Einbrüche in Berliner City-Toiletten - Das große Geld mit dem kleinen Geschäft

Mi 23.02.22 | 17:10 Uhr | Von Rainer Unruh, Jenny Barke
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City Toilette in Berlin (Quelle: imago-images/Rolf Kremming)
Audio: Inforadio | 23.02.2022 | Jenny Barke | Bild: imago-images/Rolf Kremming

Diebe haben seit Dezember Hunderte öffentliche Toiletten in Berlin aufgebrochen - im Schnitt jede City-Toilette dreimal. Der Schaden liegt bereits im sechsstelligen Bereich. Trotz erster Festnahmen gehen die Einbrüche weiter. Von Rainer Unruh und Jenny Barke

Harriet Vahldieck ist ratlos. Die Regionalmanagerin der Wall GmbH steht vor einer City-Toilette in Berlin-Mitte. 50 Cent kostet es, Toiletten wie diese zu benutzen. Sie könne nicht verstehen, warum Diebe es auf diese Kleinstbeträge abgesehen haben. Regelmäßig sammelt das Unternehmen die Nutzungsentgelte im Auftrag des Landes Berlin ein.

Doch die Einbrecher wittern hier offenbar das große Geschäft: In den vergangenen zweieinhalb Monaten sind die City-Toiletten laut Wall GmbH mehr als 1.000 Mal aufgebrochen worden. Die Firma stellt die Toiletten seit vielen Jahren, aber damit hatte sie bisher noch keine Erfahrungen. Zum Vergleich: Bisher seien die Toiletten 20 bis 30 Mal aufgebrochen worden - im Jahr. "Ich kann mir nicht erklären, warum man solchen Vandalismus und Diebstahl begeht. Das ist keine Bagatelle", sagt Vahldieck.

Inzwischen bis zu 180 Einbrüche pro Woche

Begonnen hatte es mit wenigen Einbrüchen: Anfang Dezember zählte das Unternehmen erstmals vier davon. Doch schnell nahmen die Zerstörungen zu. In Berlin gibt es knapp 200 öffentliche Toiletten, davon sei fast jede schon mindestens einmal, manche mehrfach aufgebrochen worden. Inzwischen zählen die Betreiber 150 bis 180 Aufbrüche pro Woche. Pro Einbruch erbeuten die Diebe nach Polizeiangaben zwei- bis niedrige dreistellige Beträge. Rechnet man die Zahl der Einbrüche hoch, wird klar, dass sich die Kleinstbeträge für die Diebe zu einer lohnenswerten Höhe summiert haben.

Aber das bleibt nicht der einzige Schaden: Bisher ist durch die Einbruchsserie laut Wall GmbH ein Schaden im sechsstelligen Bereich entstanden. Und den zahlen die Berlinerinnen und Berliner: Denn die Toiletten werden vom Land Berlin beauftragt und von Steuergeldern finanziert.

Polizei verstärkt Ermittlungen

Inzwischen hat die Wall GmbH einen extra Trupp eingerichtet, der rund um die Uhr versucht, die Schäden zu beheben, damit die Toiletten wieder benutzbar sind. Denn mit den Einbrüchen zerstören die Diebe die Technik des Kassensystems, die Tür zum Klo lässt sich danach nicht mehr öffnen. "Die Täter verschaffen sich Zugang, indem sie die Zugangstür aufhebeln, um dann an den Auffangbehälter zu kommen und das Geld zu entwenden", sagt Polizeisprecherin Anja Dierschke dem rbb.

Die Wall GmbH arbeitet eng mit der Berliner Polizei zusammen. Aber obwohl bereits 23 Tatverdächtige ermittelt worden sind und gegen einige ein Haftbefehlt erlassen wurde, reißt die Einbruchsserie nicht ab. Im Gegenteil: Wall-Regionalmanagerin Vahldieck spricht von einer steigenden Tendenz. Nun seien die Maßnahmen verstärkt worden, sagt Polizeisprecherin Dierschke. Die Funkwagen auf Streife achteten mehr auf die City-Toiletten, es würden verdeckte Ermittlungen stattfinden. Die Spurentechnik werte intensiv die Spuren aus und vergleiche sie innerhalb der Dienststellen. Außerdem hoffe man auf die Mithilfe aus der Bevölkerung, auch Zeugenvernehmungen nach Toiletten-Einbrüchen hätten bereits stattgefunden.

