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Video: rbb24 | 11.09.2022 | Christian Titze | Quelle: dpa/Joerg Carstensen

Ringen ums Übergangsticket

Für Giffeys Ticketidee tickt die Uhr

Der Berliner Senat will schon ab Oktober ein Nachfolgeangebot für das 9-Euro-Ticket auf den Weg bringen. Doch nicht nur Brandenburg lehnt die Idee ab, auch sonst erweist sich das Projekt als höchst kompliziert. Von Thorsten Gabriel

Bis Mitte nächster Woche muss die politische Entscheidung stehen, ist aus der Senatskanzlei zu hören. Dann muss feststehen, wie der neue Fahrschein aussehen soll, den Berlin von Oktober bis Dezember im Nahverkehr anbieten will – ob er nun neun Euro oder auch mehr kosten wird. Die Verkehrsunternehmen benötigen Vorlauf, um ihre Systeme entsprechend anzupassen.

Für Franziska Giffeys Ticketidee tickt damit die Uhr. Und immer mehr zeigt sich: Wirklich ausgereift war die Idee nicht, mit der die SPD-Politikerin und Regierende Bürgermeisterin ihre Koalitionspartnerinnen vor zwei Wochen überrumpelt hatte. Quasi als Tischvorlage präsentierte sie Grünen und Linken in einer Koalitionsklausur den Vorschlag, kurzfristig eine Fortsetzung des im August ausgelaufenen 9-Euro-Tickets nur für Berlin auf den Weg zu bringen, von Oktober bis Dezember.

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Die Regierungspartnerinnen reagierten gequält lächelnd auf den Vorschlag. Sie bemängelten vor allem, dass ein solches Ticket nur dann Sinn ergebe, wenn man Brandenburg mit ins Boot holt. Doch die Absage aus dem Nachbarland ließ nicht lange auf sich warten. Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (ebenfalls SPD) zeigte sich sichtlich irritiert über den Vorschlag seiner Berliner Amtskollegin.

Er hätte sich bei dieser Debatte "etwas mehr Vorlauf" gewünscht, erklärte er und ließ auch inhaltlich kaum etwas Gutes am Berliner Vorstoß. Erstmal müssten die Züge fahren, damit sie auch genutzt werden könnten, ließ Woidke verlauten. Sprich: Ohne eine bessere Infrastruktur kein neues Billigticket – und schon gar nicht ohne die anderen Bundesländer. Auch in weiteren Länderrunden auf Arbeitsebene gab es seitdem, wie man hört, keine Bewegung.

Alleingänge Berlins sind in Brandenburg nicht gern gesehen

Ein Berliner Alleingang wäre ohne den Segen Brandenburgs kaum machbar. Denn beide Länder sind über den Verkehrsverbund VBB miteinander verkoppelt. In den Brandenburger Landkreisen sind sie ohnehin vom Auftreten Berlins im VBB genervt.

Regelmäßig streitet man sich im VBB-Aufsichtsrat etwa darüber, ob die Ticketpreise in der Region wieder erhöht werden sollen oder nicht. In Brandenburg drängen die Verkehrsunternehmen meist auf Erhöhung, in Berlin tritt die Politik in der Regel auf die Preisbremse.

Beim letzten einigermaßen spektakulären Alleingang Berlins – der Einführung des kostenlosen Schülertickets 2019 – drohte der Verkehrsverbund fast zu platzen. Würde Berlin jetzt ohne Rücksicht auf Brandenburg einfach so seinen neuen Ticketplan durchziehen, könnte dies das Aus für den VBB bedeuten.

Insofern ist in den verbleibenden Tagen noch Fingerspitzengefühl gefragt, um Brandenburg zumindest dazu zu bewegen, gegen ein lokales Berliner Fahrscheinangebot kein Veto einzulegen.

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Der Bund hat auch ein Wort mitzureden

Doch es gibt noch eine weitere Hürde. Wie aus Koalitionskreisen zu hören ist, wird derzeit geprüft, ob der Bund möglicherweise der Berliner Ticketidee noch einen Strich durch die Rechnung machen könnte. Denn wie schon 2020 und 2021 erhalten die Verkehrsunternehmen in Deutschland auch in diesem Jahr einen Zuschuss aus dem Bundeshaushalt, um coronabedingte Defizite auszugleichen. Ein zusätzliches "Dumpingangebot" könnte mit den Ausgleichszahlungen unvereinbar sein, heißt es.

Unterm Strich bedeutet dies: hoher Aufwand für ein zeitlich verhältnismäßig überschaubares Angebot. Denn eigentlich soll das Ticket ja nur den Übergang zu einer bundesweiten Lösung ab Januar bilden. Doch anders als ursprünglich gedacht, präsentierte der Bund mit seinem dritten Entlastungspaket keine neues Fahrscheinangebot mit "Preisschild", sondern nannte lediglich einen Korridor von 49 bis 69 Euro monatlich – unter der Voraussetzung, dass die Länder das Ticket mitfinanzieren.

Darüber allerdings wird erst eine Sonderkonferenz der Landesverkehrsministerinnen und -minister am 19. September beraten, zu spät für die Berliner Lösung.

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Reformiertes Sozialticket als Ausweg?

Dass es am Ende kein Berliner Fahrscheinangebot für die verbleibende Zeit bis zum Jahresende geben wird, ist allerdings trotzdem unwahrscheinlich – allein, weil es einen Gesichtsverlust für Franziska Giffey bedeuten würde.

Die Grünen hatten alternativ vorgeschlagen, statt eines neuen Tickets das bestehende Berliner Sozialticket zu reformieren. Der Kreis der Nutzerinnen und Nutzer könnte auf Haushalte mit Wohnberechtigungsschein erweitert werden. Für die SPD allerdings dürfte dies eher als Notlösung durchgehen.

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Sendung: rbb24 spät, 10.09.2022, 21:45 Uhr

Beitrag von Thorsten Gabriel

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