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Video: rbb|24 | 21.12.2022 | Autor: Philip Barnstorf & Stefan Oberwalleney | Quelle: dpa/A.Riedl

Drogen und Süßstoff in Seen und Flüssen

Was das Abwasser über die Konsumgewohnheiten der Berliner verrät

Medikamente und Partydrogen: Vieles davon lässt sich im Abwasser noch nachweisen. Was erzählt also das Berliner Abwasser über das Leben der Hauptstädter? Und welche Probleme entstehen daraus? Von Philip Barnstorf

Dippen auf der Tanzfläche oder Einwerfen auf der Toilette. Für viele Clubgänger in Berlin gehören chemische Drogen wie MDMA zum Party-Wochenende dazu. Da überrascht es nicht, dass laut einer Untersuchung des European Monitoring Centre for Drugs and Drug Addiction (emcda) immer montags besonders viele MDMA-Rückstände im Abwasser nachgewiesen werden können. 2018 waren es in Berlin fast 86 Milligramm pro tausend Einwohner. Freitags flossen dagegen nur gut 30 Milligramm in die Klärwerke der Hauptstadt.

Die emcda-Studie zeigt auch, dass sich die MDMA-Rückstände im Abwasser zwischen 2014 und 2018 in etwa verdoppelt haben. 2018 lag Berlin damit unter den mehr als 70 untersuchten europäischen Städten an vierter Stelle hinter Amsterdam, Utrecht und Zürich. Weil die Clubs während der Corona-Pandemie schließen mussten, dürfte der MDMA-Konsum danach zurückgegangen sein. Jedoch gibt es aus Berlin zu dieser Zeit keine Zahlen in der Studie.

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Mikrobakterien zersetzen Drogen

Aber während zu viele Drogen fürs Partyvolk gefährlich sind, werden die Kläranlagen der Berliner Wasserbetriebe (bwb) mit den Rauschmitteln locker fertig. Sechs solcher Anlagen reinigen das Wasser der Hauptstadt. Den Hauptteil der Arbeit übernehmen dabei Mikrobakterien, die viele Rückstände einfach zersetzen.

"So können auch Partydrogen meist gut abgebaut werden. Deswegen untersuchen wir das Abwasser nicht regelmäßig auf Drogenrückstände", sagt Frederik Zietschmann, Vize-Laborchef bei den Berliner Wasserbetrieben.

Light-Produkte oft nur schwer abbaubar

Die meisten organischen Stoffe, wie etwa Laub, das in den Gulli gespült wird, oder verdautes Essen, können die Bakterien problemlos abbauen. Aber manche Nahrungsmittelrückstände bereiten dennoch Probleme, nämlich die von sogenannten Light-Produkten.

Der süße Geschmack etwa von Cola Zero entsteht nicht durch Zucker sondern durch den künstlichen Süßstoff Acesulfan. Der ist besonders stabil. Daher können die Klärwerksbakterien ihn nur schwer abbauen, sodass der Stoff zusammen mit dem ansonsten gereinigten Wasser in Berliner Flüssen und Seen landet. Hier sind die Konzentrationen zwar noch sehr gering, aber: "Wir wissen nicht, wie der Stoff wirkt, was er etwa mit Tieren macht. Daher gilt ein Minimierungsgebot", sagt bwb-Sprecher Stefan Natz.

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"Verweiblichung männlicher Fische"

Auch mit manchen Medikament-Rückständen werden die Klärwerksbakterien nur schwer fertig. Zum Beispiel Diclofenac. Das tragen sich etwa Sportler als Schmerzgel auf die Haut auf. Beim Duschen landen Teile dann im Abwasser. Auch das Epilepsie-Medikament Carbamazepin oder Blutdrucksenker mit dem Wirkstoff Candesartan können nur schwer rausgefiltert werden und landen am Ende häufig in der Natur.

"Medikamentrückstände können zur Verweiblichung männlicher Fische führen. Auch Wasserflöhe und -schnecken können leiden", erklärt bwb-Abwasserforscher Frederik Zietzschmann. Wissenschaftler wie Thorsten Reemtsma, Professor am Helmholtz Zentrum für Umweltforschung, rechnen damit, dass sich dieses Problem deutschlandweit verschärfen könnte, weil die Deutschen im Schnitt älter werden und mehr Medikamente brauchen.

"Alle gesetzlichen Grenzwerte werden weit unterschritten"

In Berlin ist das Durchschnittsalter dagegen in den letzten zehn Jahren leicht gefallen. Auch die Abwasserreinigung funktioniert insgesamt gut: Die sechs Klärwerke holen in mehreren Reinigungsstufen die meisten unerwünschten Stoffe raus. Anschließend wird das geklärte Wasser in Flüsse und Seen geleitet.

Aus dem Klärwerk Münchehofe bei Hoppegarten, kurz hinter der Stadtgrenze im Brandenburger Landkreis Märkisch-Oderland, etwa fließt es in die Erpe und von dort weiter in die Spree. Dort mischt es sich mit frischem Wasser. Durch die Sonnenstrahlen werden weitere Rückstände abgebaut. In einem jahrelangen Prozess versickert das Wasser dann im Boden, wobei abermals Abwasser-Überbleibsel rausfiltriert werden. Dadurch können die Berliner Wasserbetriebe an anderer Stelle dann das Wasser wieder aus dem Boden pumpen und zu Trinkwasser weiterverarbeiten. "Was wir im Trinkwasser an Medikamentrückständen finden, ist verschwindend gering. Alle gesetzlichen Grenzwerte werden weit unterschritten", sagt Frederik Zietzschmann.

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Berliner Wasserkreislauf in Gefahr?

Derzeit funktioniert also der Kreislauf. Aber gerade in Berlin könnte sich das ändern: In der Hauptstadtregion regnet es im bundesweiten Vergleich wenig. Gleichzeitig fließen durch Spree und Havel gerade mal durchschnittlich 50 Kubikmeter Frischwasser pro Sekunde in die Stadt. Im Sommer sind es oft noch weniger. Zum Vergleich: Durch den Rhein fließen sekündlich rund 3.000 Kubikmeter. Die Stadt ist daher besonders stark auf ihre Wasserreinigung angewiesen. Der Kreislauf verzeiht nur wenige Fehler.

Weil gleichzeitig die Sommer trockener werden und mehr Menschen in die Stadt ziehen, sieht Frederik Zietzschmann "großen Planungsdruck". Er fordert Konsumenten auf, etwa nicht benutzte Medikamente an Apotheken zurückzugeben anstatt sie im Klo runterspülen. Außerdem sollten der Industrie engere Grenzen gesetzt werden. Schließlich sollte mehr Regenwasser in der Region gehalten werden, anstatt es direkt in Flüsse und von dort weiter in die Meere zu leiten.

Sendung: rbb24 Inforadio, 27.12.2022, 15:00 Uhr

Beitrag von Philip Barnstorf

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