Toiletten außer Betrieb

Bis dahin bleibt der Wall GmbH nur, die Standorte weiter mit ihrem Trupp aufzusuchen und die Toiletten schnellstmöglich wieder in Gang zu bringen. Denn neben dem Sachschaden ist eines klar: Wenn die City-Toiletten alle ständig beschädigt sind, kann sie auch keiner nutzen. Oder genauer: keine. Denn die Pissoirs bleiben offen und unbeschädigt. Die Toiletten, die Frauen nur nutzen können, wenn sie 50 Cent zahlen, bleiben jetzt oft verschlossen. Und für Menschen im Rollstuhl sind die Bezahltoiletten die einzige barrierefreie Option im öffentlichen Raum.

Sendung: rbb Abendschau, 23.02.2022, 19:30 Uhr

Beitrag von Rainer Unruh, Jenny Barke

53 Kommentare

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  1. 53.

    Ihre Aussage ist leider auch nicht korrekt. Zwar muss jeder ein Konto besitzen dürfen, dies ist jedoch nicht automatisch mit einer zahlungsfunktionsfähigen Karte verbunden. Es gibt auch reine Service-Karten, die ausschließlich an Automaten der Bank funktionieren zum Abheben von Bargeld und für Kontoauszüge. Diese sind für den Zahlungsverkehr nicht nutzbar. Mit Kartenzahlung oder Nutzung nur über Handy-Mehrwertdienste (SMS) oder ähnlichen bargeldlosen Methoden würden wir Menschen von der Nutzung der Toiletten ausschließen. Das kann unter Umständen auch Touristen treffen, die die falsche Karte oder den falschen Mobilfunkprovider haben. Bargeld ist nun mal immer noch am verlässlichsten.

  2. 51.

    Lückebuck, sie haben Recht. Tut mir leid. Vandalentum ist leider überall stark verbreitet. Nicht nur unter Berlinern. Über öffentlich oder nicht öffentlich lässt sich sicher diskutieren. Gruss

  3. 50.

    Ich würde auch meine Karte dafür zur Verfügung stellen.

  4. 48.

    Ist das jetzt ironisch gemeint? Sie können nicht ernsthaft eine Kartenhürde davor aufbauen. Es gibt genug Leute, die keine "Karte" entweder dauerhaft oder eben zufällig zu dem Zeitpunkt nicht dabei haben.

  5. 46.

    Wäre ich auch dafür.
    Aber wer sich vor Google-Kamerawagen fürchtet, will vermutlich nicht, dass sein Harndrang und Stuhlgang durchs Internet geistern.
    Doch wie gesagt: Da Nicht-Paranoiker wäre ich durchaus auch lieber Karten... äh... zahler.

  6. 45.

    Warum beleidigen SIE die Berliner, indem Sie die Vandalen speziell unter diesen verorten?
    Könnten es nicht auch andere Vandalen sein?
    Und eine Gebühr ändert nichts an der Öffentlichkeit (allenfalls die Tatsache, dass eine Sache nicht staatlich unterhalten wird) - sie muss nur angemessen sein.
    Etwas konkreter: Lesen Sie mal in der Wikipedia unter "Bedürfnisanstalt" den letzten Absatz des Abschnitts "Sonstiges".
    Und was die Reinigung betrifft: Da werden Sie in ganz Berlin vermutlich keine zehn Leute finden, die das machen würden (zumindest was das von mir bereits genannte Beispiel betrifft).

  7. 44.

    Das ist die einfachste Lösung, wir bezahlen mit Karte, die haben wir doch immer dabei...

