Videoschalte mit falschem Klitschko - Giffey zu Deep-Fake: "Es ist ein Mittel der modernen Kriegsführung"

Sa 25.06.22 | 17:15 Uhr
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Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (Quelle: rbb)
Video: rbb|24 | 25.06.2022 | Material: rbb24 Abendschau | Bild: rbb

Eins steht fest: Mit dem echten Vitali Klitschko hat Franziska Giffey am Freitag nicht gesprochen. Die Berliner Regierende ist möglicherweise Opfer eines Deep-Fake geworden - derweil wehre sich Berlin jeden Tag gegen Hunderte Cyber-Attacken, sagt Giffey.

Nach dem Fake-Anruf eines angeblichen Vitali Klitschko will die Berliner Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) dem Deep-Fake nachgehen. Giffey habe das IT-Dienstleistungszentrum Berlin und das Cybersecurity-Operationscenter involviert, sagte sie am Samstag dem rbb. "Wir gehen dem nach. Das Landeskriminalamt ermittelt dazu auch."

Am Freitagnachmittag hatte Giffey mit einem Fake-Anrufer per Video-Schalte gesprochen, der sich als Vitali Klitschko ausgab. Das Gespräch endete vorzeitig.

Berlin wehre sich jeden Tag gegen "Hunderte Cyber-Attacken", die auch auf das Landesnetzwerk verübt werden, sagte Giffey weiter. "Es ist ein Mittel der modernen Kriegsführung", sagte sie über das Videotelefonat vom Vortag.

Gestik und Mimik stimmten mit Klitschko überein

Bei dem Gespräch sollen Gestik und Mimik mit der von Klitschko übereingestimmt haben. "Selbst Profis können nicht unterscheiden, ob sie mit einer echten Person sprechen oder eben mit einem Fake", sagte Giffey. Sie und Klitschko sind sich nach Angaben der Senatskanzlei noch nie zuvor persönlich begegnet. Ein geplantes Gespräch auf der Münchner Sicherheitskonferenz fiel aus.

Stutzig wurde Giffey bei den Fragen, die gestellt wurden. Der Gesprächspartner habe gefragt, ob Ukrainer in Berlin Sozialleistungen erschleichen, und habe gebeten, ukrainische Männer zum Kämpfen zurückzuschicken. Schließlich habe er gefragt, ob Berlin bei der Ausrichtung eines Christopher Street Day in Kiew helfen könne. "Da habe ich zu meinen Leuten gesagt: Hier stimmt was nicht." In dem Moment soll das Gespräch abgebrochen worden sein.

Angebahnt worden sei das Gespräch Anfang Juni über einen E-Mail-Verkehr über die Senatskanzlei, der sich demnach als Fake herausgestellt habe. Die ukrainische Botschaft sei eingebunden gewesen. "Das war ein ganz standardmäßiger Vorgang", sagte Giffey. Zu Beginn des Gesprächs habe das Gegenüber darum gebeten, Russisch sprechen zu können, damit seine Mitarbeiter zuhören konnten. Die Gegenseite habe einen russisch-deutschen Dolmetscher hinzugezogen.

Wahrer Klitschko hofft auf baldiges Gespräch

Der Kiewer Bürgermeister Vitali Klitschko hofft auf ein baldiges Gespräch mit Giffey. Der "Bild"-Zeitung sagte Klitschko [bild.de], nachdem er von dem Fake-Anruf erfahren hatte: "Ich hoffe, dass wir bald über meine offiziellen Kanäle telefonieren können."

Er fügte hinzu, dass seiner Ansicht nach kriminelle Energie hinter den Anfängen stecke, Es müsse dringend ermittelt werden, wer dahinter stecke. Klitschko betonte, offizielle Gespräche könne es nur über offizielle Kanäle in Kiew geben. Für Gespräche auf Deutsch oder Englisch brauche er auch nie einen Übersetzer, fügte er hinzu.

