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Video: rbb24 Abendschau | 13.05.2022 | Iris Völlnagel | Quelle: dpa/Paul Zinken

Streit um Neubauziele in Berlin

Risse im rot-grün-roten Fundament

20.0000 neue Wohnungen pro Jahr wollen SPD, Grüne und Linke in Berlin bauen - allerdings mit sehr unterschiedlich starkem Enthusiasmus. Vor allem die Linke zweifelt den Sinn des Neubaus an - und provoziert damit den Bausenator. Von S. Schöbel und I. Völlnagel

Wie ein Tourguide in einem dieser Berliner Sightseeing-Busse moderiert Andreas Geisel die Fahrt durch Hellersdorf. "Sie werden den einen oder anderen Blick aus dem Fenster geworfen haben", sagt der Bausenator ins Mikrofon, gerichtet an die Medienvertreter in den Sitzreihen hinter sich. Draußen vor den Fenstern liegt das Areal an der Gothaer Straße/Alte Hellersdorfer Straße, hier sind etliche Wohnungen der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft Stadt und Land fast fertig. "Ein attraktives Wohnumfeld, keine Brachen, wir entwickeln hier Quartiere", lobt Geisel.

1.000 Wohnungen in 30 Minuten will der SPD-Politiker auf seiner Busfahrt präsentieren. Die Hälfte davon wird als geförderter Wohnraum errichtet, zum Teil sind sie barrierefrei. Gleich um die Ecke befinden sich die "Zossener Höfe". Hier hat die Stadt und Land schon günstige Wohnungen geschaffen und es sollen noch weitere folgen. "Einst wurden hier Plattenbauwohnungen abgerissen, weil sie niemand mehr wollte. Jetzt wird hier wieder gebaut", sagt Ingo Malter, Geschäftsführer der Wohnungsbaugesellschaft.

Linke geht auf Konfrontationskurs

Neubau als Weg aus der Wohnungskrise: Geisel will zeigen, wie das Mantra zumindest seiner eigenen Partei in der Realität aussehen kann. Gut und günstig bauen lautet das Versprechen, für dessen Einhaltung die Berliner Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) eigens ein Bündnis mit der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft eingegangen ist. Das versuchte unter der Woche mit ersten, zarten Erfolgen zu glänzen: Zu starke Mieterhöhungen sollten "wenn möglich verhindert werden", ließ man als erstes Zwischenergebnis der Beratungen medial durchsickern, auch eine Erhöhung der Anzahl von WBS-Wohnungen und eine moderate Mietpreisbremse wurden zumindest angedeutet.

Den wohnungspolitischen Streit zwischen SPD, Grünen und Linken wird das aber kaum beruhigen. Im Gegenteil: Die Linken gingen unter der Woche erneut auf Konfrontationskurs vor allem mit den Sozialdemokraten. Ihre Fraktion im Abgeordnetenhaus stellte per Beschluss das vereinbarte Ziel von jährlich 20.000 neuen Wohnungen infrage – wenn auch etwas verklausuliert. So rief die Linksfraktion dazu auf, die Bauziele durch Neuverdichtung "fundiert zu diskutieren", warb für Freiflächen als "wertvolle Ressource für die städtische Anpassung an den Klimawandel" und mahnte zu mehr Bürgerbeteiligung bei Wohnungsbauprojekten. "Es geht darum, gewachsene städtebauliche Strukturen, Klimaschutz und die Anwohner zu respektieren", sagte der wohnungspolitische Sprecher der Linken, Niklas Schrader, der rbb24 Abendschau.

Geisel: "Dann halte ich das für verantwortlungslos"

Zwar bemühte sich die Linke nach dem Beschluss sehr, das Ganze nicht wie einen neuerlichen Streit im ohnehin hart umkämpften Feld der Wohnungspolitik aussehen zu lassen. Doch die teils wütenden Reaktionen in den Reihen der Sozialdemokraten ließen erahnen, wie blank die Nerven bereits liegen: Die Linke misstraut dem von Giffey vorangetriebenen Wohnungsbündnis mindestens so inbrünstig wie die Regierende das linke Ziel der Vergesellschaftung von Immobilienkonzernen ablehnt.

Bausenator Geisel versuchte nur bedingt, den Krach in der Koalition herunterzuspielen. Die Linken hätten dem Neubauziel im Koalitionsvertrag zugestimmt, erinnerte der den Regierungspartner. So sei zwar die Bürgerbeteiligung unstrittig, so Geisel. "Aber wenn es dazu dient, sich wegzuducken und zu sagen, wir machen Politik für die, die schon eine Wohnung haben, und die, die eine Wohnung suchen, sind uns egal, dann halte ich das für verantwortungslos."

Und als hätte das noch nicht gereicht, fügte Geisel hinzu: Möglicherweise sei die Linkspartei wegen Wahlniederlagen in der jüngeren Vergangenheit und wegen "bevorstehenden Wahlniederlagen bei Landtagswahlen nervös". Trotzdem müsse man sich in Regierungsverantwortung gegenseitig etwas gönnen können, statt sich "unter dem Tisch gegen das Schienbein zu treten".

"Bauen ist schon ein dickes Brett", sagt der SPD-Mann schließlich noch. Das gilt für den Wohnungsbau wohl genauso wie für den Umgang mit dem Koalitionspartner.

Sendung: rbb24 Abendschau, 13.05.2022, 19:30 Uhr

Beitrag von S. Schöbel, I. Völlnagel

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