rbb24
  1. rbb|24
  2. Kultur
Audio: rbb24 Inforadio | 26.03.2023 | Barbara Behrendt | Quelle: imago images/M. Müller

Theaterkritik | "Schlachten" im Gorki

Zynische Kriegsbeute

Der künstlerische Co-Leiter des Maxim-Gorki Theaters, Oliver Frljić, präsentiert den letzten Teil seiner Kriegstrilogie. "Schlachten" war als Heiner-Müller-Abend angekündigt, ist aber: eine dumpfe, ärgerliche Gewalt-Show. Von Barbara Behrendt

Wem auf der Bühne nichts mehr Substanzielles zum Thema Krieg einfällt, für den hat Oliver Frljić, der künstlerische Co-Leiter des Berliner Maxim-Gorki-Theaters, ein einfaches Rezept zur Hand. Da ist zunächst der Titel: Man gebe dem Projekt einen möglichst abgründigen Namen – "Schlachten" zum Beispiel, das klingt blutrünstig, nach Schlachthaus, Schlachtfeld und groben Kerlen.

Dann nehme man ein Drama, das es einem erlaubt, Stalin und Hitler auf die Bühne zu stellen – denn Hitler geht immer. Heiner Müller eignet sich besonders gut, der klingt immer düster. Man nehme am besten mehrere seiner Stücke und verquirle sie so lange miteinander, bis niemand mehr der Handlung folgen kann – das befreit von lästigen Interpretationen, die sonst eingefordert werden.

Quelle: imago images/M. Müller

Für die Darstellung verwende man plumpe Papp-Masken mit Hitler-Foto, dann gibt’s keine Verwechslung. Und dann kann es auch schon losgehen, gern mit einem ohrenbetäubenden Techno-Song. Der Text ist leicht zu merken: "Hit-ler! Hit-ler! Hit-ler!"

Nicht fehlen darf das Nachrichten-Gewitter, damit das beschränkte Publikum versteht: Jetzt wird’s aktuell! Dann: viel Geschrei, gern von Frauen, es ist schließlich Krieg. Unerlässlich im Anschluss sind: Kinder. Am besten Babys, zur Rührung. Man türme am Bühnenrand hölzerne Kindersärge auf und werfe dann aus dem Off Baby-Puppen auf die Bühne, die sich zum Leichenberg türmen.

Schöner Schockeffekt: Man lasse die Schauspieler Zigaretten in den Puppenaugen ausdrücken und die Puppenkörper mit Gewehr-Enden brutal in den Boden rammen.

Theaterkritik | Uraufführung am DT

Vom Abstürzen und Aufstehen

Als Marcel Kohler 2018 psychisch angeschlagen war, hat ihn Dirk Nowitzki inspiriert. Am Deutschen Theater hat Kohler nun sein eigenes Stück über die Lebenskrise inszeniert: "Dirk und ich" – eine schmerzhaft ehrliche Selbstbefragung. Von Barbara Behrendt

Spätestens jetzt braucht es ein bisschen Unterhaltung. Dafür eignet sich: der zynische Monolog an der Rampe: "Wir laden Sie herzlich ein zu den Olympischen Spielen des Mitgefühls! Wer ist das perfekte Opfer? Für wen hab ich am meisten Mitgefühl? Für wen schlägt mein Herz am höchsten? Denn nur einer kann Germany’s next Top-Opfer werden. Also: Lasset die Spiele beginnen!"

Gefolgt vom Herzstück des Abends: dem inhaltlichen Aufreger. Am besten wäre: ein Skandal. Mindestens aber: etwas Polarisierendes. Das gibt Schlagzeilen. Wie wäre es, man würfe den Einmarsch der USA in den Irak und die russische Invasion in der Ukraine in einen Topf?

Es wird sich schon eine junge Schauspielerin finden, die für diesen Quatsch auf der Bühne ihren Kopf hinhält: "Wenn wir also heute Russland mit Sanktionen dafür belegen, dass es in die Ukraine einmarschiert ist, was ja vernünftig ist, dann müssten wir doch eigentlich auch die USA mit Sanktionen dafür belegen, dass sie in den Irak einmarschiert sind, weil dieser Krieg aufgrund von Lügen und falscher Beweislage geführt wurde... Oder, imagine, amerikanische Dirigenten und Opernstars würden vom einen Tag auf den anderen Auftrittsverbot bekommen, und würden dafür angeprangert werden, dass sie George W. Bushs Politik nicht verurteilen."

Daniel-Boyd-Ausstellung in Berlin

"Dieser Zaubertrick bleibt mein gut gehütetes Geheimnis"

Der australische "First Nations"-Künstler Daniel Boyd hat den Martin-Gropius-Baus mit einer ganz besonderen Energie aufgeladen. Seine Ausstellung "Rainbow Serpent" hat vor allem eines im Sinn: Sie will unser eingefahrenes Weltbild erschüttern. Von Marie Kaiser

Jetzt noch: viele Nationalflaggen zertrampeln. Dann fehlt nur noch das Salz in der Suppe. Macht wenig Arbeit und erzielt große Wirkung: Gräuelfotos. Damit einem niemand Effekthascherei vorwerfen kann: unbedingt eine Trigger-Warnung vorausschicken.

"Wir möchten Ihnen an dieser Stelle dringend raten, Ihre Augen zu schließen. Es werden Fotos gezeigt, die Sie verfolgen werden und die nur schwer zu ertragen sind, weil sie die unschuldigsten Opfer eines jeden Krieges zeigen: Kinder."

Und dann ab auf den Projektor damit: Bilder von erbärmlich krepierenden Kindern. Je mehr die Knochen und die Augen hervorstehen, desto besser. Rippen, eingefallene Haut, Schläuche. Und noch eins. Und noch eins. Auch hier gilt: immer wieder die Fotos kritisieren, die man präsentiert, gern mit einem Susan-Sontag-Zitat, dann ist alles wasserdicht. "Welchen Sinn hat es, Bilder von Leid zu zeigen? Um Empörung zu wecken? Um uns schlecht fühlen zu machen? Um uns beim Trauern zu helfen?"

Mit diesen einfachen Zutaten lässt sich auch ohne substanziellen Gedanken ein zynischer Abend über den Krieg auf die Bühne stellen. So profiziert auch das Theater wunderbar vom Kriegsgeschehen. Und das Publikum? Es klatscht und klatscht und klatscht.

Sendung: rbb24 Inforadio, 26.03.2023, 06.00 Uhr

Beitrag von Barbara Behrendt

Artikel im mobilen Angebot lesen