Reaktion auf angespannte Lage - Senat bringt flexiblere Regeln für Rettungsdienste auf den Weg

Di 13.12.22 | 17:51 Uhr
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Auf dem Gelände vom Sana Klinikum in Lichtenberg stehen Rettungsfahrzeuge vor der Rettungsstelle. (Quelle: dpa/Jens Kalaene)
Video: rbb|24 | 13.12.2022 | Material: rbb24 Abendschau | Bild: rbb

Flexiblere Besetzungen von Rettungswagen, mehr Befugnisse für den Feuerwehrchef: Nach einigem Streit wird der Senat nun doch das Rettungsdienstgesetz ändern. Der Handlungsdruck war zuletzt enorm gestiegen.

Der Koalitionsstreit um ein neues Berliner Rettungsdienstgesetz ist am Dienstag beigelegt worden. Der Senat habe den entsprechenden Gesetzentwurf von Innensenatorin Iris Spranger (SPD) beschlossen, wie die Berliner Feuerwehr nach der Senatssitzung mitteilte.

Der Gesetzentwurf kann damit am Donnerstag in der ersten Lesung in das Abgeordnetenhaus eingebracht werden. Die zweite und dritte Lesung sollen laut der Regierenden Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) im Januar stattfinden. Zeitgleich zur Gesetzesänderung soll eine Verordnung erarbeitet werden, die den Stufenplan möglich macht. Beides könnte laut Giffey Ende Januar abgeschlossen sein.

Auch Rettungssanitäter sollen fahren dürfen

Dem Rettungsdienst solle mit der Gesetzesänderung ermöglicht werden, flexibler auf besondere Lagen wie Personalmangel, größere Schadensfälle oder Pandemien reagieren zu können, so die Feuerwehr. Damit sei es künftig möglich, Einsatzmittel vorübergehend anders zu einzusetzen als in der Vergangenheit.

Innensenatorin Spranger erklärte, mit der zeitlich befristeten Ausnahmeregel dürfe künftig nicht nur ein Notfallsanitäter den Notarztwagen fahren, sondern bei besonders hoher Auslastung auch ein geringer ausgebildeter Rettungssanitäter. "Mit dieser Lösung werden wir im Optimalfall ungefähr bis zu 25 Rettungswagen mehr auf die Straße bringen können“, sagte Innensenatorin Iris Spranger. Ein Stufenplan soll klären, wie die Fahrzeuge wann besetzt werden.

Zudem soll die Rolle des Landesbranddirektors gestärkt werden. Er soll mehr Verantwortung bekommen und schneller Entscheidungen treffen können. "Wir haben uns geeinigt, uns auf die dringendsten Maßnahmen zu beschränken, die schnell umsetzbar sind und zu einer Entlastung führen sollen", so Spranger.

Auch Gesundheitssenatorin Gote jetzt zufrieden

Zuletzt hatte es Streit innerhalb der rot-grün-roten Koalition über die Rettungsdienstreform gegeben. Die Grünen um Gesundheitssenatorin Ulrike Gote lehnten die Vorschläge der SPD ab aus Sorge, dass die medizinische Versorgung sich in Berlin verschlechtern könnte.

Nun äußerte sich Gote zufrieden: "Wir haben eine Lösung gefunden, die mir als Gesundheitssenatorin sehr wichtig war: dass wir die Qualität der notärztlichen Versorgung nicht antasten und Rettungsmittel zielgenau einsetzen können, sodass bei lebensbedrohlichen Einsätzen wirklich Ärzte und Notfallsanitäter da sind." Der Abzug der Notfallsanitäter aus den Notfalleinsatzfahrzeugen sei lediglich ultima ratio.

Gote betonte aber auch, dass sich Innen- und Gesundheitsverwaltung einig seien, dass es im nächsten Jahr eine weitergreifende Reform des Rettungsdienstes brauche.

Feuerwehrchef spricht von "gutem Tag"

Landesbranddirektor Karsten Homrighausen begrüßte in der Mitteilung die Entscheidung des Senats: "Heute ist ein guter Tag, an dem uns zugegebenermaßen ein Stein vom Herzen fällt. Es bedarf jedoch dringend noch weiterer Schritte, um die Situation im Rettungsdienst nachhaltig zu verbessern."

Der Landesvorstand der Berliner Gewerkschaft der Polizei (GdP), Brandoberinspektor Oliver Mertens, hob die stärkere Rolle des Landesbranddirektors hervor: Die sei "ein erster sehr hilfreicher richtiger Schritt", die vorgestellten Lösungen könnten die aktuelle Situation verbessen.

