Hohe Auslastung in Berlin und Brandenburg - Klinikleitungen sehen "sehr ernste" Lage bei den Intensivbetten

Mo 22.11.21 | 20:18 Uhr
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Zahlreiche Infusionsgeräte sind vor dem Bett eines Covid-19-Intensivpatienten in einem Intensivbett-Zimmer zu sehen. (Quelle: dpa/Matthias Balk)
dpa/Matthias Balk
Audio: Inforadio | 22.11.2021 | Detlef Troppens | Bild: dpa/Matthias Balk

Besonders im Süden Brandenburgs schnellen die Corona-Neuinfektionen in die Höhe, erste Patienten mussten in andere Landkreise verlegt werden. Verschärft hat sich die Lage auch in Berlin, zunehmend müssen Operationen verschoben werden.

Die Versorgungslage in Brandenburger Krankenhäusern spitzt sich auch zum Wochenbeginn weiter zu. Grundsätzlich sei im Land die Situation "sehr ernst", sagte Detlef Troppens, Vorstandsvorsitzender der Landeskrankenhausgesellschaft Brandenburg e. V. (LKB), am Montag im Inforadio des rbb. "In manchen Landkreisen ist die Lage drastisch", fügte er hinzu.

Von den insgesamt 1.000 Intensivbetten in Brandenburg könnten wegen Personalknappheit "nur 720 bis 750" betrieben werden, so Troppens. Aktuell seien davon 600 belegt, darunter 370 Beatmungsplätze. "92 Intensivbetten sind mit Covid-Patienten belegt, darunter werden 73 beatmet. Die Brandenburger Intensivbetten sind also zu 83 Prozent belegt, davon sind 12 Prozent Covid-Patienten. Dazu muss man wissen, dass die Intensivkapazitäten in Brandenburg seit jeher nicht überbordend sind, und neben Corona gibt es ja auch noch das normale Krankheitsgeschehen: Schlaganfälle, Herzinfarkte, Unfälle, akute Bäuche", erklärte Troppens im Inforadio.

Verlegungen schränken Rettungseinsätze ein

Nach wie vor beobachte man in Brandenburg ein Nord-Süd-Gefälle. "Besonders akut ist die Lage im Raum Cottbus und im Landkreis Elbe-Elster, es beginnt aber auch schon in Westbrandenburg", so Troppens. Erste Patienten seien schon aus Kliniken in Südbrandenburg in andere Landkreise verlegt worden, "die Beziehungen unter Brandenburgs Krankenhäusern funktionieren so wie in den vergangenen Coronawellen auch jetzt wieder gut. Richtung Berlin wird es schwierig, und auch zwischen den benachbarten Bundesländern stottert es noch ein bisschen", so der Chef der Brandenburger Krankenhausgesellschaft.

Für die Patienten selbst seien Verlegungen natürlich "nicht so toll, und wir binden ja auch Rettungskapazitäten, denn durch die Verlegungstransporte fehlen die uns Rettungswagen in der Notfallversorgung", betont Troppens.

Auch bei der Verschiebung planbarer Operationen gebe es in Brandenburg noch ein Nord-Süd-Gefälle, erklärt er weiter. "Im Süden ist es schon so, dass die planbaren Eingriffe nicht mehr stattfinden, aber auch das sind ja nicht überflüssige Operationen. Dabei geht es um Tumoroperationen und weitere Sachen, die man schon die ganze Pandemie über vor sich herschiebt, das geht auch nicht uferlos. Mit der Verschiebung von planbaren Operationen kann man vielleicht 20 bis 30 Prozent auf den Intensivstationen freischaufeln, mehr aber auch nicht. Ein Herzinfarkt bleibt ein Herzinfarkt und ist nicht verschiebbar."

Corona-Pandemie führt zu Personalausfällen

Auch der Geschäftsführer des Klinikums Lausitz in Forst (Spree-Neiße), Hans-Ulrich Schmidt, sprach am Montagmorgen im rbb-Programm Radioeins von "besorgniserregenden Entwicklungen." Am Montag überschritt im Landkreis Spree-Neiße die Sieben-Tage-Inzidenz die 1.000er Marke, damit übersteigen nun schon drei Brandenburger Landkreise diese Schwelle (Elbe-Elster und Oberspreewald-Lausitz).