Bilder vermutlich manipuliert - angeblicher Klitschko wollte Russisch sprechen

Bilder aus der Senatskanzlei, die dem rbb vorliegen, lassen zunächst nicht erkennen, dass es sich bei Giffeys Gesprächspartner um jemand anderen als den Kiewer Bürgermeister handeln könnte. In der Senatskanzlei vermutet man deshalb, dass es sich um einen sogenannten Deepfake handeln könnte, also um Bilder, die mittels Künstlicher Intelligenz manipuliert worden sind.

Mit welchen technischen Mitteln die Täuschung genau zustande kommen konnte, ist noch unklar. Das von der Senatskanzlei veröffentlichte Foto zeigt Kiews Bürgermeister in einem Setting, das wie das eines Interviews mit einem ukrainischen Journalisten im Frühjahr aussieht. Klitschko trägt die gleiche hellbraune Jacke und im Hintergrund ist ebenfalls unter anderem die ukrainische Flagge zu sehen.

Möglicherweise wurde das Videomaterial des damaligen Interviews als Grundlage verwendet und in Echtzeit mit dem Gesprochenen und den Lippenbewegungen desjenigen zusammengeführt, der tatsächlich mit Giffey sprach. Fachleute nennen das Face Reenactment.

Zu Beginn des Gesprächs sei gefragt worden, ob es auf Russisch stattfinden und übersetzt werden könne, so Giffey auf Twitter. Es wäre nachvollziehbar, dass sie also relativ wenig auf die Stimme ihres Gesprächspartners achtete, da sie der Übersetzung folgte.

Staatsschutz ermittelt

Die Polizei wurde über den Vorfall informiert. Es sei Anzeige wegen Vorspiegelung einer falschen Identität gegen Unbekannt erstattet worden. Laut Staatskanzlei hat der Staatsschutz die Ermittlungen übernommen, über die Hintergründe sei bislang nichts bekannt.

"Es gehört leider zur Realität, dass der Krieg mit allen Mitteln geführt wird - auch im Netz, um mit digitalen Methoden das Vertrauen zu untergraben und Partner und Verbündeten der Ukraine zu diskreditieren“, sagte Giffey zu dem Vorfall.

Auch Bürgermeister von Madrid und Wien wurden Opfer des Fakes

Auch mit anderen Bürgermeistern europäischer Städte hätte der angebliche Vitali Klitschko Gespräche geführt. "Wir wissen, dass mit dem gleichen Aussehen in Madrid und Wien Gespräche geführt worden sind", sagte Giffey gegenüber dem rbb.

In Madrid wurde Bürgermeister José Luis Martinez-Almeida bei dem Videotelefonat mit dem vorgeblichen Bürgermeister Klitschko schnell misstrauisch und brach das Gespräch ab, wie der Sprecher des Bürgermeisteramtes, Daniel Bardavío Colebrook, bestätigte.

Am Mittwoch telefonierte auch der Wiener Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) mit dem angeblichen Klitschko, worüber er an dem Tag auch twitterte. Einer Journalistin des Österreichischem Rundfunks (ORF) sagte er am Samstag, der Anrufer habe auf Englisch gesprochen. Die E-Mailadressen, über die das Gespräch vorbereitet wurde, hätten vertrauenswürdig gewirkt.

Gegen Ende wäre der angebliche Klitschko dann fordernder aufgetreten. Man habe deshalb das Gespräch dann beendet, aber es sei dennoch kein Zweifel aufgekommen. Ludwig sagte dem ORF: "Nachdem in dem Gespräch keine verfänglichen Themen behandelt worden sind, ist das im konkreten Anlassfall sicher ärgerlich, aber kein großes Problem." Ihm fiel die Fälschung während des Gesprächs offenbar nicht auf.

Sendung: rbb24 Inforadio, 25.06.2022, 10:20 Uhr

27 Kommentare

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  1. 27.

