Geplanter Gesetzentwurf - Brandenburger Innenminister will Polizeigesetz verschärfen

Fr 05.08.22 | 17:52 Uhr | Von Nico Hecht
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Eine Ermittlerin sitzt vor Monitoren mit unkenntlich gemachten Fotografien, die teilweise sexuellen Missbrauch zeigen, am Hinweistelefon im Landeskriminalamt. (Foto: Rolf Vennenbernd/dpa)
Audio: rbb24 inforadio | 05.08.2022 | Nico Hecht | Bild: Rolf Vennenbernd/dpa

Das Brandenburger Innenministerium will einen Gesetzesentwurf vorlegen für mehr Zugriffrechte bei Online-Ermittlungen. Diese sind aber seit Jahren umstritten. Auch Regierungsmitglieder halten sie für eher gefährlich. Von Nico Hecht

Der Brandenburger Innenminister Michael Stübgen (CDU) plant das Landes-Polizeigesetz zu verschärfen. Bis zum Herbst soll ein erster Entwurf dafür vorliegen. Stübgen will damit vor allem den Ermittlern im Kampf gegen Kindesmissbrauch und Kinderpornografie mehr Möglichkeiten verschaffen.

Das Innenministerium will ein umfangreiches Paket auf den Weg bringen, um die Ermittlungsbefugnisse der Polizei auszuweiten, wie Innenstaatssekretär Uwe Schüler (CDU) dem rbb sagte. Der Gesetzgeber müsse handeln - denn die Polizeistatistik zeige, dass sexuelle Gewalt an Kindern zunehme. In den vergangenen zehn Jahren habe die Polizei einen Anstieg der angezeigten Missbrauchsfällen um elf Prozent verzeichnet. Speziell Kinderpornografie-Fälle seien in der Zeit sogar um über 100 Prozent gestiegen.

Zugang zu sozialen Netzwerken

Um Kinder besser zu schützen, sollen auch Kontakt- und Näherungsverbote für potenzielle Täter ausgeweitet werden. Um Kinderpornografie-Tätern auf die Spur zu kommen, müssten aber vor allem die Befugnisse der Ermittler im digitalen Raum erweitert werden, sagt Schüler. "Ich will dabei nennen Quellen-Telekommunikationsüberwachung, Online-Durchsuchung, Wohnraumüberwachung und auch das sogenannte Quick-Freeze-Verfahren, also die Anfangsverdachts-Datenspeicherung."

Im Klartext heißt das: Polizisten sollen auch Zugang zu Accounts oder Chats in sozialen Netzwerken im Internet erhalten können. Mit der sogenannten Quellen- Telekommunikationsüberwachung können Ermittler etwa Chats auf Messenger-Diensten wie Whatsapp oder Telegram durchsuchen, obwohl die Dienste die Nachrichten eigentlich verschlüsseln.

Widerstand in Regierungskoalition

Die Ermittlungsmethode ist umstritten, zuletzt auch bei der vorigen rot-roten Regierung in Brandenburg. 2019 war die Einführung am Widerstand der Linken gescheitert. In der jetzigen Regierung dürfte das kaum leichter werden, vor allen Dingen mit der Fraktion der Grünen. Deren innenpolitische Sprecherin Marie Schäffer sagt: "Ich sehe bisher keinen Weg, der dahinführt, jedenfalls nicht bei so umstrittenen Ermittlungsmethoden".

Schäffer sieht dabei nach eigenen Angaben eher eine große Gefahr für die gesamte Gesellschaft. Denn für solche Ermittlungsmethoden müsste der Staat für Sicherheitslücken auf allen Computern und Smartphones sorgen, über welche die Geräte im Verdachtsfall gehackt und ausgespäht werden könnten. Das sei ein tiefer Eingriff in die Privatsphäre, sagte Schäffer. Aber vor allem sorge das für Sicherheitslücken auf allen Geräten von Privatpersonen, Behören und Firmen. Und es sei bereits bewiesen, dass diese Schwachstellen nicht nur dem Staat bekannt blieben.

Bei der SPD erhalten Stübgens Pläne für mehr Polizeibefugnisse nicht sofort eine Abfuhr. Die innenpolitische Sprecherin Inka Gossmann-Reetz sagt, dass gerade die letzten Pandemiejahre Handlungsbedarfe aufgezeigt hätten. Etwa beim Thema häusliche Gewalt, gegen das das Innenministerium ebenfalls einen Gesetzesentwurf erarbeitet hat. Gossmann-Reetz sagt, ihr sei es wichtig, dass dies nun keine private Angelegenheit mehr sein solle, sondern eine Frage der inneren Sicherheit.

Kritiker erkennen schon Wahlkampfgetöse

Mit der Ankündigung, das Polizeigesetz verschärfen zu wollen, hat Innenminister Stübgen die Regierungs-Koalitionspartner aber offenbar überrascht. So sagt es jedenfalls Maria Schäffer von den Grünen: "Wer ernsthaft etwas besprechen will, geht damit nicht zuerst zur Presse". Deswegen erkenne sie darin auch vielmehr schon den Start in den Wahlkampf für 2024.