Im Forster Krankenhaus gibt es sechs Intensivbetten, von denen zwei von beatmeten Covid-Patienten belegt sind. "Im zehn Kilometer von uns entfernten Carl Thiem-Klinikum liegen zehn Corona-Patienten auf der Intensivstation, und die Infektionsdynamik scheint weiter zuzunehmen", so Schmidt. Das beobachte man auch am Klinikstandort in Potsdam. Das Infektionsgeschehen verlagere sich zunehmend von Sachsen über Südbrandenburg auch nach Mittel- und Nordbrandenburg, beobachtet er.

Auf die kommenden Wochen schaut er mit großer Sorge: "Wir werden Situationen bekommen, die wir so noch nicht kennen", meint Schmidt. Im Elbe-Elster-Kreis, wo die Sieben-Tage-Inzidenz derzeit bei 1.300 liegt, seien Kinder von 5 bis 14 Jahren "extrem infektiös, die tragen das dann in die Familien rein". Auch in seiner Klinik in Forst gebe es "enorme Ausfälle von Mitarbeitern, deren Kinder krank sind, die in Quarantäne sind und sich auch selbst infizieren, wenn gleich sie nicht krank werden, weil sie geimpft sind", fasst er zusammen.

Noch 89 freie Betten in Berlin

Unterdessen hat sich auch in Berlin die Lage in den Krankenhäusern verschärft. In Berlin gibt es derzeit nur noch 89 freie Intensivbetten. Das verlautete am Montag auf einer Konferenz der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI).

Intensivmediziner und DIVI-Mitglied Thorsten Jan-Thorsten Gräsner sagte der rbb-Abendschau, Berlin sei wie viele Großstädte stark belastet. Ziel sei es, nicht in die Situation zu kommen, dass man keine Versorgungskapazitäten mehr vor Ort habe. Mit einer gezielten strategischen Patientenverlegung könne man dafür sorgen, dass Krankenhäuser in besonders betroffenen Regionen wieder Luft bekommen. Außerdem müsse das Infektionsgeschehen deutlich reduziert werden.

Intensivmediziner für Kontaktbeschränkungen

Der Berliner Intensivmediziner Jörg Weimann sagte, zunehmend müssten planbare Operationen verschoben werden, und das voraussichtlich auf längere Zeit. Wenn die Entwicklung nicht gestoppt werde, werde das so weitergehen. Man wisse, dass ungefähr 20 Prozent der Menschen in der Stadt nicht geimpft seien. Außerdem gebe es bei Geimpften Impfdurchbrüche. Eine Triage könne man daher als letztes Mittel nicht mehr ausschließen.

Weimann hält die jetzige Impfkampagne zwar für wichtig, sie würde aber erst in einigen Wochen greifen. Viel dringlicher seien Kontaktbeschränkungen.

Sendung: Inforadio, 22.11.2021, 10:05 Uhr

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26 Kommentare

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  1. 26.

    Lies den Text doch einfach bis zum Schluss,dann weißt du auch,was sich daraus schließt. Nicht mehr und nicht weniger.

    Ich habe seit vielen Jahren auch das marode Gesundheitssystem im Blick und die Ungeimpften sind vielleicht der Tropfen,der das Fass zum Überlaufen bringt,aber garantiert nicht das eigentliche Problem.
    Was kommt dann als nächstes,wenn noch weniger Personal vorhanden ist? Nimmt man dann die ungesund Lebenden, Raucher oder sonstwen ins Visier?

  2. 25.

    Ich frage mich, warum man das 500 Betten Nofallkrankenhaus Messe Berlin abgebaut hat, obwohl das Coronageschehen nach wie vor nicht beendet war. Vorsorge kann man so ein Handeln nicht nennen.

  3. 24.

    Der Vollständigkeit halber (Sie sind ja sonst immer sehr auf die juristischen Belange bedacht)
    https://www.allrecht.de/alles-was-recht-ist/triage-was-ist-rechtlich-zulaessig/
    "Nein, ein Triage-Gesetz existiert in Deutschland nicht. Im Jahr 2020 hat die Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) jedoch Handlungsempfehlungen in Form medizinischer S1-Leitlinien zur intensivmedizinischen Therapie von Patienten mit COVID-19 sowie über die Zuteilung intensivmedizinischer Ressourcen im Kontext der COVID-19-Pandemie publiziert.
    Juristisch bindend sind diese allerdings nicht."
    Aber jetzt kommen die für Sie relevante Sätze:
    "Wahrscheinlich wird es von rechtlicher Seite zu der Lage auch keine Änderungen geben, denn das Grundgesetz verbietet der Politik gem. der in Artikel 1 festgeschriebenen Würde der Menschen in diesen Bereich einzugreifen. Dies bestätigte das Bundesverfassungsgericht im August 2020."

