Weihnachten gibt's Geschenke und natürlich auch alle möglichen Speisen. Zum Beispiel "Neunerlei". Zu diesem "Neunerlei" aber gehört eine Zutat, die Vorlauf in der Zubereitung braucht. Ein Potsdamer Forscher sorgte dafür, dass die Zubereitung in 10 Minuten gelingt.
24 kleine Geschichten über die großen Errungenschaften und kleinen Niederlagen der Brandenburger und Berliner in Sachen "Essen und Trinken". Alle Türchen auf einen Blick finden Sie hier.
Bis zur Bescherung sind es nur noch wenige Tage. Es geht in die heiße Phase und die große Weihnachthetzerei hat begonnen. "Besinnlich" ist vorerst aus dem Vokabular der Leute gestrichen. Überall wird geworben, nun noch flugs die letzten Geschenke zu holen. Alle haben es eilig.
Um Kraft zu tanken für diese große Hetzerei, braucht es gute Quellen der Verpflegung und darum gehört zur finalen Weihnachtseinkauferei auch der eilige Imbiss und der hurtige Snack: gebrannte Mandeln aus der Tüte, ein Stückchen Braten vom Grill auf die Hand, eine schnelle Süßigkeit hier und eine flinke Deftigkeit dort.
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Optimierung der Linse
Ein wenig zu Unrecht vergessen in diesen Zeiten des Zeitmangels und der Ernährungseffizienz sind Tempoerbse und die Tempolinse. Sie sind Produkte der ostdeutschen Lebensbeschleuigung und Effizienz. Damals allerdings ging es nicht um Selbstopimierung und Erfahrungserweiterung, sondern um eine Verbesserung des Lebens der Frau. Der Lebensentwurf der ostdeutschen Frau sah vor, dass sie nicht nur schuftete, was das Zeug hält, sondern dass sie natürlich außerdem noch ganz umfänglich den Vati betüddelte und die Kinder versorgte. Dabei sanken die Ansprüche an die Varianz und Exzellenz der Ernährung natürlich nicht. Gerichte mit langer Zubereitungszeit hatten da nur bedingt Chancen. Hülsenfrüchte aber brauchen Zeit, viel Zeit.
Ein damals noch recht junger Forscher in Potsdam, Peter Kretschmer, setzte hier an, und schenkte dem Sozialismus und der übrigen Welt in der Mitte der 1960er den Fortschritt in Form von Tempo-Hülsenfrüchten, also Bohnen, Erbsen und Linsen. 1964 erfand er mit seinen Kollegen ein Verfahren, die Hülsenfrüchte so zu behandeln, dass quasi in ihrer Festigkeit ein wenig entschärft und sofort wieder getrocknet wurden. Das Ganze machte er am Institut für Getreideverarbeitung in Bergholz-Rehbrücke (Potsdam-Mittelmark), einer Forschungsstätte, das er zusammen mit seinen Kollegen auch über die Wirren der Wende brachte. Später arbeitete dort bis zu seinem Tod vor zwei Jahren an anderen Speisenopimierungen.
Kretschmers Erfindung der Tempolinse kam vor allem Weihnachten zum Tragen, denn die Linse ist ein zentraler Bestandteil des für weite osteutsche Teile sehr wichtigen weihnachtlichen Gerichts.
Die Linse und das viele Geld
Das "Neunerlei" stammt aus dem Erzgebirge und heißt "Neunerlei", weil damit die Gesundheit (1), das kleine und das große Geld (2), die Sparsamkeit (3), der Lebensmut (4), die Potenz (5), die Fruchtbarkeit (6), das Glück (7), die Kraft (8) und natürlich die Lebensfreude (9) mit je einer Zutat bei den Speisenden gefüttert werden. Und nach dem Essen nicht nur alle satt sondern reich und glücklich sind. Neben der Linsensuppen gehören zur Menükomposition der Kartoffelkloß, die Bratwurst, die Gans, die Früchte, Nüsse, Rote Beete, Sauerkraut, Brot und Salz. Die genauen Zuweisungen der einzelnen Heilsversprechen variiert, die Zutaten selber auch, die Linse aber ist immer dabei. Sie soll dabei angeblich für das kleine Geld steh'n, das immer sprudeln soll.
Dieses Linsenglück im Neunerlei konnte dank Kretschmers Erfindergeist auch weiter problemlos und in nullkommanix zubereitet und Weihnachten präsentiert werden. "10 Minuten Kochzeit" versprach die Verpackung. Und damit war die Linse für's schnelle "Neunerlei" gesichert, und damit auch klar, dass fortan zumindest das kleine Geld sprudelte. Kleines Geld, keines Glück und noch dazu schnell - mehr braucht es Weihnachten nicht. Und wer mehr will, kauft einfach zwei Packungen noch fix vor der Bescherung.