rbb24
  1. rbb|24
  2. Panorama
Audio: Inforadio | 14.01.2021 | Peter Klinke | Quelle: dpa/Annette Riedl

rbb|24-Datenauswertung

Radverkehr hat in Berlin 2020 deutlich zugenommen

Im Jahr 2020 war auf den Radwegen in Berlin gefühlt mehr los als in den Jahren zuvor. Eine rbb|24-Datenauswertung der offiziellen Zählstellen zeigt: Es war sogar deutlich mehr los. Auch die neu eingerichteten Pop-Up-Radwege tragen dazu bei. Von Götz Gringmuth-Dallmer

Der Radverkehr in Berlin hat im Jahr 2020 im Vergleich zum Vorjahr um 22,6 Prozent zugenommen. Das zeigt eine Datenauswertung der offiziellen Radzählstellen [berlin.de], die rbb|24 vorgenommen hat. Insgesamt wurden an den 16 aktiven Zählstellen knapp 20,5 Millionen Räder gezählt. Im Vergleichsjahr 2019 waren es 16,7 Millionen.

Allerdings zeigen diese Zahlen nur einen Trend: Denn insbesondere Baustellen können zu Unschärfen in der Statistik und somit Ausreißern nach oben und unten führen. Im Jahr 2019 ließen etwa laut der zuständigen Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz große Baustellen in der Invalidenstraße und der Yorckstraße die Radverkehrszahlen stark nach unten sinken.

So wurden die Radfahrenden laut Jahresbericht 2019 [berlin.de] zum Beispiel vom 08.10.2018 - 30.10.2019 an der Zählstelle Invalidenstraße in der Nähe des Hamburger Bahnhofs Richtung Osten vorbeigeleitet und somit nicht gezählt. Auch in der Yorckstraße in Schöneberg gab es 2019 monatelange Baustellen in beide Richtungen in der Nähe der Zählstellen. Als die Baustellen an den Zählstellen weg waren, stiegen die Zahlen im Jahr 2020 wieder deutlich.

Falls Sie die folgende Grafik nicht sehen, klicken Sie bitte hier.

Mehr zum Thema

Bundesweiter Vergleich

Mobilität an Weihnachten ist in Berlin am stärksten zurückgegangen

Menschen waren insgesamt weniger mobil

Die Auswirkungen der Baumaßnahmen sind in den Zahlen dann auch deutlich zu sehen: Wurden in der Invalidenstraße 2019 noch etwa 93.000 Räder gezählt, so waren es im vergangenen Jahr fast 170.000, eine Steigerung um etwa 80 Prozent. In der Yorckstraße wurden 2019 knapp 120.000 Räder gezählt, 2020 waren es knapp 205.000 (knapp 72 Prozent mehr).

Doch auch wenn man diese beiden Radzählstellen aus der Statistik herausrechnet, hat der Radverkehr an den übrigen 14 aktiven Radzählstellen im Jahr 2020 noch immer um 14,8 Prozent im Vergleich zu 2019 zugenommen.

Für Sebastian Kraus, Mobilitätsforscher am Berliner Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change (MCC), ist die Zunahme des Radverkehrs im Jahr 2020 gegenüber 2019 umso eindrücklicher, weil durch das Social Distancing über mehrere Monate die Mobilität insgesamt stark gesunken sei. "Die Menschen waren also insgesamt weniger mobil, aber wenn sie unterwegs waren, dann viel öfter mit dem Fahrrad", so Kraus gegenüber rbb|24.

Rad-Hotspots: Jannowitzbrücke, Berliner Straße, Yorckstraße

Die folgende Grafik zeigt, wie sich der Radverkehr in absoluten Zahlen seit 2016 bei allen aktiven Zählstellen entwickelt hat. Am meisten los war, wie auch schon in den Jahren zuvor, an der Jannowitzbrücke in Mitte, gefolgt von der Berliner Straße in Pankow und der Yorckstraße in Schöneberg. Im Gegensatz zur Yorckstraße waren die Steigerungen an der Jannowitzbrücke und Berliner Straße eher moderat. Beide Zählstellen waren an den Jahren davor auch nicht von Baustellen beeinträchtigt.

Falls Sie die folgende Grafik nicht sehen, klicken Sie bitte hier.