  4. 23.

    Ein Triage Gesetz kennen einige Länder wie z.B. Australien, Neuseeland und noch ein paar, bereits seit den 70er Jahren.

  5. 22.

    Dann ignoriere ich mal die Möglichkeit der neuerlichen Ansteckung mit Sars-CoV-2, dann kann ich ihren Kommentar so stehen lassen.
    Zum Minister: Den können sie weder wählen, noch abwählen. Wäre aber interessant, wen die Deutschen als geeignet für dieses Amt sehen würden, wenn es die direkte Wahl des Gesundheitsministers gäbe.

  6. 21.

    Ich entnehme dem Text aus Ihrem Link, dass es ja "nur" 13 Militär-Lastwagen waren anstatt viel mehr, welche die Leichen von A nach B gefahren haben. Was soll sich Ihrer Meinung nach daraus schließen? Allein die Lombardei hat über 16.000 Corona-Tote! Haben Sie auch einen vermeintlich verharmlosenden Link zu den Kühllastern in New York zur Hand?!
    Und wegen des Bettenabbaus bzw. des entsprechenden Personalmangels fragen Sie mal bei den Menschen aus der Pflege, die im Verlauf der Pandemie gekündigt haben, nach deren Beweggründen.
    Sie können es drehen und wenden, wie Sie wollen: Hätten sich die impffähigen Menschen impfen lassen, wären wir jetzt nicht in dieser Situation.

  7. 20.

    Ihre Antwort bestätigt leider meine Befürchtungen: Es wird dann also beispielsweise im schlimmsten Einzelfall der geimpfte Notfall-Patient aufgrund seiner vielleicht nicht so hohen Überlebenschancen nicht jenes Notfallbett bekommen, welches bereits durch einen impffähigen, aber dennoch ungeimpften schwererkrankten Covid-Patienten mit vielleicht gering höheren Überlebenschancen belegt wurde. Es wird bei der Triage nicht berücksichtigt, ob impffähige Menschen geimpft wurden oder nicht.

  8. 19.

    Ach ja die Lastwagen:
    https://www.br.de/kultur/wieso-das-foto-des-militaerkonvois-in-bergamo-fuer-corona-steht-100.html

  9. 18.

    " Andererseits scheint sie ja durchaus zu wirken, wenn wir in Länder schauen, in denen es eine generelle Impfpflicht gibt."

    und warum tut er sich dann schwer ??

  10. 17.

    "Von den insgesamt 1.000 Intensivbetten in Brandenburg könnten wegen Personalknappheit "nur 720 bis 750" betrieben werden, so Troppens."
    Den Satz muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen.
    Aber solange es die Sündenböcke gibt,fallen alle anderen Missstände nicht auf..

  11. 16.

    In der heutigen Abendschau wurde das Thema des Abbaus von 1000 Intensivbetten angesprochen, doch wurde dies bei der Antwort sofort ignoriert darauf einzugehen. Warum verdammt hakt man nicht energisch nach. Die Bürger wollen Antworten!!!

  12. 15.

    " dass wir mit einer zu hohen Zahl Ungeimpfter unter den Erwachsenen (insbesondere den Ü60) unter den jetzigen Bedingungen immer wieder in der kalten Jahreszeit vor dem"

    Laut Aussage des vor 2 Monaten abgewählten Gesundheitsministers werden die doch eh alle infiziert sein (Zitat: "Geimpft, genesen oder gestorben"). Wo ist das Problem?

    Für die jetzige Situation kommt die Impflichtb zu spät und bis Frühjahr ist das ganze Volk durchseucht.

  13. 14.

    In Deutschland hatten wir nie die erschreckenden Bilder von Leichen in Lastwägen und die sehr hohen Todeszahlen. Das wird leider wahrscheinlich diesen Winter anders sein. Vielleicht wird das zu mehr Impfwillige führen. Mir tut es so leid für die Menschen, die mit ein bisschen Aufregung und Nervosität auf ihre Operationen warten, und jetzt noch länger warten müssen. Man kann nur hoffen, dass es keine Katastrophe/keinen Terrorangriff gibt mit vielen Schwerverletzten...

  14. 13.

    Es wird ja auch kein neues Personal eingestellt. Das weis ich von meiner Cousine welche Leiterin einer Intensivstation ist. Die ganzen Sonderzahlungen an die Krankenhäuser von Herr Spahn sind weitgehend als Bonuszahlungen beim Management hängen geblieben. Wo ist da der Aufschrei der Medien und der Gesellschaft?

