiger werden.

Datenaustausch findet (noch) nicht statt

Laut der Schufa sollen die Daten der beiden verknüpften Unternehmen allerdings nicht automatisch ausgetauscht werden. Obwohl der Schufa-Basi-Score in der "Bonify"-App angezeigt wird, soll die Schufa nicht automatisch Zugriff auf die Bankdaten von Nutzer:innen haben, wie es vom Unternehmen heißt. Auf Anfrage teilt die Schufa mit, man halte sich selbstverständlich an den Datenschutz. Schufa und "Bonify" seien rechtlich eigenständige Unternehmen, die auch so agieren würden. "Schufa und Bonify können nicht auf die Daten des jeweils anderen zugreifen", schreibt eine Sprecherin.

Für Felix Flosbach von der Verbraucherschutzzentrale in Nordrhein-Westfalen überwiegen dennoch die Risiken bei der Nutzung des neuen Dienstes. Zumal der Nutzen, also die Möglichkeit, seinen Schufa-Score kostenlos zu erfragen, nicht exklusiv ist: Das geht längst und kann ein Mal jährlich kostenlos bei der Auskunftei beantragt werden. Dann kommt die Auskunft nur per Post und nicht quasi live aufs Smartphone.

"Mit der App wird dieses Gimmick hingelegt, dass man seinen Schufa-Basisscore anschauen kann, damit die Leute die App nutzen", sagt Flosbach. Bei der Registrierung würden vermutlich viele Menschen das Bankkonto angeben, weil das Registrierungsverfahren per Personalausweis erfahrungsgemäß noch selten genutzt werde. Dann dürfte "Bonify" eben die Kontoumsätze auswerten. "Das heißt, um diesen Basisscore abzurufen, den man eh ein Mal im Jahr kostenlos abrufen kann bei der Schufa, ohne diese ganzen hochsensiblen Daten bereit zu stellen, gewähren wir jetzt einen Zugriff auf diese Daten", sagt Flosbach.Er befürchtet zudemn, mit dem Score sollten die Nutzer zunächst an die App gewöhnt werden, als Voraussetzungen für künftige Veränderungen an den Nutzungsbedingungen.

Die Schufa teilt auf Anfrage mit, man biete die App an, um Verbraucherinnen und Verbrauchern mehr Transparenz und Kontrolle zu geben. "Noch im Laufe des Jahres sollen auch die bei der Schufa gespeicherten Daten, die zur Ermittlung der Bonität wichtig sind, über Bonify verfügbar sein", schreibt eine Sprecherin. Die Einsicht in den Score solle auch künftig kostenfrei bleiben.

Berliner Datenschutzbeauftragte mit Schufa in Kontakt

Die Berliner Beauftragte für Datenschutz ist zudem bereits seit März in die Integration des Schufa-Scores in die "Bonify"-App involviert. Die Behörde habe sich mit den Unternehmen bereits getroffen und prüfe die App seit Mai, teilt eine Sprecherin auf Anfrage mit. Der Datenaustausch zwischen einer Auskunftei, wie sie die Schufa sei, und einem Finanzdienstleister wie "Bonify" müsse grundsätzlich auf einer Rechtsgrundlage beruhen.

"Ob die Übermittlung personenbezogene Daten von Bonify an die Schufa datenschutzkonform ist, wird entscheidend von der konkreten Ausgestaltung der Einwilligungserklärung abhängen, die wir zur weiteren Prüfung angefordert haben", schreibt die Sprecherin dem rbb. Es geben strenge Vorgaben in der Datenschutzverordnung, insbesondere in Bezug auf persönliche Daten wie Arztbesuche oder Parteimitgliedschaften.

Die Schufa teilt auf Anfrage mit, die Unternehmen sollen auch in Zukunft nicht verschmolzen werden. "Bonify" biete einen geschützten Raum.

Schufa will bald Score-Simulation in der App einführen

Insbesondere, da die Schufa bereits angekündigt hat, an Erweiterungen für "Bonify" zu arbeiten. Schon im kommenden Jahr könnte die App zu einem Daten-Cockpit werden, mit dem Menschen die Auswirkungen bestimmter Entscheidungen auf ihren Basisscore simulieren könnten.

Der Verein "Finanzwende" hatte bereits Anfang Juni eine Petition gegen die Pläne der Schufa gestartet. Er kritisiert, dass das Unternehmen unter dem Vorwand einer Transparenzoffensive Anreize schaffe, ihm weitere Informationen bereitzustellen. Die Schufa setze Menschen mit einem derartigen Cockpit "unter Druck", ihren Score mit mehr Informationen verbessern zu wollen.

Auch die Schuldnerberatung Berlin sieht die Pläne und die neue App der Schufa kritisch. Transparenz schaffe sie nicht. "Seit jeher behandelt die Schufa ihre Berechnung des Scores als Geschäftsgeheimnis. De facto wird mit der neuen App Bonify gezeigt werden, wie Ihre Bonität aktuell ist. Nichtsdestotrotz wird weder von der Schufa noch der App offengelegt, in welcher Gewichtung die Daten zu Verträgen usw. berücksichtigt werden", sagt Anh-Van Tran, juristische Mitarbeiterin der Landesarbeitsgemeinschaft Schuldner- und Insolvenzberatung.