    "Nach einiger Zeit wurden die Fragen des Gegenübers zunehmend merkwürdig: Die Person soll sich nach Sozialbetrug durch ukrainische Geflüchtete erkundigt haben. Anschließend sei es um die Frage gegangen, ob Berlin ukrainische Männer zum Kämpfen zurück in ihre Heimat schicke,..."
    "... merkwürdig ..."?
    Fragen, die man nicht beantworten kann oder will - egal, von wem sie gestellt werden?
    Anscheinend ist es schon "moderationswürdig", solche Fragen zu stellen.

  2. 26.

    Was meinen Sie? Wer soll denn sonst ermitteln? Aufgabe der Berliner Polizei und da der Staatsschutz.

  3. 25.

    Da Du Brandenburger bist ist das nicht Deine Sache. Es ist die Regierende Bürgermeisterin und der Berliner Staatsschutz. Also nichts, was Dich betrifft. Wenn Du keine Ahnung vom Aufbau unseres Staates hast, dann lass es lieber. Offenbar überfordert Dich der Begriff Staatsschutz. Politisch motivierte Straftaten sind immer Sache des Staatsschutzes. Der ist in diesem Fall Teil der Berliner Polizei. Keine Ahnung an was Du denkst.

  4. 24.

    Z.Bsp., seien Sie krativ. Sowas macht niemand, wenn man sich nicht an irgendeiner Stelle einen Nutzen verspricht. Ich würde aber eher bei denen suchen, die damit groß an die Presse gehen. Es kann nicht der Nutzen sein, sich selbst als unfähig darzustellen - so blöd ist kein Politiker - es muß ein anderes vielversprechendes Ziel sein.

  5. 23.

    Was schreiben sie denn da für einen Sruss? "Aha, wenn Frau Giffey telefoniert ist das ganze Land Berlin davon betroffen? "

    Ja, sie ist die Regierende von Berlin, sie repräsentiert also Berlin!

    "Eine Lokalpolitikerin fällt auf einen Telefon Joke rein und nun muss der gesamte Staatsschutz stramm stehen." Das ist für sie also ein "Telefon Joke"? Und warum "strammstehen"? Das ist deren Aufgabe.

    "Darum wird die Sache in den Medien so aufgebauscht." Wo wird etwas "aufgebauscht"?

    "Hoffentlich stellt sich nun noch raus, dass das Telefonat aus Rus kam. Dann haben die Medien über Wochen neues Futter."

    Als Futter für rechtsextreme Putintrolle taugt das allemal.

  6. 22.

    Sorry Leute, aber diese Dame und ihr gesamter Stab sind einfach nur noch peinlich!
    Der bereits mit Moos bewachsene Enkeltrick funktioniert meist besonders gut bei Leuten, die von sich selbst annehmen, die Suppe der Weisheit mit Löffeln gespeist zu haben und nicht einmal merken, dass sie zu dieser Suppe immer nur Gabeln hatten.
    Wenn das das Spitzenpersonal im Senat ist, möchte ich den Rest nie erleben müssen!.

    Beste Grüße

  7. 20.

    Aha, wenn Frau Giffey telefoniert ist das ganze Land Berlin davon betroffen? Wenn Sie da so rangehen wundert mich nichts mehr. Eine Lokalpolitikerin fällt auf einen Telefon Joke rein und nun muss der gesamte Staatsschutz stramm stehen. Darum wird die Sache in den Medien so aufgebauscht. Hat Frau Giffey bei dem Telefonat Staatsgeheimnisse ausgeplaudert? Wohl eher nicht. Hoffentlich stellt sich nun noch raus, dass das Telefonat aus Rus kam. Dann haben die Medien über Wochen neues Futter.

  8. 19.

    Es ist die Regierende des Landes Berlins betroffen. Ergo das Land Berlin. Der Staatsschutz muss ermitteln, wer dahintersteht. Das ist ein ganz normaler Vorgang. Meinen Sie, Frau G. telefonierte privat?

  9. 18.

    Welchen Sinn hat dieser Fake gemacht? Wer hat davon etwas? Außer der Demonstration, was man alles kann. Ziemlicher Aufwand und kein Ergebnis. Außer Öffentlichkeit. Bin gespannt, ob sich noch jemand outet ob der „Leistung“. Selbst in Wien wurde ja nichts erreicht.