Das sehen auch Teile der Opposition so. Andrea Johlige von der Linken sagt, das habe sie auch an anderer Stelle schon so erlebt. Mit der Ankündigung eines verschärften Polizeigesetzes wolle Stübgen die CDU im Wahlkampf als Law-and-Order-Partei etablieren.

Sendung: rbb24 inforadio, 05.08, 2022, 15:20 Uhr

Beitrag von Nico Hecht

18 Kommentare

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  1. 18.

    Bei den aktuellen Skandalen/Kontroversen/Umtrieben bzgl. Rassismus und Rechtsetxremismus in "Sicherheits"-Behörden halte ich es für fahrlässig und gefährlich auch noch die Zugriffsrechte der Polizei zu erweitern. Solange für gewisse Teile der Sicherheitsbehörden Datenschutz "linkes Gewäsch" ist und vor allem in einer Zeit, in der Rechtsextremismus immer größere Kreise zieht und die Systematik dahinter immer mehr Menschen durchblicken (und deren Verquickung mit einer Vielzahl von Polizeibehörden) sollten eher die Mittel für Behörden stark begrenzt werden, in denen in regelmäßigen Abständen rechtsexreme, rassistische, völkisch-nationalistische und menschenverachtende Praktikenpublik werden....

  2. 17.

    Ein Grund findet sich immer, genau wie zum " Saufen " !!

  3. 16.

    Mir ist es nicht egal, ob die Polizei in meine Privatsphäre eindringt. Auch wenn ich nichts zu befürchten habe. Ich leide auch nicht an einer Stasimanie. Aber vielleicht kennen Sie die DDR nur aus dem Bilderbuch? Ich möchte jedenfalls nicht zurück in einen Schnüffelstaat, in dem es auch keine Begründungen für eine Überwachung gab. Wenn Sie so leben möchten ist das Ihr Ding. Und vielleicht können Sie mir in diesem Zusammenhang auch erklären, warum die meisten Kinderschänder über das Darknet erwischt wurden und nicht über Whatsap oder Telegram? Über diese Tatsache wurde hinlänglich berichtet. Aber gern können Sie bestimmt auf jeder Polizeidienststelle Ihre Handynummer hinterlegen, weil Sie haben ja nichts zu befürchten. Das Brandenburger Innenministerium wollte schon die Corona Warnapp für die "Verbrechensbekämpfung" nutzen und die Bewegungsprofile auswerten. Das hat nicht geklappt und nun kommt Stübgen mit dem nächsten Vorschlag um die Ecke. Manie hat wer?

  4. 15.

    Und wie wollen Sie eine einstweilige Verfügung erwirken, wenn Sie garnicht wissen das Sie überwacht werden?

  5. 14.

    "Das sollten Sie aber auch an die ach so tolle EU adressieren. Stichwort Chatkontrolle. Die wirkliche Gefahr droht aus Brüssel."

    Auch dort sind es die rechtskonservativen Parteien die im Schulterschluß mit Extremisten den Rechtsstaat aushebeln wollen. Die Gefahr für Demokratie und Menschenrechte stand schon immer rechts.

  6. 13.

    Wie kommen Sie auf den Gedanken, Sie hätten nichts zu befürchten? Weil Sie „nichts zu verbergen“ haben? Ob Sie etwas verbergen, entscheidet ja wohl immer noch der Staat, und nicht Sie.

  7. 12.

    @Paul
    "anlasslos" steht wo?
    Im Artikel steht: "Ich will dabei nennen Quellen-Telekommunikationsüberwachung, Online-Durchsuchung, Wohnraumüberwachung und auch das sogenannte Quick-Freeze-Verfahren, also die Anfangsverdachts-Datenspeicherung."
    Und was hier sonst von "Polizeistaat" und "Rechtsstaat" geschrieben wird halte ich für Unsinn.
    Unverhältnismäßige Einschränkungen der Grundrechte sind verfassungswidrig oder Verstoßen gegen Bundesrecht und wären somit automatisch NICHTIG - auch wenn der Rechtsweg bis zur Feststellung dauern kann. #Einstweilige_Verfügung

  8. 11.

    Wenn mein Leben ausreichend beschützt wird bin ich mit fast jeder Maßnahme einverstanden.

  9. 10.

    Wenn ich nichts zu befürchten habe, ist es mir völlig gleichgültig was die Polizei macht oder tut. Ich glaube eher das viele nach wie vor an einer Stasimanie leiden. Sie können da gerne anders sehen.

  10. 9.

