Wassertourismus im Oderland - Kanu-Verleiher und Naturschützer streiten um Paddel-Route durch Biosphärenreservat

Mo 08.04.24 | 14:23 Uhr
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Mit dem Kanu paddeln auf Landgraben und Alter Oder bei Bad Freienwalde und dem Biosphärenreservat Schorfheide-Chorin
Video: rbb24 Brandenburg aktuell | 08.04.2024 | Philipp Gerstner | Bild: rbb

Der Wassertourismus in der Region Bad Freienwalde würde sich gern breiter aufstellen. Zur Hauptsaison endet eine begehrte Paddelstrecke an den Grenzen des Naturschutzes. Jetzt soll eine Alternative her, die bislang aber im Schlamm stecken bleibt.

Karsten Förster ist Kanu-Verleiher aus Oderberg. Er bietet in der Region Barnim und Märkisch-Oderland geführte Paddel-Touren an. Einige davon beginnen am Hafen in Bad Freienwalde und führen über den sogenannten Landgraben. Für Förster ist die Stadt mit ihrem Anschluss an den Bahnverkehr ein idealer Startpunkt. "Man könnte zum Beispiel am Wochenende hier in Bad Freienwalde mit dem Zug ankommen und starten", sagt Förster. "Wir bringen die Boote und die Leute können zwei oder drei Tage paddeln. In Eberswalde kurz vor dem Bahnhof könnte man die Boote dann wieder einfangen."

Der Landgraben ist das einzige Gewässer, das die Stadt an die Wasserwege des Nieder-Oderbruchs anschließt. Theoretisch ließe sich dem Verleiher zufolge von Bad Freienwalde aus sogar bis zur Ostsee durchpaddeln.

Touren enden am Biosphärenreservat

Aber in drei Monaten im Jahr geht das nicht. Zwischen April und Juni ist nach circa drei Kilometern auf dem Wasser Schluss. Denn westlich der Stadt beginnen das UNESCO Biosphärenreservat Schorfheide-Chorin und ein EU-Vogelschutzgebiet. Um die Vögel während der Brut nicht zu stören, ist der Landgraben bis zur Mündung an die "Wriezener Alte Oder" gesperrt.

Kanu-Verleiher Karsten Förster zeigt dafür wenig Verständnis. "Es ist Frühling und die Natur ist in dieser Zeit am schönsten. Wir haben hier ein Paddelrevier, welches relativ konfliktfrei ist. Wir müssen den Leuten zeigen, was wir schützen wollen."

Karte mit gesperrter Strecke auf dem Landgraben Bad FreienwaldeWeiterfahrt auf Landgraben endet an der Grenze zum Biosphärenreservat

Umweltschützer: Vögel brauchen Ruhe zur Brut

In der Verwaltung des Biosphärenreservats sieht man das etwas anders. Zwar sind Reservats-Leiter Martin Flade und sein Team Befürworter des Naturtourismus. Allerdings möchten sie alle äußeren Einflüsse verhindern, die die Vögel während der Brutzeit stören könnten. "Selbst Paddler, die sich absolut vorbildlich verhalten und ganz still und vorsichtig sind, sind trotzdem während der Brutzeit eine Störung für die Röhricht bewohnenden Vogelarten. Dazu zählen die Rohrdommel oder die Rohrweihe."

Es sei schon ein großes Entgegenkommen, dass Paddler überhaupt außerhalb der Brutzeiten durch das Vogelschutzgebiet fahren dürfen. Um die Anzahl der Boote zu kontrollieren, vergibt der Landkreis eine begrenzte Anzahl an Vignetten. Nicht jeder Tourist darf einfach in ein Kanu steigen und lospaddeln. Auf dem Landgraben sind nur geführte Touren erlaubt, für die die Tourleiter an einer Naturschutz-Schulung teilnehmen müssen.

Alter Oder-Arm könnte ertüchtigt werden

Ein Kompromiss zwischen Touristikern und Naturschützern ist aber möglicherweise in Sicht. Das Biosphärenreservat plant die Wiedervernässung von Mooren. Dadurch könnte auch ein Altarm - der "Bauerngraben" - als Verbindung entschlammt und fahrtüchtig gemacht werden. Dieser zweigt nordwestlich von Bad Freienwalde vom Landgraben auf kurzem Weg direkt zur Wriezener Alten Oder ab. Ob das Vorhaben realistisch ist, soll nun eine Machbarkeitsstudie des Biosphärenreservats zeigen. "Was am Bauerngraben oder an den Kanälen zu machen ist, ist nicht so viel", sagt Flade. "Der kritische Teil ist der Übergang zur Alten Oder, weil die Lagen der Wasserspiegel unterschiedlich sind.“ Der Bau einer Schleuse sei allerdings zu teuer und zu aufwendig, so Flade. Denkbar sei dort eine Überführung der Bote auf einer Art Schiene.

