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Audio: Trockenheit im Wald - was tun? | Inforadio | 20.08.2022 | Elena Deutscher | Quelle: dpa/Monika Skolimowska

Klimakrise in Brandenburg

Warum ein privater Waldbesitzer beim Umbau zum Mischwald kaum vorankommt

Brandenburgs Kiefer-Monokulturen sollen zu Mischwäldern werden. Das soll sie widerstandsfähiger gegen die Folgen des Klimawandels machen. Allerdings sind große Teile der Brandenburger Wälder in privater Hand - und da stockt der Umbau gerade. Von Alexander Goligowski

Es knackst und knistert unter den Füßen von Axel Bellin im Wald bei Trechwitz (Potsdam-Mittelmark). Doch es sind nicht etwa nur die kleinen dünnen Äste, die unter dem Gewicht des Waldbesitzers bersten. Das Moos ist ausgetrocknet – zerbricht in Schollen, zerfällt zu Staub. "Man hat ein schlechtes Gefühl, auch ein schlechtes Gewissen. Wie lange kann das hier noch so weitergehen", fragt sich der 49-Jährige.

Waldbesitzer Axel Bellin | Quelle: rbb

Etwa 100 Hektar Wald gehören ihm, fast ausschließlich Kiefernmonokultur. Sein Wald ist trocken, und auch ohne Brand sind die Schäden für Axel Bellin gewaltig. Etwa die Hälfte des jüngeren Baumbestandes (40 Jahre) ist abgängig. So heißt das im Forst-Deutsch, wenn Bäume sterben. Der Trockenheit haben die Kiefern nichts entgegenzusetzen.

Ein schlechtes Gewissen plagt Axel Bellin, weil er eigentlich weiß, was zu tun ist. Mit dem Umbau seines Waldes hin zu einen Mischwald, wollte er schon viel weiter sein. "Kein Geld und es wird immer teurer", erklärt er. Die Verzweiflung steht ihm ins Gesicht geschrieben.

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Fördermittel kommen nicht rechtzeitig

2016 hat Bellin den letzten Hektar aus eigenen Mitteln umgebaut. Insgesamt waren es etwa acht Hektar. Die jungen teils zwei Meter hohen Birken, Pappeln und auch Kiefern auf der Fläche sind saftig grün. Der Boden dort hat wenigsten eine Restfeuchte.

Seit sechs Jahren aber herrscht Umbau-Stillstand im Wald von Axel Bellin. Zwar könnte er Fördermittel für den Waldumbau nutzen, aber um an die Fördertöpfe des Landes zu kommen, fehlt ihm trotzdem das Geld. Das liege an den Förderrichtlinien des Ministeriums für Landwirtschaft, Umwelt und Klimaschutz, sagt Bellin: "Wir Privaten müssen alles vorschießen. Erst wenn die Maßnahmen umgesetzt sind, kontrolliert der zuständige Förster - und erst wenn wirklich alles korrekt war, bekomme ich meine Investition erstattet."

Am Ende bleibt vielleicht nur Verkauf

Bei 8.000 Euro, die ein Hektar Waldumbau aktuell kostet, ist das für Bellin nicht zu stemmen - und wohl auch nicht für den Großteil der rund 95.000 privaten Waldbesitzer in Brandenburg. Axel Bellin fordert, zu den alten Förderrichtlinien zurückzukehren, die bis 2009 galten: Umbau beantragen, Fördermittel erhalten, umbauen und dann Kontrolle. "Anders haben wir privaten Waldbesitzer keine Chance, den Wald fürs Klima fit zu machen. Ich kann das Geld jedenfalls nicht vorschießen", sagt Axel Bellin. Schlimmstenfalls bliebe ihm noch der Verkauf des Waldes an Investoren mit dem nötigen "Kleingeld".

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Aber gerade das will der gebürtige Trechwitzer und Ur-Brandenburger nicht. 2004 hatte Bellin den Wald gekauft, um ausländischen Investoren zuvorzukommen. Ihm geht es nicht um Profit, sagt er. Der Wald sollte einfach in der Hand Einheimischer bleiben. Diese Haltung vertritt er auch weiterhin.