Für die Berliner CDU-Fraktion war der Schritt überfällig, wie deren Feuerwehrexperte Alexander J. Herrmann am Dienstag mitteilte: "Dass angesichts des fast täglichen Ausnahmezustands im Rettungsdienst unserer Feuerwehr das Problem von SPD, Grünen und Linken so lange verschleppt worden ist, macht uns fassungslos." Gefragt sei nun eine strukturelle Verbesserung im Rettungsdienst.

Auch der AfD-Innenpolitiker Karsten Woldeit bemängelte, die nun beschlossenen Schritte "wären schon seit Monaten möglich gewesen." Gebraucht werde jetzt "ein plausibles Konzept" für das Rettungswesen.

Für die FDP teilte deren Innenpolitiker Björn Jotzo mit, die Senatsentscheidung seien "kleine Schritte in die richtige Richtung, bleiben aber ein Tropfen auf den heißen Stein." Es brauche "eine große Reform" und auch mehr Attraktivität für Fachpersonal durch eine eigene Rettungsdienstlaufbahn.

Erhöhter Handlungsdruck nach tödlichem Unfall

Über die angespannte Personallage bei den Rettungsdiensten wurde erst am vergangenen Wochenende wieder verstärkt diskutiert. Zwei Jugendliche waren von einem BVG-Bus überfahren worden, eine 15-Jährige dabei ums Leben gekommen. Die Jugendlichen waren unter dem großen Bus eingeklemmt worden und mussten von der Feuerwehr mit Spezialtechnik geborgen werden.

Zum Zeitpunkt des Notrufes war zunächst kein freier Rettungswagen in Berlin verfügbar. Als erster Wagen traf dann ein Notarzt neun Minuten nach dem Notruf ein, die ersten beiden Rettungswagen (RTW) kamen nach 20 Minuten an, so die Feuerwehr.

Der Rettungsdienst ist vor allem deshalb überlastet, weil das Personal knapp ist. Außerdem gehen viele Notrufe ein, die sich nicht auf echte Notfälle beziehen. Auch darum müssen sich die Sanitäter kümmern, so dass es bei echten Notfällen länger dauern kann.

Sendung: rbb24 Inforadio, 13.12.2022, 16:20 Uhr

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34 Kommentare

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  1. 34.

    An der Tatsache zu wenig Personal und zu viele (auch unnötige, bei Bagatellen) Einsätze wird dadurch nichts geändert. Es wird darauf hinauslaufen das die Verantwortung auf die Einsatzkräfte abgewälzt wird und sich die Verantwortlichen entspannt zurück lehnen werden.

  2. 33.

    Rufen des Rettungsdienst sollte grundsätzlich mit Kostenbeteiligung sein. Sollte dann zu einer wesentlichen Verringerung der vermeintlichen Notfälle führen. Einzug nicht durch Rettungsdienst oder Notaufnahme, sondern durch die Krankenkasse. Wenn ich in einer lebensbedrohlichen Situation bin, dann sind es mir auch 20€ wert und ich muß als Teil der Versichertengemeinschaft nicht mehr die Bequemlichkeit Anderer mitfinanzieren. Für soziale Härten gibt es ja jetzt schon Zuzahlungsgrenzen.

  3. 32.

    "flexiblere Regeln" = neuer Aufdruck der nächsten Mogelpackung?

  4. 31.

    Ich übe meinen Beruf als Rettungsassistent seit 33 Jahren aus.
    Dann wird das Berufsbild ersatzlos gestrichen.
    Es gibt nur noch die Möglichkeit einer Ergänzungsprüfung zum Notfallsanitäter.
    Falle ich 2×durch,wars das mit Notfallsanitäter.
    Es muß mir keiner meinen Job erklären,dafür mache ich das schon zu lange.
    Medikamentenkunde und die weiteren Aufgaben des Notfallsanitäters sollten in einer Weiterbildung erlernt werden,damit die neuen Aufgaben bewältigt werden können.
    Das muß nicht als Ergänzungsprüfung mit den oben genannten Konsequenzen geschehen.
    Das würde bestimmt noch den einen oder anderen Notfallsanitäter aus dem Hut zaubern.
    Motivation und Anerkennung für geleistete Dienstjahre wären schon mal sicher.

  5. 30.

