Hohe Strompreise - Berliner Stadtwerke verlieren Kundschaft

Di 10.10.23 | 06:12 Uhr
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Symbolbild: Solarbeauftragte der Berliner Stadtwerke inspiziert eine Anlage in Berlin. (Quelle: imago images/E. Contini)
Audio: rbb24 Inforadio | 10.10.2023 | Sebastian Schöbel | Bild: imago images/E. Contini

Die Berliner Stadtwerke verlieren Kunden. Das geht aus einer bislang unveröffentlichten Anfrage der Linken hervor, die dem rbb vorliegt. Demnach zählten die Stadtwerke im vergangenen Jahr noch etwas mehr als 35.000 Kundenverträge, im August dieses Jahres waren es nur noch rund 32.300.

Damit trübt sich das Bild für die zuletzt erfolgreichen Berliner Stadtwerke etwas ein. Grund für den Kundenschwund könnten die hohen Strompreise sein: Der Strompreis für Neukunden lag zuletzt bei rund 36 ct/kWh und damit deutlich über den Ökostrom-Tarifen der größeren Konkurrenten am Berliner Markt. Nur der Grundversorgungstarif von Vattenfall lag höher. Der Preis für Bestandskunden der Stadtwerke liegt nochmal deutlich über dem für Neukunden.

Hohe Übergewinne wegen Energiekrise

Gleichzeitig haben die Stadtwerke laut Auskunft der Senatsverwaltung für Wirtschaft aber auch hohe Übergewinne im Zuge der Energiekrise eingenommen. Demnach summierten sich die zusätzlichen Gewinne oberhalb der festen Vergütung laut Erneuerbare-Energien-Gesetz bei der Windenenergie zwischen 2021 und 2023 auf insgesamt 7,9 Millionen Euro. Die zwischenzeitlich eingeführte Übergewinnsteuer zahlten die Stadtwerke allerdings nur im Dezember 2022, sie betrug knapp 170.000 Euro. In den Folgemonaten sanken die Strompreise wieder, die Erlösobergrenze wurde nicht mehr überschritten.

"Das zeigt wie zahnlos die Abschöpfung der Extragewinne der Energiekonzerne durch die Bundesregierung war", kritisiert der Sprecher für Beteiligungscontrolling der Linken, Sebastian Schlüsselburg. Selbst nach Abzug der gezahlten Bonusausschüttung für Bestandskunden und der Übergewinnsteuer hätten die Stadtwerke aktuell noch sechseinhalb Millionen Euro von den zusätzlichen Gewinnen durch die Energiekrise übrig. "Daher fordern wir den Senat auf, zu prüfen, ob Anfang 2024 eine weitere Entlastung der Bestandskund:innen strompreisbremsenkonform und ohne die Investitionsfähigkeit des Stadtwerks zu beeinträchtigen, erfolgen kann."

Übergewinne in Höhe von 18 Milliarden Euro

Die Strompreisbremse war im Zuge der Energiekrise eingeführt worden: Weil durch den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine die Gaspreise stark stiegen, konnten auch die Betreiber von Kohle-Kraftwerken, Atomkraftwerken oder Erneuerbare-Energien-Anlagen ihren Strom zu deutlich höheren Preisen verkaufen. Dieses sogenannte "Merit-Order-Prinzip" führte zu teils enormen Zufallsgewinnen. Allein bei den Erneuerbaren Energien rechnete das Bundeswirtschaftsministerium mit Übergewinnen in Höhe von 18 Milliarden Euro.

Um Verbraucher zu entlasten, hatte die Europäische Union eine Notfallverordnung eingeführt, wonach Übergewinne der Energieerzeuger abgeführt werden müssen. In Deutschland wurde die Abschöpfung jedoch erst zum Dezember 2022 umgesetzt und galt bis Juni 2023. Die Einnahmen für den Bund blieben mit etwas mehr als 400 Millionen Euro allerdings deutlich hinter den Erwartungen zurück: Von den durch Bundeskanzler Olaf Scholz angekündigten Milliardeneinnahmen ist man weit entfernt.

Sendung: rbb24 Inforadio, 10.10.2023, 07:35 Uhr

25 Kommentare

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  1. 25.

    Kann jedem nur empfehlen, sich mit dynamischen Strompreisen zu beschäftigen und der "Versorger" damit ein Schnippchen zu schlagen. Wer heute ernsthaft immer versucht, mehr als 40 ct pro kWh zu nehmen und damit abzuzocken, gehört abgestraft.

  2. 24.