Für die ist das Thema auch deshalb interessant, weil die "Bonify"-App unter anderem auch eine Art Kreditvermarktung anbietet. Maßgeschneidert auf die Anforderungen der Nutzer und auch - so stand es zumindest schon seit Längerem auf der Homepage - für Menschen, deren Schufa-Score so niedrig ist, dass sie eigentlich keinen Kredit bekommen würden.

Schuldnerberaterin warnt

Während den Nutzerinnen und Nutzern in einem Teil Teil der App also künftig der Schufa Score verraten wird, bietet ein anderer (getrennter) Teil der gleichen App, Kredite für die Menschen an, deren Schufa-Score eigentlich zu niedrig für einen klassischen Kredit ist. Verboten sei das nicht, ungewöhnlich aber schon, sagt auch Anh-Van Tran.

"Da stellt sich nun die Frage, ob die individuelle 'Maßschneiderung' so vorteilhaft ist.", sagt Anh-Van Tran. Sie befürchtet, dass Menschen mit einem niedrigen Score Angebote für Kredite mit einem hohen Jahreszinssatz angezeigt werden könnten. Solche hochverzinste Kredite könnten Menschen, die ohnehin schon einen niedrigen Score hätten, noch weiter in die Überschuldung treiben. Sie rät deshalb von dieser Funktion ab und stattdessen dazu, Beratungsangebote wie die der Schuldnerberatung wahrzunehmen.

Sendung: rbb24 Inforadio, 19.07.2023, 16:30 Uhr

27 Kommentare

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  1. 27.

    "Die Schufa liefert diese Einschätzungen und meckern tun doch eigentlich nur die, die besser auch keinen Kredit bekommen sollten und letztlich nur vor (weiterer) Ver- und Überschuldung geschützt werden. "

    Das ist komplett falsch und sogar schlicht gelogen. Die Berechnungen sind völlig unseriös, willkürlich und nicht überprüfbar. Manche bekommen nur deshalb keinen Kredit nur weil sie in einer "schlechten" Gegend wohnen.

    "Ansonsten gibt es doch auch Kredite ohne Schufa, halt mit entsprechenden Konditionen, vor denen der Normalbürger aber zurecht verschont bleiben möchte und auch kann. "

    Haben sie den Artikel überhaupt gelesen? genau daran möchte die Schufa verdienen, indem sie Schuldner noch tiefer in die Schuldenfalle reitet.

    Solchen Gangstermehtoden muß die Geschäftsgrundlage entzogen werden.

  2. 26.

    Falls ich mal einen Kredit aufnehmen müsste, würde ich den schon lieber zu einem Zinssatz entsprechend meiner persönlichen Solvenz zurückzahlen wollen anstatt unnötige Risikoaufschläge aufgrund mangelhafter Risikoeinschätzung hinnehmen zu müssen. Die Schufa liefert diese Einschätzungen und meckern tun doch eigentlich nur die, die besser auch keinen Kredit bekommen sollten und letztlich nur vor (weiterer) Ver- und Überschuldung geschützt werden. Wer mit Geld umgehen kann, dürfte nur in Ausnahmefällen Probleme mit der Schufa haben und den interessieren auch irgendwelche Kriterien nicht, deren genaue Veröffentlichung eh nur zum Missbrauch führen würde.
    Ansonsten gibt es doch auch Kredite ohne Schufa, halt mit entsprechenden Konditionen, vor denen der Normalbürger aber zurecht verschont bleiben möchte und auch kann. Der Schufa sei Dank.

  3. 25.

    Auf jeden Fall sollten Kreditvergaben nicht von dubiosen Berechnungsgrundlagen irgendwelcher privaten Institute abhängig gemacht werden. Das ist schlicht und einfach unseriös.

  4. 24.

    Die Aussage ist korrekt. Bei der Schufa arbeiten keine Aliens sondern Menschen und natürlich kennen die die Kriterien. Banker kennen die Kriterien vielleicht offiziell nicht, vertrauen aber auf deren Aussagekraft.

  5. 23.

    Die Aussage ist schlicht falsch. Die Score Berechnung ist lt. eigener Aussage ein Geschäftsgeheimnis.

    "Die Berechnung des Score-Wertes wird von der Schufa nicht offengelegt und ist daher für Außenstehende undurchsichtig."

    "Dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) liegt eine Klage vor, bei der angezweifelt wird, ob das Scoring mit der Datenschutz-Grundverordnung vereinbar ist, da diese automatisierte Entscheidungen, die rechtliche Wirkung entfalten, verbietet. Die Schufa argumentierte, dass Entscheidungen nur von der jeweiligen Bank und nicht von der Schufa getroffen würden."

  6. 22.