  10. 17.

    "Deutschland geht an seinen aufgebauschten Nebensächlichkeiten zu Grunde." Da Krieg ist, wird es nicht darum gehen zu zeigen, wie naiv jemand war. Denken Sie doch strategischer, warum es so aufgebauscht werden könnte und wer daraus einen strategischen Nutzen ziehen könnte. Es soll doch sicher etwas damit bewirkt werden, wenn ein nicht gerade unbedeutender Politiker das so an die große Glocke hängt. rbb scheint das aber auch nicht weiter kritisch zu hinterfragen.

  11. 16.

    Sorry, aber ein Smart-TV sollten Sie schon mit in die Überlegungen einbeziehen. Siri und Alexa sind dagegen schon weitestgehend im Bewusstsein der meisten angekommen. Grundsätzlich gilt, wo Daten ankommen und abgerufen werden gehen auch Daten raus. Das ist keine Einbahnstraße. Sie als Kunde empfangen nicht nur, sondern senden auch. Aber hier geht es um etwas anderes. Die digitale Identifikation der Gesprächspartner. Da ist auf der „Angreiferseite“ gut gearbeitet worden. Und auf Seiten der Betroffenen Bürgermeister sind gutgläubig die Tote geöffnet worden. Die Frage ist, ob man grundsätzlich misstrauisch sein muss. Diese Gratwanderung macht jeder von uns schon beim Öffnen von Emails oder der Annahme von Unbekannten Anrufen. Da fallen täglich Menschen herein.

  12. 15.

    Haben Sie wirklich den Bericht gelesen? Erstens geht es nur um einen der Brüder. Zweitens ist es optisch hervorragend gemacht gewesen und drittens gab es eine logische Begründung für die Wahl der Sprache. Sie müssen alles im Kontext betrachten und nicht etwas herauspicken. Besonders den visuellen Eindruck vergessen Sie offenbar.

  13. 14.

    "heutzutage ist das Smartphone deine ganz persönliche Wanze" Wie ja schon bei Bundeskanzlerin Merkel! Alles schon vergessen, wer hier ganz groß beim Abhören aktiv ist.

  14. 13.

    Ob Frau Giffey nun auf einen Fake Anruf reingefallen ist oder nicht, dazu muss nun der Staatsschutz bemüht werden? Wer ist zu Schaden gekommen? Bei unerwünschten Anrufen legt man auf und gut ist. Was wird hier für eine Welle geschlagen, nur weil es eine Politikerin getroffen hat? Deutschland geht an seinen aufgebauschten Nebensächlichkeiten zu Grunde.

  15. 12.

    Früher wurden Briefe abgefangen und gelesen, später Telefongespräche mitgehört und heutzutage ist das Smartphone deine ganz persönliche Wanze, da muss man nun wirklich keine Alexa Zuhause stehen haben, um anderen das Ausspionieren zu ermöglichen. Was Deepfakes angeht: Wer hat diese Technik denn entwickelt und perfektioniert?

  16. 11.

    Tja jeder der zuhause ALEXA,Siri ..... usw. verwendet sollte bedenken er wird ausspioniert.
    Die angebliche Beteuerung das stimme nicht darauf würde ich mich nicht verlassen sonst ist man verlassen.

  17. 10.

    "Warum?"
    Schauen Sie mal in die Vita der Klitschkos.
    Die in D über viele Jahre lebenden, sehr erfolgreichen und gut integrierten Brüder fangen auf einmal an russisch(!) mit Übersetzter(!) zu sprechen.
    Da gehen alle Alarmglocken an. Alle!

  18. 9.

    Warum? Bis 2014 war Russisch die einzig offizielle Landesprache in der UKR.

  19. 8.

    Deep Fake ist nun wirklich nichts neues und jeder der bis 3 zählen kann und moderne IT Tools nutzt ist dabei. Neu und zugleich erschreckend ist, was für "Spezialisten" wir uns von unseren Steuern leisten...

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