    Wollen Sie jetzt etwa ernsthaft behaupten, Deutschland hätte weiter Gas von einem Kriegstreiber kaufen sollen? Ich fasse es nicht, wie man so etwas auch nur denken kann...

  3. 23.

    Wen wundert es. Preise zu Beginn des Jahres verdoppelt, bei uns von 25Cent auf 52 Cent und im gleichen Brief aber mitgeteilt, dass ja die Strompreisbremse kommt. Und vorher medienwirksam die Gewinne präsentiert. Das fand ich schon grenzwertig, ebenso den Abrechnungsmodus, vor Zahlung des letzten Abschlags gemäß Plan und dann logischerweise Nachzahlung haben wollen und nach Einzug der Nachzahlung und des regulären Abschlags eine Woche später, wird die Guthabenauszahlung die logischerweise entstanden ist,verweigert. Nun gut, wir sind dann mit Sonderkündigung weg und zahlen deutlich weniger. Egal wie die Preise hier sein werden uns haben sie dauerhaft verloren

  4. 22.

    Wie sind Sie denn auf den Preis gekommen? Ich habe als Bestandskunde ein Angebot für 43ct/kWh erhalten und damit 10 Cent über dem Preis von Vattenfall. Auf Nachfrage ob da wirklich nichts mehr möglich wäre wurde verneint. Konsequenz war die Kündigung unsererseits weil das ein zu hoher Unterschied war den wir uns nicht leisten konnten. Daher würde ich schon gerne wissen wie Sie ein Angebot für 28ct erhalten haben.

  5. 21.

    Korrektur: Die pauschale Aussage, dass Bestandskunden bei den Berliner Stadtwerken mehr bezahlen, stimmt nicht. Im Tarif ÖkoTreue24 zahle ich 25,41 Cent /kWh. Der Preis ist noch bis zum 01.01.2024 garantiert. Das ist erheblich weniger als was Neu- und Bestandskunden woanders bezahlen.

    Allerdings frage ich mich auch, wieso selbst Vattenfall für Neukunden deutlich attraktivere Tarife anbietet als die Stadtwerke, während diese zurecht Kunden verlieren. Wenn sich das nicht bessert, bin ich 24 weg.

  6. 20.

    Die Berliner Stadtwerke haben bis zum extremen Anstieg der Preise an den Strommärkten keine Gewinne erwirtschaftet, dann aber wie alle anderen Einspeiser von Strom ins Netz auch von dem gestiegenen Preisniveau profitiert. Von 2021 bis Mitte 2023 waren das in Summe Mehrerlöse von 7.9 Mio. Euro. Davon haben die Berliner Stadtwerke für 2022 die gesetzliche fixierte Übergewinnsteuer bezahlt, Entlastungen für Kunden in Gestalt von zweimaligen Treuetarifen mit plus Entlastungsbonus! umgesetzt und durchaus große Sonderaufwände für die Umsetzung der Strompreisebremse bewältigen müssen. So viel zum Konkreten. Zum Abstrakten: Selbst wenn es hier nach den zahlreichen Jahren der roten Zahlen aus der Aufbauzeit der Stadtwerke über das o. g. Maß zu nennenswerten Gewinnen gekommen wäre (Konjunktiv), dann wären diese Gewinne eben nicht irgendwohin abgeflossen, sondern vom landeseigenen Unternehmen zur Finanzierung der weiteren Energiewende-Investitionen verwendet worden.

  7. 19.

    Ein Linken-Politiker erzählt was von ZAHNLOS. Ein Partei die.seit Jahren nur zahnlose Entscheidungen getroffen hat. Wenn man vieles nur an unberechtigte Verschenken möchte, dann ist die Abschöpfung natürlich zu gering. Bei dieser Partei müsste alles mit mindestens 101 % abgeschöpft werden. Nur nicht bei ihren Diäten. Da stimmen sie immer für die Erhöhung.

  8. 18.

    Das stimmt so nicht. Sowohl die Stadtwerke als auch Vattenfall produzieten Strom und verkaufen diesen dann an der Strombörse. Die Stadtwerke produzieren allerdings ausschließlich Solar- und Windstrom. Beide Anbieter kaufen den Strom dann wieder für ihre Kunden von der Strombörse.
    Auch preislich ist Vattenfall nicht der beste wie ein kurzer Blick auf ein Vergleichsportal verrät.

  9. 17.

