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Video: rbb|24 | 23.11.2021 | Material: Abendschau | Quelle: rbb

Wenige Intensivbetten frei

Intensivmediziner Weimann kann Triage in Berlin nicht ausschließen

Noch nicht einmal 100 freie Intensivbetten gibt es noch in der Millionenstadt Berlin. Jörg Weimann leitet hier eine Intensivstation und geht davon aus, dass sich die Lage weiter zuspitzen wird. Auch eine Triage sei kein Tabu mehr, betont er im rbb. Das rbb-Fernsehen sendet um 20:15 Uhr ein Spezial zur Corona-Lage in der Region.

Die Intensivstationen in Berliner Krankenhäusern steuern auf eine Überlastungslage zu. Schon jetzt sei jedes fünfte Intensivbett mit einem Covid-Patienten belegt - "also mit nur einer Krankheit", betonte der Intensivmediziner vom Berliner St. Gertraudenkrankenhaus, Jörg Weimann, am Dienstagmorgen im Inforadio des rbb.

Bereits am Montag betonte er in der Abendschau des rbb, die Lage werde sich weiter zuspitzen: "20 Prozent der Menschen in Berlin sind nicht geimpft, dabei geht es also um 750.000 Menschen. Gleichzeitig kämpfen auch die Geimpften mit Impfdurchbrüchen. Das alles wird uns so belasten, dass man eine Triage als letztes Mittel, wenn es gar nicht anders geht, unter dem Bild einer Katastrophenmedizin auch in Berlin nicht mehr ausschließen kann", warnte Weimann.

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Weimann: Schon jetzt wird medizinisch priorisiert

Laut dem Divi-Intensivregister [intensivregister.de] waren am Dienstag von den insgesamt 1.053 belegbaren Intensivbetten in Berlin nur noch 85 frei. "Wir behandeln in den Berliner Krankenhäusern derzeit 200 Covid-Patienten, wir haben kaum noch freie Betten", betonte Weimann am Dienstag im Inforadio.

In aller Regel lägen Ungeimpfte auf den Intensivstationen, "bei ungefähr 20 Prozent der Intensivpatienten gehen wir von Impfdurchbrüchen aus, dabei geht es vor allem um Ältere oder Menschen mit schweren Vorerkrankungen. Bei den Ungeimpften werden die Intensivpatienten dagegen immer jünger und wir haben immer wieder welche dabei, die keine Vorerkrankungen haben", erklärt Weimann.

Schon jetzt werde medizinisch priorisiert, nämlich bei Operationen, die verschoben werden müssten, ergänzte Weimann am Dienstagmorgen. "Eine OP wegen eines Grauen Stars hat eine geringere Notwendigkeit als eine Operation wegen Brustkrebs. Dinge, die verschoben werden können, müssen hintenanstehen", so der Intensivmediziner.

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"Booster-Debatte führt an derzeitigen Problemen vorbei"

Ein Problem sei auch in Berlin, dass die Hauptstadt 250 Intensivbetten wegen abgewanderter Fachkräfte verloren habe. "Wir haben das gegen Ende der dritten Welle vorausgesagt, wir haben die ganze Müdigkeit in den Augen unserer Beschäftigten gesehen. Ein bisschen Applaudieren auf dem Balkon, eine kleine Wertschätzung in Form eines Geldbetrags schaffen eben keine besseren Arbeitsbedingungen und nachhaltige Rekrutierung für diesen eigentlich wunderbaren Beruf", kritisierte Weimann.

Als Konsequenz forderte er, politisch aktiv zu werden und auf Maßnahmen wie Kontaktbeschränkungen zu setzen. Die aktuelle Debatte um eine allgemeine Impfpflicht und um das Boostern gehe "an unseren derzeitigen Problemen völlig vorbei. Wer sich heute infiziert, wird für uns schon in zwei Wochen zu einem Problem. Einen Impfeffekt merken wir aber erst in einigen Wochen", sagte Weimann im Inforadio.

Die Corona-Inzidenz in Berlin bleibt derweil auf hohem Niveau. Sie lag am Dienstag laut Robert Koch-Institut bei 349. Am Montag betrug der Wert 338. In ganz Deutschland liegt die Sieben-Tage-Inzidenz bei ganz knapp unter 400, in Brandenburg inzwischen bei über 600.

3.263 Menschen wurden in Berlin im Vergleich zum Vortag als nachweislich neu infiziert registriert, insgesamt sind es damit 259.446 registrierte Infektionsfälle. Fünf weitere Todesfälle wurden gemeldet. 3.784 Berliner starben seit Beginn der Pandemie an oder mit dem Virus.

Sendung: Inforadio, 23.11.2021, 6:45 Uhr

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