Teilbesetztes Haus in Berlin - Wem gehört die Rigaer Straße 94?

Fr 04.02.22 | 15:39 Uhr
Ein Polizeibeamter steht in einem Hauseingang in der Rigaer Straße. (Bild: dpa)
Bild: dpa / Paul Zinken

Seit Jahren strengt der Eigentümer der Rigaer Straße 94 Räumungsklagen gegen die Bewohner des teilbesetzten Hauses an. Der Eigentümer, das ist eine Gesellschaft mit Sitz in Großbritannien - hinter der wiederum eine andere Firma steht.

Wer ist der Eigentümer der Rigaer Straße 94?

Im Grundbuch ist seit dem 27. August 2015 die Firma Lafone Investments Ltd. aus Großbritannien als Eigentümerin eingetragen. Die Firma hat ihren Sitz in London.

Wer steht hinter dieser Firma?

Lafone Investments Limited hat zwei Gesellschafter: Die Firma Coraline Ltd. hält 94 Prozent der Anteile an der Lafone Investments Ltd. Ein ukrainischer Gesellschafter hält die übrigen 6 Prozent der Anteile. Das geht aus dem Beschluss des Landgerichts Berlin vom 19.08.2020 vor, der dem rbb vorliegt.

Wer steht hinter der Firma Coraline Ltd.?

Hinter der Firma steht nach Recherchen des rbb ein Privatmann. Er ist der sogenannte wirtschaftlich Berechtigte. Er will anonym bleiben, da der Vorbesitzer des Hauses bedroht wurde, als er versuchte, Räumungsklagen zu erwirken.

Um was wird gestritten?

Lafone Investments Ltd. hat in mehreren Verfahren versucht, Räumungstitel für einzelne Räume in dem Haus zu erhalten. Diese sind nach Angaben des Eigentümers von Menschen besetzt, die sich weigern, Miete zu zahlen. Im Sommer 2019 wurde versucht, Räume im Erdgeschoss räumen zu lassen, die von der Kneipe "Kadterschmiede" genutzt wurden. Wie in weiteren Fällen in den Jahren davor scheiterte der Eigentümer mit seinem Antrag vorerst.

Bezweifelt das Gericht, dass Lafone Investments Ltd. die Eigentümerin der Rigaer Straße 94 ist?

Nein. Schon in der Entscheidung aus dem Jahr 2019, das Verfahren gar nicht zu einer Verhandlung nicht zuzulassen, bezeichnet das Gericht Lafone Investments als Eigentümerin des Hauses.

Woran scheiterten in der Vergangenheit einige Verfahren?

Vor Gericht wird die Lafone Investments Ltd. seit Jahren durch einen Berliner Rechtsanwalt vertreten. Dieser wurde durch Mark Robert Burton als Vertreter des Eigentümers beauftragt. In einem notariell beglaubigten Dokument wurde Burton als "Director" der Firma bezeichnet. Dieser Titel ist in etwa mit dem in Deutschland üblichen Geschäftsführer vergleichbar. Berliner Gerichte hielten diese Unterlagen jedoch für unzureichend und erkannten Burton nicht als Vertreter der Firma an. Bemängelt wurde unter anderem, dass das notariell beglaubigte Dokument nicht von einer Behörde erstellt worden war, die mit dem deutschen Handelsregister vergleichbar ist.

Indirekt wurde dadurch auch infrage gestellt, ob der Berliner Rechtsanwalt Markus Bernau befugt und bevollmächtigt ist, die Lafone Investments vor Gericht zu vertreten. Es ging also darum, dass der Eigentümer eine Reihe beglaubigter Dokumente vorlegen musste, aus denen auch nach deutschem Rechtsverständnis hervorgeht, dass der "Director" der Lafone Investments befugt ist, die Gesellschaft zu vertreten und in der Folge auch der Rechtsanwalt und der Hausverwalter handlungsbevollmächtigt sind.

Mittlerweile wurden neue Dokumente vorgelegt, die bewiesen, dass Burton die Lafone Investments Ltd. als "Director" vertritt. Außerdem hatte Burton im März 2020 eine neue Vollmacht unterzeichnet, die Bernau als vertretungsberechtigten Anwalt der Firma ausweist. Das Landgericht Berlin hat dann in einem weiteren Beschluss festgestellt, dass auch diese Dokumente nicht den Anforderungen entsprachen, um die "Bevollmächtigungskette" anzuerkennen. Es ging dabei darum, dass bestimmte Dokumente im Original vorliegen müssen. Insgesamt ging es lange um "formelle" Fragen, die sich aus dem Unterschied des britischen und deutschen Rechts ergeben. Im Februar 2021 haben sowohl das Kammergericht als auch das Verwaltungsgericht Anträgen der Lafone Investments Limited zugestimmt und die "ordnungsgemäße Bestellung" des sie vertretenden Rechtsanwalts bestätigt.

Gibt es einen Räumungstitel für Räume oder Wohnungen in der Rigaer Straße 94?

Am 7. Februar soll vor dem Landgericht Berlin über die Räumung der "Kadterschmiede" verhandelt werden. Insgesamt sind (Stand 3. Februar 2022) mehr als ein Dutzend Räumungslagen gegen Bewohnerinnen und Bewohner der "Rigaer 94" anhängig.

Kennen die Berliner Behörden den Berliner Privatmann, der der Mehrheitsgesellschafter an der Caroline Ltd. sein soll?

Eigentlich ja. Der Berliner Innensenator Geisel (SPD) hat sich bereits im September 2019 mit einem Mann getroffen, der sich ihm als Eigentümer vorgestellt hat. Geisel erklärte aber später, ihm habe der Nachweis gefehlt, dass der Mann wirklich der Eigentümer ist. Nach Aussage des Eigentümer-Anwalts hat Innensenator Geisel aber auch nicht darum gebeten, ihm weitere Dokumente zukommen zu lassen, die belegen könnten, dass der Mann, den er getroffen hat, wirklich der wirtschaftlich Berechtigte der Firma Caroline Ltd. und damit über die Firma Lafone Investments der Eigentümer der Rigaer Straße 94 ist.

Wie bewerten Berliner Behörden die Berechtigungen von Anwalt und Hausverwalter?

Inzwischen sind die Eigentums- und Vertretungsverhältnisse anerkannt. Vor den Entscheidungen von Kammergericht und Verwaltungsgericht hatte die Berliner Senatsinnenverwaltung gegenüber rbb24 Recherche darauf verwiesen, dass die Eigentumsfrage geklärt ist, der "formal-rechtliche" Eigentümer könne dem "Grundbuch entnommen werden". Dies war und ist die Lafone Investments. Zugleich wies die Senatsinnenverwaltung darauf hin, dass die handelnden Personen, also beispielsweise der "Director" und Anwalt Bernau "die Rechte der Eigentümergesellschaft vor einem deutschen Gericht" erst noch durchsetzen müssten. "Gelingt ihnen dies und erstreiten sie einen Titel, wird die Polizei natürlich erforderlichenfalls Vollzugshilfe leisten." Dies ist inzwischen erfolgt.

Das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg wiederum ging lange de facto davon aus, dass die Frage, wer im Auftrag des Eigentümers handeln darf, geklärt sei. So war Baustadtrat Florian Schmidt beim Polizeieinsatz am 9. Juli 2020 vor Ort, als der Hausverwalter mit einem Bautrupp baurechtliche Missstände beseitigte.

Bei dem Text handelt es sich um eine aktualisierte Version von August 2020.

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