    EIN erfolgreicher Hack und unser Aller (Finanz-)Daten sind auf einen Schlag in der Hand (ausländischer) Übeltäter … Wahn-Sinn … Wo bleibt das Veto der Datenschutzbeauftragten, der Politik, der (Staatschutz-) Behörden ?! ... Die SCHUFA kann die Daten-Sicherheit niemals garantieren … Schon gar nicht über einen so einfachen Zugang wie mit so einer Balla-Balla-Start-Up-Finanz-App … UN-VER-ANT-WORT-LICH, das ganze Unterfangen !

  7. 21.

    Aha - kein Mensch braucht das...
    Und wie wollen sie als Vermieter oder Verkäufer, der einem Kunden einen Kredit zum Kauf eines Produkts vermitteln will, entscheiden, ob - oder wie sehr - der Kunde kreditwürdig ist?

    Soll man den "treuen Augen" des Kunden trauen?
    Soll man einen Privatdetektiv anheuern, der den Kunden wochenlang überwacht und seine Bankdaten ausspioniert?
    Oder soll man den Kunden erst jahrelang kennenlernen, im privaten oder so, um ihn in- und auswendig beurteilen zu können?

    Ich bitte um Alternativen!

  8. 20.

    Natürlich gibt es Menschen, die die Kriterien kennen und diese Kriterien und die daraus ableitbaren Schlussfolgerungen sind in der gesamten Finanzbrance anerkannt. Dieses Bashing über Dinge, welche man nicht versteht, ist einfach nur peinlich.

  9. 19.

    Auch "keine Schulden" haben keinerlei Einfluss auf einen möglicherweise negativen Schufa Score. Da niemand die Kriterien kennt ist die Schufa eben ein durchaus undurchsichtiger Verein

  10. 18.

    "mit seinem Bankkonto" Wer hat denn nur ein Bankkonto? Sparen tue ich bestimmt nicht auf meinem Hehaltskonto. Das mache ich mit dem Sparbuch und dem Tagesgeldkonto.

  11. 17.

    Die App ist genauso überflüssig wie die Schufa selbst. Keinerlei Transparenz, undurchsichtiges Bewertungs- und Punktesystem. Kein Mensch braucht das.

  12. 16.

    Ich habe in meinem bisherigen Leben immer Schulden gehabt in Form von Krediten, die ich ordnungsgemäß getilgt habe, nennt man auch kreditwürdig sein. Jetzt bin ich fast 70 und möchte schuldenfrei in die „Kiste“ gehen!

  13. 15.

    "Schufa-App: Sicherheitsleck in Bonify gibt kurzzeitig beliebige Daten preis" das passt ja gerade...

  14. 14.

    Die Schufa schützt Gläubiger vor betrügerischen Schuldnern, welche Kredite aufnehmen und dann nicht zurückzahlen (können). Das ist eine Dienstleistung, kein Verbrechen.

  15. 13.

    Die Schufa verurteilt Menschen nur teils wegen ihres Wohnsitzes oder früherer Kredite ab. Meiner Meinung dürfte die Schufa nur Auskünfte über die Daten Auskunft geben die Gegenstandsbezogen sind. Zum Beispiel Wohnung , jemand der nie Mietschulden hatte bekommt keine Wohnung weil er irgendein anderen Kredit nicht bedienen konnte. Das sind Verbrecher die mit der Not von ärmeren Menschen noch Gewinn machen ! Abschaffen den Verein !

  16. 12.

    Ehlicherweise trifft es ja auch diejenigen die meinen ohne jeglichen sinnlosen Plunder nicht leben zu können.

  17. 11.

    "Das Beste ist immer noch keine Schulden zu machen. "

    Was ändert das daran, dass unseriöse Firmen Datenschutzgesetze einfach umgehen können? M.E. ist auch die Scoreberechnung absolut illegal.

  18. 10.

    Für mich sind es erst Schulden, wenn ich den Kredit nicht zurück zahlen kann. Vorher ist es geliehenes Geld, was bei mir monatlich in Form von Raten vorhanden ist. Man sollte wissen,ob man liquide ist um sich Geld zu leihen.

  19. 9.

    Leider ist die App, wie ELSTER.DE, fast vollkommen leer. Keine Daten vorhanden! Wieso? Alles leer, da waren doch jahrzehntelang Daten, wohin sind die denn? Der Score bringt nichts. Wichtiger wäre es ja gewesen, die ganzen, alten Prepaidverträge mal löschen zu lassen, die ihre Einträge nie entfernt hatten.

  20. 8.

    >“ Das Beste ist immer noch keine Schulden zu machen.“
    Dann bekommen Sie es aber auch mit der Schufa zu tun. Hab ich schon durch. 75 Eur Gebühren Auslage haben se über meine Girobank abbuchen lassen, weil die ne Anfrage an das Einwohnermeldeamt gemacht haben, ob ich noch lebe. Weil… Seit 50 Jahren keine Adressänderung bei ihnen bekannt war und ich offensichtlich ohne jegliche Kredit- oder sonstige Anfragen bei der Schufa wohl tot war. Denen hab ich aber auch quick lebendig nen gepfefferten Brief geschrieben und Geld kam zurück dann.

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