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Audio: rbb24 Inforadio | 17.08.2022 | Dennis Holoch | Quelle: dpa/Jens Kalaene

Sondersitzung im Brandenburger Landtag

rbb-Vertreter sichern Aufklärung im Fall Schlesinger zu

Im Juli war niemand vom rbb erschienen, am Dienstag nun die zweite Sitzung zum Fall der Ex-rbb-Intendantin Patricia Schlesinger im Brandenburger Landtag. Nicht nur der geschäftsführende rbb-Intendant Brandstäter wartete mit zahlreichen Details auf.

In Potsdam hat am Dienstag die zweite Sondersitzung des Hauptausschusses des Brandenburger Landtags in der Affäre um die ehemalige Intendantin des Rundfunk Berlin-Brandenburg (rbb), Patricia Schlesinger, stattgefunden.

In sachlicher und kritischer Atmosphäre stellten sich seitens des rbb über mehrere Stunden der geschäftsührende Intendant Hagen Brandstäter, Verwaltungsratsschefin Dorette König, sowie die Vorsitzenden des Rundfunkrats, Friederike von Kirchbach, und des Personalrats, Sabine Jauer, den Fragen der Abgeordneten. Bei einer ersten Sondersitzung zu dem Fall im Juli waren keine rbb-Vertreter erschienen.

Brandstäter versprach, alle Vorwürfe lückenlos aufzuklären.

rbb24 spezial "rbb-Krise: Ist unser Rundfunk reformfähig?"

Das rbb Fernsehen sendet am Mittwoch, 17. August, um 22.15 Uhr das 45-minütige rbb24 spezial "rbb-Krise: Ist unser Rundfunk reformfähig?" Es debattieren: Hagen Brandstäter (geschäftsführender rbb-Intendant), Joachim Goll (rbb-Redakteur, Mitglied des "Teams-Recherche" zur Aufklärung der Vorgänge), Ulf Poschardt (Chefredakteur WELTN24) und Bettina Schmieding (Medienredakteurin beim Deutschlandfunk).

Keller sieht ein Systemversagen

Die Anhörung im für Medienfragen zuständigen Hauptausschuss des Landtags habe deutlich gezeigt, dass der rbb "ganz am Anfang eines transparenten Aufklärungsprozesses" stehe, erklärte der Ausschuss- und SPD-Fraktionsvorsitzende Daniel Keller. Der Landtag werde dies kritisch begleiten. "Es muss jetzt einen kompletten Neuanfang beim rbb geben", fügte Keller hinzu: "Dazu brauchen wir auch eine untadelige Persönlichkeit für die Intendanz."

Aus seiner Sicht liege ein Systemversagen vor, betonte Keller: "Es muss überdacht werden, ob ehrenamtliche Mitglieder des Verwaltungsrates, die mündlich vor Sitzungen des Verwaltungsrates gebrieft werden, uneingeschränkt verantwortlich handeln können."

Bei der Befragung hatte die stellvertretende rbb-Verwaltungsratsvorsitzende Dorette König zuvor unter anderem Versäumnisse bei der Kontrolle eingeräumt. Vertragsdetails seien dem Kontrollgremium nicht vollständig bekannt gewesen, sagte sie. Auch über andere Fragen sei das Gremium nicht oder unvollständig informiert gewesen.

"Natürlich sehen wir auch Schuld bei uns", sagte König. Es habe zum Teil zu viel Vertrauen in dem ehrenamtlichen Gremium geherrscht. Der Verwaltungsrat müsse sein Agieren selbstkritisch hinterfragen, es sei dort mehr Wirtschaftsprüfungskompetenz erforderlich.

Breetz sprach von einer "aussitzenden Art"

Der Abgeordnete Steven Breetz (CDU) fragte nach mehreren Stunden Sitzung den geschäftsführenden Intendant Hagen Brandstäter in lauterem Tonfall, ob er die Dimension des gesamten Falls begriffen habe. Breetz sprach von einer "aussitzenden Art". Der Senderchef entgegnete, dass er ernsthaft Fragen beantworte. Er traue sich nach wie vor zu, den RBB aus der Krise zu führen. Auch die Rundfunkratssitzende Friederike von Kirchbach sagte, dass sich der Rat in der Sitzung am Montag, in der Schlesinger abberufen worden war, hinter sie gestellt habe.

