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Quelle: dpa/Jörg Carstensen

Merkel fordert konsequente Notbremse

Müller weist Kritik an neuen Corona-Beschlüssen zurück

Der Berliner Senat will die jüngsten Lockerungen bei den Corona-Maßnahmen nicht zurücknehmen. Nun wird Kritik aus den eigenen Reihen laut - nichts dürfe in der Debatte tabu sein, heißt es. Aus anderer Richtung wird der Ruf nach einem harten Lockdown laut.

Der Berliner Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) hat die Kritik der Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) an den gegenwärtigen Senatsbeschlüssen zum Schutz vor Corona zurückgewiesen. Es sei nicht klug, aus dem Kanzleramt heraus jetzt ein Länder-Bashing zu betreiben, sagte Müller am Montag der Tagesschau. Alle gemeinsam hätten eine große Aufgabe zu bewältigen und hätten auch schon viel gemeinsam erreicht.

Am Sonntag hatte Merkel in der Sendung "Anne Will" gesagt, sie wisse wirklich nicht, "ob Testen und Bummeln, wie es jetzt in Berlin heißt, die richtige Antwort auf das ist, was sich zurzeit abspielt." Sie kritisierte auch andere Ministerpräsidenten für deren Lockerungspläne, angesichts dratisch steigender Fallzahlen. Merkel drängte die Landesregierungen, die sogenannte Notbremse wie vereinbart zu ziehen.

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Notbremse Anfang März beschlossen

Die sogenannte Notbremse hatten Bund und Länder Anfang März beschlossen und erst am vergangenen Dienstag ausdrücklich bekräftigt. Danach müssten Lockerungen der letzten Wochen zurückgenommen werden, wenn die Inzidenz stabil mehr als 100 Neuinfektionen je 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen ausweist.

In Berlin liegt der Wert mittlerweile weit über dieser Schwelle. Dennoch setzt der Senat nicht auf diese Art "Notbremse", sondern auf einen Berliner Weg mit Doppelstrategie: Vorsichtige Lockerungen etwa in Handel und Kultur bleiben. Sie werden aber durch verschärfte Regeln vor allem beim Testen und der Maskenpflicht ergänzt.

Grüne und SPD fordern strengere Maßnahmen

Der Kurs des rot-rot-grünen Senats stößt auch in den eigenen Reihen auf Kritik. Die Beschlüsse vom Wochenende seien zwar "kluge Maßnahmen", genügten jedoch nicht, um die dritte Welle zu brechen, sagte die Spitzenkandidatin der Grünen für die Abgeordnetenhauswahl, Bettina Jarasch, am Montag.

Nötig seien ergänzende Maßnahmen: "Die möglichen Schritte liegen auf dem Tisch: die erneute Schließung einzelner Bereiche im Geschäftsleben, schärfere Kontaktbeschränkungen und die Möglichkeit einer Verlängerung der Schulferien", so Jarasch. In der Debatte über das weitere Vorgehen dürfe nichts tabu sein.

Der gesundheitspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Thomas Isenberg, forderte den Senat auf, die von Bund und Ländern für den Fall hoher Infektionszahlen vereinbarte "Notbremse" umzusetzen. "Es ist Zeit, dass der Senat endlich die Notbremse zieht, besser vorgestern als heute", erklärte er. "Nun brauchen wir eine Vollbremsung erst recht - deshalb leider auch eine Ausgangssperre." Wenn die Ministerpräsidenten der Länder hier nicht handelten, müsse der Bund einschreiten.

Epidemiologe Brockmann fordert Lockdown

Auch der Berliner Epidemiologe Dirk Brockmann hält die jüngsten Verschärfungen der Corona-Maßnahmen des Senats nach eigenen Aussagen für nicht ausreichend. "Wir müssen substantiell Kontakte reduzieren", sagte Brockmann am Montagmorgen im rbb-Inforadio. Nur das könne die Inzidenzen senken, wie Erfahrungen etwa in Portugal zeigten, so der Wissenschaftler, der an der Humboldt Universität lehrt und für das Robert Koch-Institut (RKI) arbeitet. Er plädiere für einen kurzen, dreiwöchigen harten Lockdown.

Nur mit Tests alleine werde man der Situation nicht gerecht. Es müssten mehr Maßnahmen her, um die Kontakte zu reduzieren. Brockmann verglich das Infektionsgeschehen mit einem Auto, das mit Tempo 150 auf der Autobahn fährt und nun noch einmal zur Beschleunigung ansetzt - obwohl nur 100 Stundenkilometer erlaubt sind. Man müsse nun stark auf die Bremse treten.

"Wir sind in einem rapiden Wachstum"

Es sei sinnvoll, das Home-Office-Angebot auszuweiten, da sich viele Menschen in Großraumbüros ansteckten, so Brockmann. Er begrüßte zudem die Verpflichtung von Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern, ihre Angestellten zu testen. So könne man rechtzeitig infizierte Menschen mit atypischem Verlauf erkennen. Auch die FFP2-Maskenpflicht sei eine gute Maßnahme.

Jedoch dürfe man die Dynamik der Pandemie nicht vergessen. "Wir sind in einem rapiden Wachstum", warnte Brockmann. Die Fallzahlen gingen gerade durch die Decke. Der Physiker sagte, man müsse sich jetzt gemeinschaftlich gegen das Virus stellen - und nicht darüber spekulieren, mit welchen Mitteln man sich den Schutzmaßnahmen entziehen könne.

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Strengere Auflagen für Arbeitgeber

Der Berliner Senat hatte am vergangenen Samstag beschlossen, dass die jüngsten Lockerungen bei den Corona-Maßnahmen nicht zurückgenommen werden. Angesichts steigender Infektionszahlen wurden allerdings strengere Auflagen für Arbeitgeber beschlossen. Dies sei ein wichtiger Schritt und zugleich eine Belastung für viele Unternehmen, sagte der Berliner Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD). "Aber wir können nicht immer weiter im privaten Bereich einschränken, bei Kindern, Schulen und im Einzelhandel."

Darüber hinaus wird in der Hauptstadt die Maskenpflicht verschärft. Überall, wo bislang medizinische Masken Pflicht waren - also etwa in Geschäften, Arztpraxen, in Kultureinrichtungen, im öffentlichen Nahverkehr - gilt ab Mittwoch eine FFP2-Maskenpflicht. Außerdem soll die Zahl der Corona-Tests in Berlin deutlich ausgeweitet werden.

Sendung: Inforadio, 29.03.2021, 6 Uhr

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