    Es geht wohl mehr darum, ob die primäre Ursache der Preissteigerung der Beginn des Ukrainekriegs ist und da lautet die Antwort (auch mit Ihrer Ergänzung) wohl Nein, der Krieg selbst ist nicht die Ursache.

  10. 16.

    "Der Preis für Bestandskunden der Stadtwerke liegt nochmal deutlich über dem für Neukunden."

    Diese pauschale Aussage ist nicht korrekt. Wer im Zuge der Preiserhöhung vom Jan/Feb 2021 sich für 2 Jahre an das Unternehmen gebunden hat, der liegt - und lag - deutlich unter dem Preis für Neukunden.

    "In Deutschland wurde die Abschöpfung jedoch erst zum Dezember 2022 umgesetzt und galt bis Juni 2023. Die Einnahmen für den Bund blieben mit etwas mehr als 400 Millionen Euro allerdings deutlich hinter den Erwartungen zurück"

    Der FDP sei Dank!

  11. 15.

    "...... Weil durch den russischen Angriffskrieg gg Ukraine die Preise stiegen?.." Nein, hier geht es darum, daß die Stadtwerke im vergangenen Winter - und aktuell - spürbar überteuerte Preise verlangen. Einige Öko-Stromkonkurrenten sind bieten da attraktivere Preise an. Geht also! Wir sind deshalb von den Stadtwerken wieder zu einem anderen Anbieter gewechselt. Schade eigentlich. Genauso wie an meinem defekten Toilettenspülkasten, ist auch hier Putin mal nicht Schuld.

  12. 14.

    So ein Unsinn die Leitung NS1 wurde lange im Vorfeld von den Russen schon massivst gedrosselt, nur um uns mit zu erpressen.

  13. 13.

    Ich war auch bis vor Kurzem Kunde bei den Stadtwerken aus ähnlichen Beweggründen wie den ihren. Habe dann gewechselt nachdem ich hören musste, dass Millionengewinne eingefahren wurden, mein Strompreis als Bestandskunde aber trotzdem noch über der staatlichen Strompreisbremse bleiben sollte. Schlicht unverschämt wie bei einem landeseigenen Unternehmen gewirtschaftet wird.
    Abgesehen davon sollte das Merit-Order-Prinzip, welches die Gewinne der Energiekonzerne vervielfacht und die Kosten den Verbrauchern aufbürdet (dazu noch ohne ökologischen Nutzen), auf EU-Ebene abgeschafft oder zumindest stark reformiert werden.

  14. 12.

    Für Bestandskunden nahmen die Berliner Stadtwerke 51 ct/kWh.
    Ich habe ich einen 12M-Tarif für 26,5 ct/kWh

  15. 11.

    Verstehe ich nicht. Ich bin Bestandskunde der Stadtwerke, zahle 29 ct/kWh und habe zum Jahresende eine Rückerstattung von fast 200 € erhalten. Was mache ich falsch? ;-) Oder machen die Stadtwerke etwas falsch? Blicken die in ihren eigenen Tarifen nicht durch?

  16. 10.

    Das kann die GASAG mit ihrem Strom für Bestandenen, der nachwievor zu hoch ist,auch erreichen.Neukunden werden gepempert,die alten erst im nächsten Jahr.

  17. 9.

    Wir haben auch gewechselt . Wir haben gerne etwas mehr gezahlt für lokalen Ökostrom, aber das war Zuviel des Guten.

  18. 8.

    Absolut kein Mitgefühl für die Stadtwerke. So viel extra Geld wurde dort generiert und man hat sich schön die Taschen vollgemacht und die Leute abgezogen.
    Irgendwo muss ja das Geld noch sein…

  19. 7.

    Die Stadtwerke sollten günstiger sein. Kann jeden nur empfehlen zu Vattenfall zu gehen, die produzieren wenigtens selbst Strom. Die Stadtwerke verkaufen nur und das, wie der Artikel zeigt, überteuert.

  20. 6.

    Stadtwerke Berlin verbuchen Übergewinne, nutzen diese (und weitere Preissenkungen am Markt) nicht zur Senkung der Strompreise für Bestands- und Neukunden. Entsprechend sinken die Kundenzahlen- wen wundert das?

    Dass es nicht noch höhere Verluste bei den Kundenzahlen gibt, dürfte einerseits an den Vertragsbindung liegen als auch an der Trägheit (oder auch an falsch verstandenem Lokalpatriotismus).
    Wenn in einem halben Jahr dann so viele Kunden dem Unternehmen den Rücken zugekehrt haben, dass Verluste geschrieben werden, wird dann nach dem Staat/Senat gerufen.

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