Brandenburgs Medienstaatssekretär Benjamin Grimm (SPD) sagte, "unabhängig von der aktuellen Debatte hatten wir als Länder Berlin und Brandenburg im Entwurf zum neuen rbb-Staatsvertrag ohnehin schon vorgesehen, die Kontrolle, etwa durch die Landesrechnungshöfe, weiter auszubauen. Daran halten wir fest und werden angesichts der Vorkommnisse der letzten Wochen Transparenz und Aufsicht - noch über das ohnehin schon Vorgesehene Maß hinaus - deutlich stärken."

Auch die Grünen-Fraktionsvorsitzende Petra Budke forderte einen "umfassenden Neuanfang". Die Befragung im Landtag habe deutlich gemacht, "dass wir es hier mit einer Krise der gesamten Führungsebene des rbb zu tun haben". Der Verwaltungsrat müsse nun umgehend die fristlose Kündigung Schlesingers einleiten. Für die Neubesetzung der Intendanz müsse es ein transparentes Verfahren geben.

Peter Vida, der Fraktionschef von BVB/Freie Wähler, kritisierte die Kontrollmechanismen. Diese reichten ganz offensichtlich längst nicht aus. Denn mit funktionierenden Kontrollmechanismen hätte es bestimmte Auswüchse auf Intendantinnenebene gar nicht geben dürfen, so Vida.

Ähnliche Kritik äußerte auch AfD-Politiker Dennis Hohloch. Er betonte, dass es längst nicht mehr nur um die Verfehlungen einzelner Persone gehe, sondern um das strukturelle Versagen der Kontrollgremien im rbb - beispielsweise mit Blick auf das geplante digitale Medienhaus.

rbb-Affäre

Das Intendantinnenprinzip

Die Generalstaatsanwaltschaft Berlin hat den rbb aufgefordert, Dokumente und Daten zur rbb-Affäre sicherzustellen. Patricia Schlesinger, die ehemalige Intendantin, hat sich im Rundfunkrat zu den Vorwürfen geäußert. Das rbb-Rechercheteam* berichtet.

Mängel in der Gremiumsarbeit

Verwaltungsratschefin Dorette König räumte während der Sitzung Mängel in der Gremiumsarbeit im Fall Schlesinger ein. Bei der Arbeitsaufteilung habe es ein Ressortprinzip gegeben, das Einzelnen "sehr viel Freiheit" gegeben habe, sagte König.

Mit der Ressortzuteilung im Kontrollgremium, das die Arbeit der Intendantin überwachte, wollte man demnach die Arbeit im Ehrenamt zeitlich besser bewältigen. Dennoch habe das einen Teil der Probleme verursacht, ergänzte König.

Der zurückgetretene Verwaltungsratschef Wolf-Dieter Wolf etwa habe allein den Dienstvertrag der Intendantin ausgehandelt, und seine mündliche Berichterstattung sei oftmals "unzureichend" gewesen sei, so König.

Wolf sei auch Berichterstatter für das Digitale Medienhaus gewesen, sagte König. Das rbb-Bauprojekt liegt wegen der Vorwürfe der Vetternwirtschaft gegen die inzwischen abberufene Intendantin Schlesinger und Chefkontrolleur Wolf derzeit auf Eis. In der Kritik stehen umstrittene Beraterverträge für das Bauprojekt.

Die 61-jährige Schlesinger erhielt auch eine kräftige Gehaltserhöhung um 16 Prozent auf 303.000 Euro inklusive oder exklusive bislang nicht veröffentlichter Boni.

Vertragsdetails weiter offen

Eine fristlose Vertragsauflösung mit der abberufenen bisherigen rbb-Intendantin sei zum aktuellen Zeitpunkt "nicht auzuschließen", erklärte die Verwaltungsratschefin auf Nachfrage. Der Verwaltungsrat plane "zeitnah" darüber zu befinden.

"Dafür braucht es entsprechende Rahmenbedingungen und wir haben nun mal mit einem bestehenden Vertrag umzugehen", sagte König. Der rbb werde in der Sache anwaltlich sehr gut beraten. Man werde alles tun, dass die Möglichkeiten für den rbb bestehen, Ansprüche gegenüber Schlesinger geltend zu machen, so König.

Debatte um geplantes Medienhaus

Die rbb-Vertreterinnen und -Vertreter wurden mehrfach mit kritischen Fragen zum geplanten rbb-Medienhaus in Berlin konfrontiert. Dass die Kosten für den geplanten Bau, dessen Planung nach rbb-Angaben inzwischen ausgesetzt wurde, mittlerweile auf 185 Millionen Euro beziffert würden, sei dem Verwaltungsrat nicht bekannt gewesen, sagte König. Letzter Stand seien 125 Millionen Euro gewesen.