    Das Problem das alles beschickt wird, dies bleibt weiter bestehen. Also Augenwischerei und grüne Parteifreunde bleiben in Funktion und müssen sich nicht rechtfertigen warum es zu dieser Situation gekommen ist.

  6. 29.

    Wer sind den eigentlich die Rettungsdienste?Feuerwehr klar, aber was ist mit dem Roten Kreuz, Johanniter, Malteser wtc. die sind doch auch als Rettungswagen gekommen. Gibts die nicht mehr?

  7. 28.

    Solange die Berufsfeuerwehr immer noch der Meinung ist für ein Praktikum bei Ihnen 1500€ zu verlangen und solange die Berufsverkehr immer noch darauf besteht das ein Krankenwagen Fahrer mindestens ein Notfall sani sein sein muß, solange werden sie nicht genug Leute finden. Es gibt genügend rettungsdiensthelfer mit P.Schein zum führen von Krankenwagen und die können es mindestens genauso gut. Also liebe Feuerwehr, mal etwas die Voraussetzungen zu Einstellung bei euch runterschrauben, dann klappt das auch mit den personal finden.

  8. 27.

    Wie bereits einige hier schrieben, liegt das Problem in einem schleichend Prozess, zu sparen, zu sparen bis die Erkenntnis einsetzt, dass selbst der Betrieb eines Rettungsdienst bzw. einer Feuerwehr zu teuer ist. Ach, dar gibt es ein Gesetz, dass dieses zur öffentlichen darseinsversorgung gehört. Nun ist sooooo!
    Die Planstelle mit einer bestimmten Qualifikation zu besetzen, macht einmal Sinn. Genauso macht es Sinn sich erneut die Frage zu stellen, warum dass Berufsbild des "Notfallsanitäters" entwickelt und als anerkannten Beruf planstellen bekleidet.
    Zu den Gedanken könnte auch gehören, wer sich alles an den Kosten des Rettungsdienst beteiligt. Erste für den Transport des Patienten, 2. Für die Behandlung am Einsatzort und III. Für das Vorhalten der gesamten Organisation, dass im Fall eines ... auch angemessen Handlung stattfinden kann.
    Ist es die Gesetzliche Krankenkassen, die private kk, die Stadt Berlin? Ob an die Frage, sich eine Person traut, steht im Raum.

  9. 26.

    Typische „Linksgrün*innen“-Lösung: Neue Zuteilung. Man ahnt schon wie das ausgeht....
    „Einsatzmittel vorübergehend anders zu besetzen“ - Definiere „vorübergehend“....
    In anderen Ländern schaut man auf die „Schlau*innen“ und ein Nobelpreis für Lösungen mittels Neuzuteilung winkt?

    P.S. unnötige Bequemlichkeitseinsätze werden so nicht bekämpft.

  10. 25.

    Im nächsten Schritt müssen die Krankenhäuser mit ihren Notaufnahme gestärkt werden . Es geht nicht nur um Transportkapazitäten, sondern auch darum, dass Patientinnen und Patienten anschließend im Krankenhaus adäquat versorgt und gegebenenfalls aufgenommen werden . Und genau das funktioniert gerade nicht gut. Das Pflegepersonal flüchtet aus dem Job , Stationen können mangels Fachpersonal nicht voll belegt werden, Patienten (einige davon keine Fälle für die Notaufnahme) teilen sich die überfüllte Notaufnahme mit denen, die lange auf ein Stationsbett oder eine Verlegung in ein anderes Haus warten müssen . Und auch in den Notaufnahme herrscht große Personalnot . Für viele hat sich der Job in einen Albtraum verwandelt, und sie werden den Beruf wechseln. Nachwuchs ist kaum in Sicht .
    Hausärzte schreiben zunehmend Einweisungen in Krankenhäuser zu diagnostischen Zwecken . Ultraschall und EKG werden plötzlich zu Fällen in der Notaufnahme. Das geht so nicht weiter .

  11. 24.

    Ich glaube Sie wissen genau eben diese Fälle nicht gemeint sind. Wenn mir ein Patient sagt, dass er schneller im KH dran kommt, wenn er mit der Feuerwehr kommt und außerdem nicht laufen muss, dann ist das zwar ehrlich, aber auch dumm. Er blockiert damit Reuttungsmittel, die dann z.B. bei einem Unfall mit BVG - Bussen fehlen.

  12. 23.