Der Wald kostet laufend

Seit dem Kauf fallen für Axel Bellin allerdings auch Kosten an, die paradox erscheinen. 1.000 Euro muss er jährlich für die Pflege von Entwässerungsgräben an den Wasser- und Bodenverband entrichten – für Entwässerungsgräben, die nach seiner Aussage vor allem der Landwirtschaft dienen. "Ich zahle also dafür, dass meinem Wald das Wasser abgegraben wird. Das verstehe ich nicht."

Auch die Berufsgenossenschaft schlägt mit etwa 1.000 Euro etwa zu Buche, denn Bellin hat einen Forstbetrieb im Nebenerwerb, da muss er auch in die Berufsgenossenschaft einzahlen. Und dieses Geld muss der Wald dann irgendwie erwirtschaften.

Obwohl es ihm eigentlich widerstrebt, schickt Axel Bellin also einmal im Jahr die Harvester in den Wald und lässt so viel Holz ernten, wie er braucht, um die Kosten zu decken. Aber jeder Eingriff der schweren Maschinen zerstört wieder Boden und verletzt das sensible Ökosystem Wald. Am liebsten würde Axel Bellin ganz darauf verzichten, sagt er.

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Junge Bäume müssen geschützt werden

Zumindest würde er das erwirtschaftete Geld lieber in die Erneuerung seines Waldes stecken. Zum Beispiel in den Schutz der kleinen, zarten Eichenpflanzen vor dem Verbiss von Rehen und Hirschen. Denn die hätten ohne einen Zaun kaum eine Chance, groß zu werden. Zäune aber sind teuer und weil Axel Bellin ein Eigenjagdgebiet hat, bekommt er dafür keinen Zuschuss. Denn die Förderrichtlinien sehen vor: Wer einen Wald besitzt, der mindestens 100 Hektar groß ist und außerdem über einen Jagdschein verfügt, muss seinen Wald selbst schützen. Oder ihn als Jagdgebiet an jemand verpachten, der den Job für ihn macht.

Durch Jagd wäre Waldumbau in der Tat auch ohne Zaun möglich – und deutlich kostengünstiger, sagt Martin Schmitt, Referent an der Waldbauernschule Brandenburg und Stadtförster von Beelitz. Die intensive Jagd sei das beste Mittel, um die jungen Triebe im Wald vor Verbiss zu schützen.

Jäger schießen nicht genug

Die Jägerschaft sei da derzeit leider keine große Hilfe, meint Schmidt. Viele Jägerinnen und Jäger zeigten erstaunlich wenig Interesse für das Ökosystem Wald und dessen Erhaltung. "Für viele Jäger ist Jagd wie Golfspielen. Es ist ein Hobby und dementsprechend ist der Wald für sie eine Kulisse." Das Wild im Wald müsse aber deutlich reduziert werden, sagt Martin Schmitt und vertritt damit auch die Haltung des brandenburgischen Umweltministeriums.

Zukünftig sollen es auch kleine private Waldbesitzer leichter haben, zu jagen oder Jagd zu beauftragen. Das geht aus dem Entwurf für ein neues Waldgesetz hervor. Dagegen wehren sich die Jagdverbände mit Händen und Füßen.

Sie fürchten eine Parzellierung der derzeit größeren Jagdgebiete - und das könnte auch dazu führen, dass Jagdgenossenschaften aufgelöst und langjährige Jagdpachten gekündigt werden. Bei den Jägern stößt der Gesetzentwurf deshalb überwiegend auf Ablehnung. Außerdem - so die Vermutung - garantiert eine hohe Wilddichte eben auch einen raschen Jagderfolg. Und wenn es weniger Wild gibt, wird die Jagd mühsamer.

Neues Waldgesetz löst nicht alle Probleme

Ob ein neues Waldgesetz Axel Bellin beim Waldumbau weiterbringt, ist also fraglich. Denn einen Jäger zu finden, der ausreichend schießt, dürfte schwer werden: Ist die Wildzahl erst einmal reduziert, verliert auch das Jagdgebiet an Attraktivität. Und das Gebiet selbst intensiv zu bejagen – dafür fehlt dem Forstwirt im Nebenerwerb schlicht die Zeit.

Axel Bellin steckt also gerade in einem Dilemma. Denn weiterhin trockene Bäume zu fällen, ohne sie ersetzen zu können, ist für ihn auf Dauer keine Option.

Sendung: Brandneburg Aktuell, 10.08.2022, 19:30 Uhr

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Beitrag von Alexander Goligowski

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