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Audio: Inforadio | 11.10.2021 | Oda Tischewski | Quelle: dpa-Symbolbild/Christoph Soeder

Berliner Gastronomie

"Die Leute wollen wieder rausgehen – wir sind immer voll gebucht"

Nach anderthalb Jahren Corona-Starre sortieren sich Restaurants und Kneipen, Cafés und Hotels neu. Während des Lockdowns fehlten die Gäste – jetzt mangelt es an Personal. Und dann steht noch eine wichtige Entscheidung an: 2G oder 3G? Von Oda Tischewski

Im Café Frida am Helmholtzplatz in Prenzlauer Berg herrscht reger Betrieb: Die Plätze im Innenraum sind spärlich besetzt, aber draußen in der Herbstsonne sind alle Tische belegt. Samina Raza hat das Café vor drei Monaten neu eröffnet, darüber hinaus betreibt sie seit fünf Jahren ein weiteres Restaurant, wenige Meter entfernt.

Für das Interview kann sie sich nur wenig Zeit nehmen: Weil eine Mitarbeiterin sich krank gemeldet hat, wird sie selbst im Service einspringen. "Mit ein bisschen Kopfschmerzen hätte man früher vielleicht noch eine Stunde arbeiten können, heute muss ich sie sofort nach Hause schicken und sie muss einen Test machen."

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Wirtschaftlich kaum ein andere Wahl

Für ihr Café hat sich Samina für die 2G-Regel entschieden: Nur Genesene und Geimpfte dürfen im Café Frida essen – oder auch arbeiten. So kann sie die volle Auslastung nutzen – nicht nur 60 Prozent wie in Restaurants mit 3G-Regel. "Nach anderthalb Jahren, in denen so viel unklar war in unserer Branche, müssen meiner Meinung nach die meisten 2G wählen, denn 40 Prozent weniger Platz im Laden sind einfach nicht denkbar. Die Mieten in der Gastronomie sind hoch, wir kalkulieren mit jedem Zentimeter Platz. Aber Berlin lässt uns als Inhaber jetzt die Drecksarbeit machen, denn man kann es sich nicht leisten, Nein zu sagen zu mehr Platz."

Personal ist Mangelware

In Samina Razas Café ist Englisch die Umgangssprache unter den Angestellten. In der Corona-Krise hat sich das als Schwierigkeit erwiesen: der Job auf Eis, eine bedrohliche Lage, keine Perspektive. Ein großer Teil ihres Teams ist in der Corona-Krise in seine Heimatländer zurückgekehrt und kommt nun vorerst nicht zurück.

Neues Personal zu finden, ist nicht einfach: "Diese Arbeit ist hart und man braucht viel Ahnung und Erfahrung – das war schon vor Corona nicht leicht zu finden." Spielt da auch der Impfstatus eine Rolle? "Ja, aber damit hatten wir zum Glück bislang wenig Probleme. Hygiene kommt für uns in der Gastronomie immer an erster Stelle, wir wollen, dass alle gesund bleiben."

Leute noch nicht alle zurück in den Büros

Eine halbe Stunde Fußweg entfernt: Der Arkonaplatz liegt im stillen Herbstlicht, auf der Straße kaum Menschen. Früher waren hier um die Mittagszeit viele Mitarbeiter der umliegenden Startup-Büros unterwegs, kamen zum Essen ins Jasper’s, einem Restaurant mit angeschlossenem Hotel, das hier vor zwei Jahren eröffnete. Ihren Mittagstisch auf der großen Terrasse und in den gedeckt gehaltenen Restauranträumen haben die Brüder Marius und Laurenz Jasper während Corona aufgegeben, jetzt geht es hier erst um 17 Uhr los. "Die Leute sind noch immer nicht alle wieder in den Büros, das dauert", erzählt Laurenz Jasper.

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"Fast alle Mitarberiter und Mitarbeiterinnen verloren"

Eine Zeit lang war aber auch der Personalmangel mit der Grund, warum sie auf das Mittagsangebot verzichten mussten: "Wir haben über die Krise fast alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verloren, nur den Grundstamm an Vollzeit-Festangestellten konnten wir erhalten, die anderen wurden teilweise als Mini-Jobber auch nicht unterstützt. Neue Leute zu finden, war sehr schwierig, wir haben uns auch gefragt, wo die alle hin sind und ob überhaupt noch jemand in der Gastronomie arbeiten möchte."

Viele ihrer ehemaligen Arbeitskräfte arbeiten mittlerweile in anderen Jobs, Studierende wohnen wieder bei den Eltern, solange die Uni ohnehin nur Fernlehre anbietet. Langsam haben die Jaspers die freien Stellen wieder besetzen können: "Das hat schon so drei, vier Monate gedauert", so Laurenz Jasper. Jetzt seien die Buchungszahlen und die Umsätze im Restaurant aber wieder auf dem Stand vor Corona.

Beim Personal strengere Regeln

Anders als im Café Frida dürfen am Arkonaplatz auch Getestete essen: Im Jasper‘s Restaurant und auch im Hotel gilt: 3G. Hier will man niemanden vom Besuch ausschließen. Für das Publikum sei das kein Problem, sagen die Brüder, bereitwillig zeigten die Gäste ihre verschiedenen Nachweise.

Für das Personal allerdings gelten hier strengere Regeln: Eine fehlende Impfung könnte da auch ein Ausschlusskriterium sein, so Marius Jasper: "Wenn wir den Service drinnen anbieten, müssen wir natürlich garantieren, dass auch das Personal geschützt. Wer nicht geimpft ist, müsste sich natürlich jeden Tag testen lassen – da ist die Frage, wer dann die Kosten dafür trägt. Deshalb wäre das dann für uns schon ein Kriterium."

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Dornröschenschlaf des Gastgewerbes scheint beendet

Zurück im Café Frida: Im Minutentakt erklingt die Glocke, neue Gerichte sind fertig und können zu den Gästen gebracht werden. Samina Razas Servicekräfte sind ununterbrochen auf den Beinen, sie selbst muss nun auch mit anpacken. In die Zukunft ihrer beiden Restaurants schaut sie wieder optimistischer, der Dornröschenschlaf des Gastgewerbes scheint beendet: "Wir sind immer voll gebucht, das freut uns! Ich höre das überall in der Gastronomie: Die Leute wollen wieder rausgehen und Spaß haben und die Restaurants sind voll."

Sendung: Inforadio, 11.10.2021, 10:20 Uhr

Beitrag von Oda Tischewski

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