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Audio: rbb24 Inforadio | 17.05.2023 | Hendrik Schroeder | Quelle: imago images/M.Nucci

Antisemitismus-Vorwurf gegen Roger Waters

Konzert unter Beobachtung

Mit Pink Floyd schrieb Roger Waters Musikgeschichte. Auf seiner aktuellen Solo-Tour sorgt er für andere Furore. Seine Shows sollen antisemitische Klischees bedienen. Die Sicherheitsbehörden haben nun einen Blick darauf. Von Hendrik Schröder

Fangen wir mit dem, was Roger Waters allgemein vorgeworfen wird. Weshalb ihn manche für einen Antisemiten halten. Zunächst sind da die immer wiederkehrenden Parallelen, die er zwischen Israel und Nazi-Deutschland zieht. Israels Politik gegenüber Palästina nennt er einen Völkermord.

Er sieht Ähnlichkeiten zwischen seinem Kampf gegen Israel und dem Kampf der Geschwister Scholl gegen die Nazis. Er spricht über "jüdische Lobbygruppen im Journalismus und in der Musikbranche". Außerdem bekennt er sich offen zu BDS - einer Kampagne, die dafür wirbt, Israel ökonomisch und kulturell zu boykottieren und in der auch Holocaustleugner und Islamisten aktiv sind.

Dies alles betrifft Aussagen von ihm in Interviews oder im Internet, nicht seine Texte. Aber auch seine Bühnenshow hätte unzweifelhaft antisemitische Elemente, meint Jochen Feilcke von der Deutsch-Israelischen Gesellschaft (DIG) in Berlin: "Daran zu erkennen, dass ein riesiger Ballon in Gestalt einer Sau, mit einem Davidstern versehen, bei vielen Waters Konzerten als Teil der Show durch die Halle fliegt."

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Am Ende der Kunstfreiheit

Die durch die Halle fliegende Ballonsau, die später in der Vorstellung abgeschossen wird, ist in der Tat immer wieder Bestandteil von Roger-Waters-Konzerten. Mit wechselnden Motiven darauf, aber eben auch immer wieder mit einem Davidstern. Bei seinen letzten Konzerten war der Stern allerdings nicht zu sehen. Vielleicht ist das schon eine Reaktion darauf, dass es in einigen deutschen Städten heftige Debatten um seine Auftritte gab.

In Frankfurt am Main wollte die Stadtverwaltung das Konzert verhindern, scheiterte aber am Verwaltungsgericht. Dies gab einer Klage von Waters gegen das Auftrittsverbot recht. Mit Volksverhetzung sei nicht zu rechnen, so das Gericht.

Trotzdem sei bei Waters' Aktionen und Aussagen das Ende der Kunstfreiheit erreicht, meint der Berliner Antisemitismusbeauftragte Samuel Salzborn: "Weil es um Angriffe gegen Menschen geht, weil es um die Verletzung der Menschenwürde geht, unabhängig von der Frage der strafrechtlichen Relevanz."

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Jeden Tag kam es in Berlin im Jahr 2022 im Schnitt zu mehr als zwei antisemitischen Vorfällen. Das ist zwar etwas weniger als noch 2021 - die Zahl der körperlichen Angriffe ist aber nahezu unverändert.

Verhindern, aushalten, protestieren?

Diese Woche Mittwoch und Donnerstag wird Waters in Berlin auftreten. Salzborn hätte es gerne gesehen, wenn dies verboten worden wäre. Dem Berliner Senat fehlte dazu aber die Handhabe. Die Halle ist privat, Anzeichen von Volksverhetzung sehen Gerichte nicht, was hätte die Landesverwaltung da tun sollen? Der Tourveranstalter FK Scorpio distanziert sich von Waters' Aussagen, verweist aber in einem Statement auf laufende Verträge, die erfüllt werden müssen.

Auch bei der Mercedes-Benz-Arena, die im Besitz der Anschutz-Gruppe ist, distanziert man sich von Waters auf Nachfrage. Schriftlich verweist man auf die Freiheit der in der Halle auftretenden Künstler, auch wenn diese nicht die Haltung der Hallenbetreiber repräsentieren würden.

Eine sehr bequeme Haltung, heißt es immer wieder in Foren im Internet. Eigentlich die einzig richtige, sagt Olaf Zimmermann, der Geschäftsführer vom Deutschen Kulturrat. Für ihn stehe fest, dass Waters ein Antisemit sei, aber mit Auftrittsverboten würde man das Problem nicht lösen. Alleine Diskussionen und Auseinandersetzungen mit antisemitischen Künstlern und antisemitischer Kunst würden langfristig etwas ändern können.

Sicherheitsbehörden beobachten Konzerte

Proteste vor den Auftrittsorten gab es auf dieser Tour schon einige, aber sie fielen eher klein aus. Bislang sind laut Senatsinnenverwaltung in Berlin keine offiziellen Demonstrationen angemeldet. Jochen Feilcke von der Deutsch-Israelischen Gesellschaft hätte gerne vor der Halle protestiert.

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Aber, sagt er, mit ein paar Dutzend Protestierenden vor Tausenden Fans zu stehen, würde keinen Sinn ergeben. Er habe stattdessen an die Innensenatorin Iris Spranger geschrieben, mit dem Wunsch, dass das Konzert von der Polizei notfalls abgebrochen würde, sollten antisemitische Aktionen passieren.

Die Innensenatorin sieht das offensichtlich ähnlich, sie schreibt dazu auf Anfrage des rbb: "Die Sicherheitsbehörden werden alle Möglichkeiten vor und während des Konzerts ausschöpfen, um mögliche Rechtsverstöße zu unterbinden."

Und was meint Roger Waters selbst? Der beteuert in Interviews und in Ansagen auf keinen Fall ein Antisemit zu sein - und dass seine Ansichten sich nur auf die Politik Israels und auf die Regierung beziehen würden, nicht auf die Menschen.

Sendung: rbb24 Inforadio, 17.05.2023, 9:25 Uhr

Beitrag von Hendrik Schröder

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