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Quelle: dpa/Rolf Vennenbernd

Recherche von ARD-Kontraste

Grüne und Linke fordern Sondersteuer für Corona-Profiteure

Geschlossene Läden und einbrechende Umsätze: Die Pandemie hat viele Unternehmen an den Rand des Ruins gebracht. Andere konnten ihre Profite während der Krise drastisch steigern. Auch deswegen fordern viele, sie an den Kosten der Pandemie zu beteiligen. Von Efthymis Angeloudis und Silvio Duwe

Die Frühjahrs-Kollektion wurde geliefert, der Laden nach monatelanger Pause wieder aufgemacht. Doch auch wenn Click & Meet der UVR-Modefirma wieder wenigstens eine kleine Perspektive zu bieten scheint, könnte das Modegeschäft in Schöneberg ohne Staatshilfen kaum überleben.

"Wir sind auf jeden Fall dankbar für alles, was wir bekommen haben", sagt die Geschäftsführerin Anja Schieber. "Und wir sind dann zufrieden, wenn wir überlebend aus der Krise herauskommen." Ob die UVR-Modefirma das schafft, hängt auch von der Höhe der Überbrückungshilfe ab. Über 50.000 Euro müssten es sein. Wenn aber das Geld nicht komme, könne Schieber irgendwann keine Rechnungen mehr bezahlen.

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Öffentlich Schulden auf Rekordniveau

Doch ob Soforthilfe, Überbrückungshilfe, Kurzarbeitergeld oder Steuerhilfegesetz - irgendwo muss das Geld herkommen. Insgesamt rund 1,5 Billionen Euro – so hoch beziffert das Bundesfinanzministerium die Gesamtkosten der Corona-Pandemie für den Staatshaushalt. Allein die Kosten der Hilfen für Unternehmen, die aufgrund der wirtschaftlichen Einschränkungen zum Schutz vor der Ausbreitung des Virus notwendig sind, betragen über 150 Milliarden Euro. Die öffentlichen Schulden in Deutschland sind wegen der enormen Corona-Kosten auf ein Rekordniveau von 2195,1 Milliarden Euro gewachsen - ein Anstieg um 15,6 Prozent gegenüber Ende 2019. Wer soll die Zeche dafür bezahlen?

Grüne und Linke fordern Übergewinnsteuer

Die Kosten sollten Unternehmen tragen, die in der Corona-Krise besonders hohe Gewinne erwirtschaftet haben, sagt die finanzpolitische Sprecherin der Grünen, Lisa Paus. Das Konzept heißt Übergewinnsteuer und sieht vor, besondere Gewinnzuwächse, die aufgrund einer Krisensituation entstanden sind, zu besteuern. Dies könnte einen Konzern wie Amazon, der auch aufgrund der Schließung des Einzelhandels seinen Umsatz in Deutschland 2020 um rund 33 Prozent auf 29,5 Milliarden Euro ausbauen konnte, betreffen.

Aus diesen Einnahmen könnte der Staat Schulden, die durch Soforthilfen, Kurzarbeitergeld und Überbrückungshilfen entstanden sind, refinanzieren. "Ich finde es richtig und wichtig, dass diejenigen, die in dieser Krise besonders profitiert haben, auch ihren zusätzlichen Beitrag leisten", so Paus. Das sei nicht nur aus Gerechtigkeitsgründen wichtig. Auch nach der Krise hätten diese Konzerne einen Wettbewerbsvorteil.

Unterstützung erhält Paus für diesen Vorschlag vom finanzpolitischen Sprecher der Partei Die Linke, Fabio de Masi. Im Interview mit Kontraste erklärte er, er könne sich vorstellen, abnormale Gewinne von Konzernen wie Amazon, die vor allem mit der Corona-Krise zu tun haben mittels einer Übergewinnsteuer abzuschöpfen.

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Wirtschaftsforscher: Können nicht auf Steuererhöhungen verzichten

Eine Übergewinnsteuer sei unkompliziert umsetzbar, sagt auch Christoph Trautvetter, Chef des Netzwerks Steuergerechtigkeit. Zugleich weist das Netzwerk darauf hin, dass eine solche Sondersteuer nur ein Teil einer umfassenderen Unternehmenssteuerreform sein könne. Denn die größten Krisengewinner seien internationale Konzerne, die schon heute mit Hilfe von komplizierten Firmenstrukturen und Steueroasen ihre Gewinne klein rechneten und so ihre Steuern reduzierten.