Ein Vergleich der monatlichen Veränderung zwischen 2019 und 2020 zeigt, dass im letzten Monat vor dem Frühjahrslockdown, im Februar 2020, an den meisten Zählstellen der Radverkehr im Vergleich zum Vorjahresmonat zurückgegangen ist.

Auffällig ist, dass über fast alle Zählstellen hinweg der September der Monat mit den höchsten Zuwächsen seit März ist. Im Sommermonat August waren die Zuwächse hingegen eher niedrig oder die Zahlen gingen sogar etwas zurück. Für Mobilitätsforscher Sebastian Kraus deutet der Kontrast zwischen den beiden Monaten darauf hin, dass ein großer Teil der erfassten Zunahme durch Wege zur Arbeit entstehe. Die könnten durch die Messungen besser eingefangen werden als zum Beispiel eher kurze Wege zum Einkauf oder zur Kita. "Diese Wege verlaufen wahrscheinlich tendenziell weniger über die großen Achsen, wo die Messstellen sind", so Kraus.

Falls Sie die folgende Grafik nicht sehen, klicken Sie bitte hier.

Für die einen ein Fluch, weil Parkplätze weggefallen sind, für Radfahrer ein Segen sind die neu eingerichteten Pop-Up-Radwege in Berlin. Belastbare Daten zur Nutzung gibt es noch keine, aber eine Tendenz ist zumindest absehbar: Der App-Anbieters Strava hat die Daten seiner Nutzer ausgewertet und das Ergebnis rbb|24 zur Verfügung gestellt.

Die deutlichste Veränderung gab es demnach in der Kantstraße. Hier nahm der Radverkehr im September 2020 im Vergleich zum September 2019 um 252,7 Prozent zu, gefolgt vom Halleschen Ufer mit 115,85 Prozent und der Danziger Straße mit 103,4 Prozent. Auf der Petersburger Straße waren es knapp 88 Prozent und am Kottbusser Damm 55,6 Prozent.

Falls Sie die folgende Grafik nicht sehen, klicken Sie bitte hier.

Strava teilt aber nichts über das durchschnittliche Profil seiner Nutzer mit. Wir wissen also nicht, wie repräsentativ die Zahlen sind. Deshalb sind diese Daten auch schwer zu bewerten. Mobilitätsforscher Kraus sieht diese Zahlen dann auch eher als Trend. "Die Strava-Daten und die Messzahlen belegen aber beide, dass die Pop-Up-Radwege stark angenommen wurden. Die überdurchschnittliche Zunahme auf den Pop-Up-Radwegen zeigt, dass hier eine Lücke in der Radinfrastruktur geschlossen wurde", so Kraus gegenüber rbbI24.

Keine generelle Aussage zum Kfz-Verkehr möglich

Wie sich der Kfz-Verkehr über das ganze Jahr in Berlin entwickelt hat, darüber lässt sich ebenfalls keine allgemeine Aussage treffen. Berlin lässt die Kfz-Verkehrsstärken an verschiedenen Straßen der Stadt messen. Von vier Messstellen liegen rbb|24 Zahlen vor und die Daten zeigen, dass der Verkehr im ersten Lockdown im Frühjahr deutlich zurückging.

In Zehlendorf beispielsweise und an der Bornholmer/Wisbyser Straße pendelte er sich dann teilweise über dem Niveau des Vorjahres ein. An den beiden Messstellen Leipziger Straße und Frankfurter Allee blieben die gemessenen Verkehrsstärken teilweise deutlich unter den Werten des Vorjahres. Mitte Dezember ließ der Kfz-Verkehr dann an allen vier Messstellen deutlich nach.

Falls Sie die folgende Grafik nicht sehen, klicken Sie bitte hier.

Eine Gesamtsumme der prozentualen Veränderungen aufgrund von Corona über alle Messstellen hinweg kann die Senatverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz nicht nennen. Der Grund dafür wäre, dass immer auch zahlreiche äußere Einflüsse, etwa längerfristige Baustellen, Sperrungen oder Umleitungen, einen Einfluss auf Verkehrsströme und damit auf die Messergebnisse hätten, heißt es dazu aus der Pressestelle.

Sendung: Inforadio, 14.01.2021, 10 Uhr

Beitrag von Götz Gringmuth-Dallmer

Artikel im mobilen Angebot lesen