    Und Sie denken, die Leute die wirklich unnötig den Rettungswagen rufen, werden dann die 20€ selbst leisten? Es geht primär nicht ums Geld, sondern grundlegend um die mangelnde Besetzung der Rettungsdienste. Erst neulich gab es einen Artikel im Tagesspiegel, allein mit 2 Kindern, den Notarzt rief weil eines der Kinder einen anhaltenden Fieberkrampf erlitt und man als Elternteil da natürlich nur sehr schwer abwägen kann ob das nicht für den Nachwuchs tödlich verläuft (Blaufärbung der Lippen, nicht ansprechbar etc.)

  13. 22.

    Genau, die Rechnung könnte Patient bei Krankenkasse einreichen zur Überprüfung der Notwendigkeit des Einsatzes. Deutsche sind bei Arztbesuchen sehr bequem, immer öfter gleich Hausbesuch (spreche von fast 30 Jahren Hausarzterfahrung

  14. 21.

    Meine Mutter (80) ist Sonntagnacht gestürzt und ich mußte die Feuerwehr anrufen, da es keinen andere Möglichkeit gab, sie wieder auf die Beine zu bekommen. Es war mir schon sehr unangenehm, die 112 deswegen anzurufen. Die 3 (sehr netten) Feuerwehrmänner, die nach ca. 10 Minuten kamen, haben sich noch bei uns entschuldigt, dass es so lange gedauert hätte! Sie kamen aus Weißensee... Als ich mich entschuldigte, das wir sie wegen dieser Angelegenheit überhaupt in Anspruch nehmen mußten, haben sie das gleich abgewimmelt: Dafür seien sie ja da und wir sollten uns keine Gedanken machen. Bei all dem Streß, der Unterbesetzung, der Frechheit/Dreistigkeit (incl. Angriffen) mancher Menschen, trotzdem noch so lieb und herzlich zu sein, dafür meine absolute Hochachtung und ein riesen Dankeschön. Wenn ich dann dieses Tauziehen der Politiker hören und lesen muß, explodiert mir echt der Hut. Aber wahrscheinlich haben die auch andere Möglichkeiten, sich in Notfällen medizinisch versorgen zu lassen...

  15. 20.

    Ich hoffe nur daß der Senat endlich ein sieht daß, das Sparen bei den Rettungsdiensten Feuerwehr Polizei ein Ende hat. Das der Senat reichlich Geld in die Hand nimmt um die Zustände zu verbessern. Für mich heißt dieses genügend Personal, genügend Fahrzeuge und ganz wichtig ordentliche Arbeitsbedingungen sowie Wachen die in einem Menschenwürdigen Zustand sind.

  16. 19.

    Vielleicht war der Mensch mit Migrationshintergrund auch einfach qualifizierter und/oder besser geeignet!

  17. 18.

    Es ist an der Zeit dass der gesamte Rettungsdienst in die Gesundheitsverwaltung überführt wird. Letztlich wird man sich von der Feuerwehr trennen müssen. Das multifunktionale Spiel ist am Ende. Es ist weder finanziell noch organisatorisch tragbar. Soll sich die Innenverwaltung um Polizei, Wahlen und Brände kümmern. Die medizinische Versorgung von Menschen sollen die übernehmen die es können und wollen.

  18. 17.

    Mensch, wenn man die Kommentare hier und unter ähnlichen Beiträgen liest hat die Krise im Rettungsdienst ja genau zwei Gründe:
    -Die Grünen, mit ihren bösen Radwegen und Klimaschützer-Freunden
    -Menschen mit Migrationshintergrund

    Leute, versteht doch mal bitte dass das nicht mit euren komischen Weltbildern zu tun hat, sondern der öffentliche Dienst kaputt gespart wurde und es zu viele Patient:innen gibt, die nicht für den RD gemacht sind. Ich stehe am Tag bei 8 Leuten, die alle in Arztpraxen könnten, die ja aber auch Mangelware sind. Der RD muss Patienti:innen ablehnen können, um entlastet zu werden.
    Dann kann es auch Radwege geben, denn sind auch sinnvoll. Ihr müsst nur alle mal ausm SUV aussteigen.

  19. 16.

    Wenn der RTW künftig 50€ Eigenanteil kosten würde, gingen die unnötigen Einsätze um min. 80% zurück ! Faustregel: Der RTW muß immer teurer als ein Taxi sein.

  20. 15.

    Ein paar Radwege weniger und dafür mal lieber den Rettungsdienst retten! Es kann doch nicht angehen, dass man sich in dieser Stadt nur noch um Radwege kümmert, die im Eiltempo aus den Boden gestampft werden, und der Rest der Probleme interessiert nicht wirklich!

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