Widerspruch kommt von den übrigen im Bundestag vertretenen Parteien. CDU/CSU und SPD sowie die FDP sehen derzeit keinen Bedarf für zusätzliche Steuern, um die Kosten der Krise zu bewältigen. Sie setzen darauf, dass die Corona-Schulden durch künftiges Wirtschaftswachstum finanziert werden können.

Dabei warnen Ökonomen davor, allein auf Wachstum zu setzen. "Wir haben einen großen Nachholbedarf bei der Infrastruktur, bei der Digitalisierung, für den Klimaschutz", mahnt Stefan Bach, der sich beim Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung mit Steuern und öffentlichen Finanzen beschäftigt. "Und das alles geht natürlich nicht zusammen, wenn man gleichzeitig auf Steuererhöhungen verzichten will." Zudem sei keinesfalls sicher, dass das Wirtschaftswachstum nach der Pandemie so weitergehe wie nach der Finanzkrise 2009.

Amazon rechnet Steuer- und Sozialabgaben zusammen

Auf der anderen Seite der Ladenschließungen und Pleiten stehen die Corona-Gewinner: Handelsunternehmen wie Amazon, die ihren Geschäftsbetrieb aufrechterhalten und sogar ausbauen konnten. Sie könnten als Krisengewinnler die Kosten der Pandemie mitfinanzieren, wenn sie besteuert werden würden.

Der US-Konzern hat jahrelang so gut wie keine Steuern in Deutschland bezahlt. Seit 2015 gibt es die sogenannte Betriebsstättenregelung. Weil Amazon auch Lager in Deutschland betreibt, muss nun auch ein Teil der Gewinne hier versteuert werden. Dabei buchen Konzern ihre Gewinne häufig dort, wo, wie etwa in Irland, die Steuersätze besonders niedrig sind, obwohl sie die zugehörigen Umsätze zum Beispiel in Deutschland erzielen.

Selbst gibt der Konzern für 2019 261 Millionen Euro Steuerabgaben in Deutschland an. Er vermischt die Zahl aber mit Sozialabgaben für Arbeitnehmer und sogar Zöllen. Wie viele Steuern Amazon also konkret in Deutschland gezahlt hat, lässt sich so nicht einfach herausfinden. Dazu müsste der Anteil der Sozialbeiträge genannt werden.

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Beschäftigte im Minus, Aktionäre mit Gewinnen

Gerhard Schick, Vorstand der Bürgerbewegung Finanzwende und ehemaliger Bundestagsabgeordneter der Grünen erinnert gegenüber Kontraste daran, dass schon in der Finanzkrise 2009 die Steuerzahler für die Bankenrettung zahlen mussten. Er sieht Parallelen zur Corona-Krise. Wenn große Unternehmen mit Steuergeldern gerettet werden, dann profitierten davon nicht nur die Beschäftigten, sondern insbesondere die Aktionäre. Schick fordert daher einen "Dividenden-Lockdown" für Unternehmen, die vom Kurzarbeitergeld profitiert haben. Sonst komme es zu der Schieflage, dass am Ende des Krisenjahres 2020 die Beschäftigten durch Kurzarbeit ein Minus hätten, während die Aktionäre Gewinne machten.

Ein Beispiel hierfür sei der Automobilkonzern Daimler. Dieser sparte im vergangenen Jahr 700 Millionen Euro durch das Kurzarbeitergeld ein. Gleichzeitig konnte der Konzern seinen Jahresgewinn um knapp 50 Prozent steigern. Der Daimler-Konzern plant darüber hinaus, die Dividende für seine Aktionäre um 400 Millionen Euro auf insgesamt 1,4 Milliarden Euro zu erhöhen.

Profitieren würden davon vor allem die großen Anteilseigner, allen voran der Staatsfonds von Kuwait, Renault-Nissan und der chinesische Investor Li Shufu. Bezahlen durfte das in Form von Kurzarbeitergeld und Kaufprämien für Elektro- und Plugin-Hybrid-Autos auch der Staat – und damit die Gesamtheit der Steuerzahler.

Die Kommentarfunktion wurde am 19.03.2021 um 14:00 Uhr geschlossen

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Beitrag von Efthymis Angeloudis und Silvio Duwe

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