  15. 12.

    Also wenn ich mir die Zahlen der Intensivbetten Belegung so anschaue, fast überall unter 15%. Wie geht das ?
    Was sagt mir also das Tägliche Corona Murmeltier ?

  16. 11.

    Darüber müssen Sie sich keine Gedanken machen denn laut Zahlen des RKI sind die meisten auf diesen Stationen alte Menschen. Da liegen kaum junge Menschen rum.

    Das zeigen auch die Bilder der Medien wenn man da Patienten liegen sieht und man keine Gesichtsaufnahme bekommt sondern nur die Hand sehen kann. Ich frage Sie: Wie viele 20- oder 30 jährige haben Altersflecken an den Händen? Nur so eine Beobachtung von den Bildern die man in der ARD/ZDF vorgesetzt bekommt. Laut RKI liegt die Sterblichkeit bei Menschen unter 50 bei ca. 2-3%. Ab 50 steigt das dann rapide an und richtig "gut" wird es ab 65-70 wo man per se als Ungeimpfter ~20x Todesrisiko hat. Aber auch da sterben die geimpften halt. Das ist nun mal leider so, dass alte Menschen eher an Krankheiten sterben.

    Wieso man dann auf die "junge Generation der Ungeimpften" drauf haut weiss niemand! Herr Drosten, Kekule und der Leiter des RKI verdammen diese Argumentation auch öffentlich.

  17. 10.

    Es geht nicht um angebaute Bettenkapazitäten. Es geht darum, dass das Personal auf den Intensivstationen seit 18 Monaten am Limit arbeiten. Aufgrund von Kündigung und Krankheit sind auch auf den Intensivstationen viele Betten gesperrt. Man kann auch kein Personal von Normalstation auf der Intensivstation einsetzen.

  18. 9.

    "Wer erstmal in einem Inentsivbett liegt, wird ja vermutlich nicht zugunsten eines geimpften oder coronaunabhängigen Notfalls wieder rausgeschmissen, wenngleich ich das derzeit für angemessen hielte." Doch, wird die Person im Intensivbett, wenn die Überlebenschancen der Person, die das Bett stattdessen bekommen soll, höher sind. Nennt sich Triage.

  19. 8.

    Furchtbar, mir tun nur die anderen Patienten leid, denn wie viele von den 73 beatmeten Covid-Patienten sind Ungeimpfte? Ja...
    Ich kann das "Reißen wir uns alle zusammen, Weihnachten ist das Fest der NÄCHSTENLIEBE!!" -Gelaber echt nicht mehr hören! Wir HABEN uns zusammengerissen, letztes Weihnachten! Erinnert sich noch wer? Auf Familienbesuch verzichtet, keine Weihnachtsmärkte, keine Weihnachtsstimmung, Einsamkeit!
    Und wofür? Damit unsere werten Impfgegner-Mitbürger es uns ein weiteres Jahr vers***en. Prima! Wo ist
    denn bitte DEREN Nächstenliebe?? Gibts nicht, Solidarität auch nicht - meine ist damit ebenfalls dahin.
    Ihr findet mich auf dem Weihnachtsmarkt, und wenn wieder ein Lockwown kommt (Gott bewahre!) dann
    feiern wir im Geheimen privat. In meinem Umfeld sind alle geimpft, wir riskieren es. Besser als noch mal so
    ein trostloses Weihnachten wie letztes Jahr!

  20. 7.

    Mir tun diejenigen Patienten und deren Angehörige leid, die jetzt in Brandenburg z.B. einen Herzinfarkt haben und kein Intensivbett mehr bekommen oder lange Umwege in Kauf nehmen müssen. Und da die Tendenz weiter nach oben geht, werden auch Berliner solche Probleme bekommen, wenn freie Betten durch ungeimpfte Brandenburger gefüllt werden. Wer erstmal in einem Inentsivbett liegt, wird ja vermutlich nicht zugunsten eines geimpften oder coronaunabhängigen Notfalls wieder rausgeschmissen, wenngleich ich das derzeit für angemessen hielte.

    Ich werde das Heraufbeschwören dieser Situation, die wir jetzt haben und die sich wohl leider noch weiter verschärfen wird, denjenigen Menschen, die sich aus Eigensucht und Rechthaberei nicht impfen ließen, obwohl sie die Möglichkeit dazu hatten, lange nicht verzeihen können. Zum Glück habe ich niemanden in meinem direkten Umfeld, der so eigensinnig und unverantwortlich denkt und handelt.

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