Karte Bad Freienwalde.(Quelle:rbb)
Karte mit Alternativroute | Bild: rbb

Drei Jahre Wartezeit für Gutachten

Für Boot-Führer Karsten Förster wäre das aber keine Alternative. "Ich habe mir einen Kanu-Verleih gebaut und möchte den Leuten meine Philosophie übergeben: draußen sein und über die Natur sprechen. Wenn ich aber in so einem künstlichen Graben fahren soll und andere bestimmen, wie eine gute Kanu-Tour aussieht, dann schränke ich mein Kanu-Fahren ein, weil ich dann nicht mehr nach Bad Freienwalde fahren will."

Zeitnah wird sich an der derzeitigen Situation aber so schnell nichts ändern. Denn bis das Ergebnis der Machbarkeitsstudie vorliegt, könnten bis zu drei Jahre vergehen. Bis dato hat der Naturschutz im Frühjahr auch weiterhin Vorrang vor dem Tourismus.

Sendung: Antenne Brandenburg. 08.04.2024, 14:10 Uhr

Mit Material von Philipp Gerstner

22 Kommentare

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  1. 22.

    Wie weit weg muss man als Mensch von der Realität leben, um wahrzunehmen, was um sich herum geschieht und wie die Natur die Tierwelt leidet?

    Aus welcher Zeitepoche kommen Sie?

    Vielleicht war früher die Tierwelt und die Natur in Ordnung aber das ist sie bei weitem nicht mehr.
    Bildung hilft, sich informieren auch…

    Man kann NICHT leise paddeln, denn alleine, dass Sie in der Nähe sind, stört bereits diese empfindsamen Wesen und wozu das Ganze?
    Um auch noch dort zu gaffen…

    Der Mensch hat genug Raul für sich beansprucht.

    Ich habe einmal selbst mit einem Fährmann gesprochen.
    Die sind im Spreewald überhaupt nicht von den ganzen Neumodernen Zeugs namens Paddler begeistert.

    Mag es auch verantwortungsbewusste Paddler geben, sie stören, weil sie sich nicht vorsehen, weil sie die Dinge um sich herum nicht achten und deshalb gehört diesem Projekt auch nicht statt gegeben.

  2. 21.

    Sehe ich genauso.

    Der Mensch greift schon genug in die Natur ein und zerstört Lebensräume die unwiederbringlich sind.

    Solch‘einem Kanuverleiher, wie der hier angegebene, geht es nicht darum, zu zeigen, was zu schützen gilt.
    Das ist Bullshit und wird nur als Vorwand genutzt, um Geld zu schöffeln unter dem Deckmantel, die Natur zu zeigen.

    Das ich nicht lache…

    Es geht solchen Menschen immer um Profit und nicht um anderes Leben, denn sonst würden sie diese Bedingungen nun mal einfach akzeptieren und sich mit dem Artenschutz auskennen und die Tiere schon von sich aus nicht stören wollen, weil das nämlich eine tiefe Überzeugung zum Tierschutz wäre.

    Ich hoffe, dass es dort oben Menschen gibt, die noch genug Verstand besitzen und diesem Projekt der Befahrung des Biosphärenreservats nicht nachgeben.

  3. 20.

    Der Wassertourismus muss sich an die örtlichen Gegebenheiten anpassen, nicht umgekehrt. Die Brutzeit ist nunmal wichtiger für den Erhalt der Vogelarten, als den Paddlern zu zeigen, was es zu schützen gilt. Das kann man durchaus auch nach der Brutzeit. Sonst gibt es an der Stelle irgendwann nichts mehr zu zeigen.
    Klar, dass das einem Kanuverleiher nicht passt. Allerdings sollte dieser flexibel genug sein, sich für die drei Monate etwas anderes einfallen zu lassen.

  4. 19.

    Weil der Mensch ja auch zur Natur gehört hoffe ich, dass der Streit um das richtige Maß gut zu Ende geht, ohne dass Extremansichten sich durchsetzen.

  5. 18.

    Bleiben wir mal bitte sachlich? Das ist genau die Kompromisslosigkeit, die niemandem nützt. Vom Paddelboot zum Safari -Jeep ist wohl doch ein erheblicher Unterschied, ungeachtet von Reglementierungen. Paddler sind bereit, sich für das Naturerlebnis anzustrengen und Mühen auf sich zu nehmen. Dafür schätzen und respektieren sie das, was sie erleben. Jeeptouristen machen es sich da bedeutend leichter.

  6. 15.

    Es ist lobenswert wenn Sie sich vorbildgerecht verhalten, für 90% der anderen Wassersportlergilt das aber leider nicht.
    Ich dencke wie haben so viele Flüsse und Seen im Lande, da kann man um Naturschutzgebiete ruhig einen Bogen machen. Alles Andere ist reine Bequemlichkeit.

  7. 14.

    Ob Sie leise paddeln oder nicht, sie werden von den Tieren als Störung, weil Bedrohung, wahrgenommen. Und wenn Sie dort paddeln dürften. wären Sie bestimmt nicht der einzige Paddler. Hab selbst mal gepaddelt (R84) schönes, altes Faltboot.

  8. 13.