Der geschäftsführende rbb-Intendant Hagen Brandstäter verteidigte die Pläne, betonte jedoch, dass ein kreditfinanziertes 185-Millionen-Euro-Projekt kaum zu stemmen wäre.

Brandstäter betont Bemühungen um Aufklärung

Der geschäftsführende rbb-Intendant betonte zuvor in seinem Eingangsstatement die Bemühungen des Senders, alle Sachverhalte aufzuklären. Dafür sorge eine unabhängig agierende Anwaltskanzlei sowie ein internes journalistisches Rechercheteam. Zudem ermittele die Staatsanwaltschaft.

Ein wichtiger Schritt sei zudem die Abberufung Schlesingers als Intendantin durch den rbb-Rundfunkrat gewesen. Es müsse aber noch mehr geschehen, um verloren gegangenes Vertrauen wiederzugewinnen, so Brandstäter. Das sei man den Beitragszahlern, aber auch den Mitarbeitern schuldig.

Die rbb-Rundfunkratsvorsitzende Friederike von Kirchbach gab zu Beginn der Sitzung an, dass sich der Rundfunkrat seiner Verantwortung bewusst sei. Er setze sich zudem rückhaltlos für die Aufklärung aller Vorwürfe ein.

"Wir teilen Ihr Interesse an der Aufklärung aller Fragen. Wir sind im Ehrenamt. Wir sind Laien. Das sollen wir sein. Daraus ergeben sich Grenzen, was zu leisten ist", sagte von Kirchbach. Es bestehe die Chance, "die Rolle noch einmal zu schärfen".

Verwaltungsratsvorsitzende: "Unangemessene Ausgaben nicht erkennbar"

"Aus den Unterlagen zum Wirtschaftsplan und dem Jahresabschluss, sowie den dem Verwaltungsrat vorgelegten Compliance- und Revisionsvorlagen waren keine Sachverhalte erkennbar, die unangemessene Ausgaben oder Pflichtverstöße erkennen ließen", gab die Verwaltungsratsvorsitzende Dorette König in ihrem ersten Statement in der Sondersitzung an.

Die rbb-Personalratsvorsitzende Sabine Jauer erklärte, dass der aktuelle Sachverhalt die Grenzen von allem übersteige, mit dem sich die Belegschaftsvertretung bislang beschäftigt habe. Bei der Vertretung der Belegschaftsinteressen habe der Personalrat in den letzten Monaten das Gefühl gehabt, "dass wir zu Frau Schlesinger nicht mehr druchdringen". Dabei sei es vor allem um die Frage gegangen, ob der rbb ein großes neues Medienhaus benötige.

Bei der Aufarbeitung der Sachverhalte sehe sie Rundfunk- und Verwaltungsrat auf dem richtigen Weg, sagte Jauer.

Kommentar | Schlesinger vor dem Rundfunkrat

Ein unwürdiger Abgang

Vollkommen überraschend erschien Patricia Schlesinger am Montag bei der Sitzung des Rundfunkrats. Ihre Redezeit nutzte sie auch, um ihre Erfolge zu preisen - Worte des Bedauerns hätten ruhig mehr Platz einnehmen können, kommentiert Jörg Wagner.

Schlesinger mit sofortiger Wirkung abberufen

Der rbb-Rundfunkrat hatte die zurückgetretene rbb-Intendantin Schlesinger am Montag mit sofortiger Wirkung abberufen.

22 von 23 Rundfunkratsmitgliedern hätten für die Abberufung gestimmt, sie sei durch Gründe in der Person von Frau Schlesinger bedingt. Das hatte die Vorsitzende des Rundfunkrats, Friederike von Kirchbach am Montagabend mitgeteilt. Diese rechtfertigten eine außerordentliche Kündigung des Dienstvertrags durch den Rundfunk Berlin-Brandenburg.

Zahlreiche Vorwürfe gegen Schlesinger

Schlesinger steht seit anderthalb Monaten wegen etlicher Vorgänge in der Kritik. Dabei geht es um Interessenkollisionen bei der Planung eines neuen Medienhauses des rbb, um Berateraufträge der Messe Berlin für ihren Ehemann und dienstlich abgerechnete Abendessen, die offenbar privater Natur waren. Außerdem geht es um die Erhöhung ihres Intendantinnengehalts und intransparente Bonuszahlungen für Führungskräfte im rbb.

Mittlerweile ermittelt die Berliner Generalstaatsanwaltschaft gegen Schlesinger, ihren Mann Gerhard Spörl sowie den ebenfalls zurückgetretenen Verwaltungsratsvorsitzenden Wolf.

Sendung: rbb24 Inforadio, 17.08.2022, 11.05 Uhr

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