    Nun begründen Sie mir mal bitte, was die Polizei anlasslos in meiner Privatsphäre zu suchen hat. Oder haben Sie hier irgendwo etwas von einem richterlichen Beschluss auf grund eines Tatverdachts gelesen? Nein. Herr Stübgen war nach eigenen Angaben staatlichen Repressalien ausgesetzt und möchte heute die gleichen Mittel anwenden? Bekämpfung der Kinderpornographie ist richtig und wichtig, aber die Bevölkerung unter Generalverdacht stellen ist falsch. Wer kontrolliert die Polizei bei der anlasslosen Überwachung? Und werden die Betroffenen bei einem nicht bestätigten Verdacht auch im Nachhinein über die erfolglose Überwachung informiert? Oder spitzelt Herr Stübgen trotzdem ein Leben lang in der Privatsphäre weiter? Und was passiert mit den zu Unrecht gespeicherten Daten?

  11. 8.

    "Wer allerdings den Rechtsstaat aushebeln will, indem er das Rechtsstaatsprinzip, inkl. Unschuldsvermutung, abschaffen und das Polizeistaatsprinzip einführen will; wer das Fernmelde- und Kommunikationsgeheimnis aufheben möchte; wer die Unverletzlichkeit der Wohnung aktiv bekämpfen will, handelt, gerade in Berücksichtigung der parlamentarischen Arbeit und Verpflichtungen eines demokratischen Staates, ungesetzlich, verfassungswidrig sowie, als Minister, eidbrüchig. Stübgen hat einen Eid geschworen, Schaden von der Bevölkerung abzuwenden, und nicht, ihn herbeizuführen."

    DAS ist einen Fullquote wert...

  12. 7.

    Das sollten Sie aber auch an die ach so tolle EU adressieren. Stichwort Chatkontrolle. Die wirkliche Gefahr droht aus Brüssel.

  13. 6.

    Vielen Dank an die Regierung
    Für den Schutz einer der schwächsten Gruppen ist mir das nicht zu "teuer".
    @Nk
    Die da wären? Selbst bei Anonymität lassen sich so vllt. Taten verhindern.
    "polizeiliche Willkür, Kriminalisierung und Kompetenzüberschreitung"
    Dafür gibt es den Rechtsweg gegen die Staatsorgane. Die "Befürchtung" Organwalter könnten diese Möglichkeiten missbrauchen sehe ich nicht, da die Maßnahmen bestimmt unter Richtervorbehalt stehen werden (Mehraugenprinzip.

  14. 5.

    Wer den Betroffenen helfen will, sorgt für eine bessere strukturelle Finanzierung von Bildung, Beratungsstellen und sozialen Trägern. Wer die Polizeiarbeit an und für sich verbessern will in dem Bereich, sorgt für bessere Ausbildung, ständige Fortbildungen und gute Ausrüstung in Hardware wie Software.

    Wer allerdings den Rechtsstaat aushebeln will, indem er das Rechtsstaatsprinzip, inkl. Unschuldsvermutung, abschaffen und das Polizeistaatsprinzip einführen will; wer das Fernmelde- und Kommunikationsgeheimnis aufheben möchte; wer die Unverletzlichkeit der Wohnung aktiv bekämpfen will, handelt, gerade in Berücksichtigung der parlamentarischen Arbeit und Verpflichtungen eines demokratischen Staates, ungesetzlich, verfassungswidrig sowie, als Minister, eidbrüchig. Stübgen hat einen Eid geschworen, Schaden von der Bevölkerung abzuwenden, und nicht, ihn herbeizuführen.

    Nicht dass der Vorgänger auch nur ansatzweise intelligenter oder verfassungstreuer gewesen wäre...

  15. 4.

    Wie wäre es wenn Stübgen dafür eine neue Behörde aufmacht... vielleicht ein "Landesamt für Unsicherheit in der Informationstechnik?" oder vielleicht ein "Landesbeauftragter für Computersabotage"? - das wäre doch mal Klartext für das was hier eigentlich betrieben wird.

  16. 3.

    Es ist genau anders: Die Einzigen, die diese Maßnahmen treffen, ist die (wenig informierte) "Normalgesellschaft". Kriminelle sind dann längst auf Alternativen ausgewichen. Und die fragwürdigen Polizeibefugnisse öffnen neue Wege für polizeiliche Willkür, Kriminalisierung und Kompetenzüberschreitung (sog. Einzelfälle) und nicht zuletzt auch Lücken für Cyber-Kriminalität, Stichwort Zero-Days. Das Thema ist also nicht Datenschutz, sondern Privatsphäre (nicht das gleiche) und Datensicherheit (dito).

  17. 2.

    Die Täter sind und im Netz meist einen Schritt voraus. Nun könnte man etwas ändern und siehe da, da kommen die Linken und die geschätzten Grünen wieder mit ihrem Lieblingsthema, Datenschutz, um die Ecke. Also lassen wir es wie es ist und laufen den Problemen weiter hinterher. Gute Politik sieht anders aus.

  18. 1.

    wer braucht AfD wenn er cdU haben kann

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