    Leider stimmt Ihre Einschätzung, dass es der Natur zunehmend besser gehe, nicht. Wolf und Biber sind robuste, opportunistische Arten die nicht ernsthaft bedroht sind. Um zahlreiche andere Arten, darunter viele Vögel, aber auch Reptilien und Amphibien sowie manche weitere sieht es immer schlechter aus. Diese empfindlichen und spezialisierten Arten benötigen möglichst ungestörte Rückzugräume. Da können die Wassersportler im Biosphärenreservat ihre Wünsche einmal zurückstellen.

  9. 12.

    Also früher war alles anders. Die ganzen tollen geschützten Arten. Unserer Natur geht es immer besser und besser. Und außer Piepmätze auch noch Wölfe so schön und Biber so brav. - Ist schön. Echt mal...
    Die Vignette find ich auch voll gut. Dafür würde ich sogar mehr zahlen.
    ABER
    Ich find die ganzen Verbote nicht gerechtfertigt. Ich paddel leise, mach keinen Radau, nehme meinen und anderer Leute Müll mit und laß auch keine Drohnen steigen - dafür bekomme ich mehr und mehr Befahrungsbeschränkungen und Verbote. Und ich bin nicht allein mit meinem Eindruck. Auf Autobahnen wird wegen einiger 200-Rasern die Autobahn doch auch nicht gesperrt geschweige die Geschwindigkeit auf 130 beschränkt.
    Wassersportlers Lobby ist klein.

  10. 11.

    Die Artenvielfalt ist stark bedroht und geht rapide zurück. Wenn es mal wo ein kleines Naturschutzgebiet gibt, dann wollen Sie da auch noch hin? Der steigende Wunsch nach Naturerlebnis geht wohl mit der Schrumpfung der Natur einher: überall Acker- und bewirtschaftete Forstflächen, kaum ein Flüsschen ohne Schifffahrt. Wenn Vögel, Insekten, Urwälder sterben, sterben auch wir: Tiere verbreiten Samen und bestäuben auch unsere Nahrungspflanzen. Wir brauchen dringend mehr Naturschutzflächen, dann kann man vielleicht in einigen davon auch naturnahen Tourismus dulden. So aber nicht. Hätte der Kanuverleiher halt ein anderes Geschäftsmodell aufziehen sollen, das nicht auf Kosten der Brutruhe geht. Und wo geht's weiter? Der nächste will dann ne Straße durchgebaut haben, damit seine Kunden vom Safari-Jeep aus die Natur angucken können...

  11. 10.

    Keine Ahnung in welcher Welt sie leben oder welche Brille sie tragen. Ich kann mich völlig frei bewegen.

  12. 9.

    Es reicht. Wo können wir denn noch hin? Überall sind Sperren und Verbotsschilder und nur wegen der paar Vögel? Ihr habt se doch nicht mehr alle! Laß Euch mal untersuchen!

  13. 8.

    Wir müssen nicht überall hin. Schon gar nicht dorthin, wo sich schützenswerte Lebewesen befinden. Und da die sich nicht selber schützen können, muß man das so regeln, ist doch völlig ok!?

  14. 7.

    Als unser Kinder noch klein waren, haben wir mehrere Kanutouren allein oder von Karsten organisiert gemacht. Es waren immer tolle Erlebnisse, da wir mehrfach Wildtiere beobachten konnten. Wir haben keinen Massentourismus oder unangemessenes Verhalten der Kanufahrer.innen beobachtet. Der Kanuverleih hat durch Eigeninitiative auch zum Erhalt des Freienwalder Landgrabens beigetragen. Ich bedauere die Entscheidung sehr, diese Strecke in diesen 3 Monaten nicht mehr befahren zu können. Karsten und seinen Mitarbeitern war es auch immer wichtig, auf den Erhalt unserer Natur hinzuweisen. Schade

  15. 6.

    ...ich verstehe Ihren Unmut vollkommen. Und ja, es gibt sie noch, die ganz einfachen Naturschützer. Die Gedröhns, Geschrei, Gaga und Vermüllung in Biosphärenreservaten verhindern.
    Mich schmerzt es immer zu erleben, wie Wochenend-Event-must have mit Kind und Kegel selbstverständlich in stille Natur einfallen.....

  16. 5.

    Auch ein Kanu Vermieter muss sich an die Richtlinien die für ein Vogelschutzgebiet gelten halten.Den Leuten zu zeigen was wir schützen wollen geht von außerhalb des Schutzgebietes ja auch. Und seine Philosophie kann er auch in der freien Natur erklären, aber nicht zu dieser Zeit und nicht auf dem Wasser in einem Schutzgebiet.

  17. 4.

    Die, die Sie hier so vehement beschimpfen, sind die Mitarbeitenden der Verwaltung des Biosphärenreservats Schorfheide-Chorin und weder für Schiesswütigkeit noch für Insektenvernichtung bekannt. Das Anliegen ist hingegen völlig einsichtig: die zahlreichen geschützten Vogelarten im Gebiet während der Hauptbrutzeit vor übermäßigen Störungen zu schützen.

  18. 3.

    Richtig, zumal "Wir müssen den Leuten zeigen, was wir schützen wollen." noch nie zum Schutz der Tiere in der freien Wildbahn, sondern nur zu prallen Taschen der Veranstalter führte.

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