  8. 43.

    Meinen Sie mit ‚ arm‘ arm an Geld oder arm an Geist? Wenn die Toiletten dafür sauber sind, muss und will ich dafür zahlen

  9. 42.

    Warum beleidigen sie die Neandertaler? Die hatten ein funktionierendes Hirn. Die berliner Vandalen, die auch ihren Müll überall entsorgen, wohl eher nicht.
    Öffentliche Toiletten sind gegen Bezahlung nicht öffentlich, also Bezahlung abschaffen und trotzdem reinigen.

  10. 41.

    Sie sagen es:
    Es gibt diese OPTION.
    Bargeldzahlungen abzuschaffen wäre übertrieben. Aber ein Bezahlung per Karte und App sollte zusätzlich immer möglich sein.
    Sogar an Supermarktkassen kann man (auch aus hygienischen Gründen) kontaktlos bezahlen.
    Wäre es nicht naheliegend, das auch bei öffentlichen Bedürfnisanstalten so zu handhaben (falls noch nicht der Fall; ich war schon lange in keiner mehr)?
    Es geht mir schon lange auf den Senkel, dass auch rechtschaffene Menschen Einschränkungen hinnehmen müssen, weil nicht jeder etwas von Gesetz und Ordnung hält.
    In EInkaufspassagen gibt es kaum noch Sitzgelegenheiten, Papierkörbe werden abgehängt, Gebüsche beseitigt, allerorten hängen Überwachungskameras (z. B. wegen des Sperrmülls) und sogar die Müllcontainer auf dem Hof werden abgeschlossen oder weggesperrt.
    Und nun auch kein Bargeld mehr?




  11. 40.

    Leider keine gute Idee.
    In der Karl-Marx-Straße gibt es ein antikes "Cafe Achteck", in dem Besucher seit Jahren nicht nur das KLEINE Geschäft an den inneren Wänden verrichten.
    Ich werde es sicher nie wieder aufsuchen.
    Wenn also Eintrittsgeld eventuell bedeutet "Neandertaler draußen bleiben!", ist mir das die Sache zur Not(durft) wert.

  12. 39.

    Geht aus Datenschutzgründen nicht. Genauso wie keine Kameras installiert werden dürfen, weil sich daraus intime persönliche Details ableiten lassen.

  13. 38.

    Man muss doch nur mal mit offenen Augen durch die Stadt gehen. Dann kann man doch sehen wie alles immer mehr Verwahrlost. Immer mehr Obdachlose und Drogensüchtige. Die müssen ihren Stoff ja irgendwie finanzieren. Dazu noch noch unsere Zugereisten Ohne Jobs und Perspektiven. Die Polizei kommt nicht mehr hinterher. Armes Berlin. Wat is aus dir jeworden.

  14. 36.

    Und wer kommt für die Kosten des stillen Örtchen auf? Wieder mal der Steuerzahler als Kuh die dauernd gemolken wird?

    Irgendwann baut Wall die Klos ab und dann ist das Gejammer auch groß.

    Mal ehrlich, lieber etwas zahlen und dafür ein sauberes Klo haben....

  15. 35.

    In meiner Welt sollte das Klo für alle kostenlos sein. Weil jeder mal muss.

    Reinald Grebe wollte mal gegen sanifair klagen, die Bezahltoiletten an Autobahnraststätten betreiben. Hat aber wohl nicht funktioniert.
    Das hat aber auch Tradition: Der römische Kaiser Vespasian erfand das kostenpflichtige Klo und den Spruch "pecunia non olet" - Geld stinkt nicht.

  16. 34.

    Da zeigt sich was für ein Irrsinn der Betrieb von Bezahl-Toiletten ist. Warum nicht kostenfreie Toiletten für alle? Es gibt Länder, die die Ermöglichung des Toilettenganges als Menschenrecht verstanden wird. (Zugängliche) Toiletten sind in den meisten Städten und Orten Deutschlands Mangelware.

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