"Letzte Generation" und Medienvertreter betroffen - Abhöraktion bayerischer Behörden löst gemischtes Echo in Berliner Politik aus

Mo 26.06.23 | 15:51 Uhr
  53
Gesetzestexte werden von einer Person bei einer Protestaktion am Eingang des Justizministerium in München angebracht. (Quelle: dpa/Peter Kneffel)
Bild: dpa/Peter Kneffel

Die "Letzte Generation" ist vom bayerischen LKA abgehört worden, darunter auch deren Pressekontakt. Die Berliner Politik ist sich über die Bewertung uneinig. Einige fordern Konsequenzen, andere verbitten sich eine Einmischung in die Justiz.

  • Bayerischen Behörden hörten monatelang Telefone der "Letzten Generation" ab
  • Gespräche mit Journalisten mitgehört
  • Berliner Politiker reagieren auf Vorgehen der Behörden

Die Parteien der Berliner Innenpolitik haben unterschiedlich auf die Abhöraktion der bayerischen Behörden reagiert. Dabei wurden neben Klimaaktivisten auch Medienvertreter aus Berlin über Monate abgehört. Der Deutsche Journalistenverband DJV kritisiert das Vorgehen der Behörden und bezweifelt, dass das Grundrecht der Pressefreiheit sorgsam abgewogen wurde.

Der innenpolitische Sprecher der CDU, Burkhard Dregger, hält die richterliche Entscheidung aus Bayern für in Ordnung. Er lehne es ab, Entscheidungen der Justiz politisch zu beeinflussen. "Wenn wir anfangen, Entscheidungen der Gerichte politisch zu beeinflussen, verlieren wir die Freiheit unseres Landes", sagte er dem rbb.

Wenn Richter nach Prüfung eines Sachverhalts entscheiden würden, dass die Voraussetzungen für eine Telefonüberwachung gegeben sind, dann würden sie richtig entscheiden. Wer sich dagegen wenden wolle, dem stünden Rechtsmittel zur Verfügung und der könne zu Gerichten gehen.

AfD pro, Linke contra Überwachung

Ähnlich sieht es der AfD-Abgeordnete Marc Vallendar. In einem schriftlichen Statement teilte er dem rbb mit, dass Journalisten Bürger wie alle anderen auch seien. "Sie genießen also keine Sonderrechte. Ob die Abhörmaßnahme im konkreten Einzelfall zulässig war, das zu entscheiden ist Aufgabe staatlicher Gerichte."

Kritik an der Abhöraktion kam hingegen von Linken-Abgeordneten Niklas Schrader. Er sieht Aufklärungsbedarf nach der Entscheidung der bayerischen Behörden, Journalistinnen und Journalisten und die Klimaaktivisten der "Letzten Generation" abzuhören. "Ich sehe das nicht nur als bayerische Entwicklung, sondern bundesweit gibt es immer mehr Stimmen, die die 'Letzte Generation' behandeln will wie eine terroristische Bedrohung", sagte er dem rbb. Für ihn stehe die Überwachung "außer jedem Verhältnis".

Grüne und DJV üben Kritik

Auch Grünen-Abgeordneter Vasili Franco hält die Abhöraktion für "vollkommen überzogen". Man müsse sich Gedanken über die Rechtsstaatlichkeit machen. "Was Bayern da gerade macht, mutet eher an Verfolgung von Klimaaktivismus an", sagte er dem rbb. Innensenatorin Iris Spranger und Justizsenatorin Felor Badenberg sollten "sich durchaus Gedanken machen, ob man sich weiter von den bayerischen Kollegen auf der Nase herumtanzen will." Er habe Zweifel daran, dass das, was in Bayern passiere, mit dem Rechtsverständnis Deutschlands und insbesondere Berlin in Einklang zu bringen ist.

Bereits zuvor kritisierte der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) die Überwachung. Gespräche mit Journalisten unterlägen einem besonderen Schutz, sagte Steffen Grimberg vom DJV Berlin zu rbb|24. Er rate dringend dazu nachzuprüfen, ob tatsächlich ein übergeordnetes Interesse bei den Strafverfolgungsbehörden bestehe.

DJV hält Aufklärung für politische Aufgabe

Auch DJV-Bundesvorstand Frank Überall bezweifelt, dass das Grundrecht der Pressefreiheit sorgsam genug abgewägt wurde. Die Presse sei Berufsgeheimnisträger, erklärte Überall gegenüber rbb|24. Demnach komme ein Abhören nur infrage bei Straftaten von erheblicher Bedeutung, sagte er unter Verweis auf §160a der Strafprozessordnung. Er könne sich nicht vorstellen, dass das, was der "Letzten Generation" zur Last gelegt werde, so übergeordnet sei, dass das Grundrecht der Pressefreiheit eingeschränkt werden könne. "Das muss aufgearbeitet werden. Das ist jetzt eine politische Aufgabe", forderte Überall.

Auch den Anfangsverdacht wegen Bildung beziehungsweise Unterstützung einer kriminellen Vereinigung sieht der DJV kritisch. "Ist das Besetzen von Straßen wirklich geeignet, dieses hohe Maß 'kriminelle Vereinigung' anzunehmen?", fragt Überall. Und Grimberg erklärte, der DJV beobachte mit Sorge, dass Strafverfolgungsbehörden schnell von einer kriminellen Vereinigung sprächen.

Sendung: Fritz, 26.06.2023, 6 Uhr

53 Kommentare

Wir schließen die Kommentarfunktion, wenn die Zahl der Kommentare so groß ist, dass sie nicht mehr zeitnah moderiert werden können. Weiter schließen wir die Kommentarfunktion, wenn die Kommentare sich nicht mehr auf das Thema beziehen oder eine Vielzahl der Kommentare die Regeln unserer Kommentarrichtlinien verletzt. Bei älteren Beiträgen wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen.

  1. 53.

    Sollte mich wundern, aber hinter diesem Link ist die letzte bundesweite Statistik dazu angegangen.
    Die Gründe für die Lauschangriffe lesen sich in Zahlen (letzten Spalte) aber etwas anders als ihre Behauptungen. Die Hitliste führen vor der Störung der öffentlichen Ordnung aber Rauschgift, Betrug, Diebstahl und Mord- und Totschlag an.

    https://www.bundesjustizamt.de/SharedDocs/Downloads/DE/Justizstatistiken/Uebersicht_TKUE_2020.pdf?__blob=publicationFile&v=6

  2. 52.

    Klassischer Fall von Täter - Opfer-Umkehr. Da wird ein Nebenschauplatz eröffnet, um von den eigenen und eigentlichen Straftaten abzulenken.

  3. 51.

    Haften sie nicht für ihre Taten, Handlungen, Verfehlungen? Haben sie einen Vormund oder sind sie erwachsen?

  4. 49.

    Baden-Württemberg hatte sich verpflichtet, einmal jährlich die Statistik bezüglich Telefonüberwachung zu veröffentlichen. Am 14.6.2023 war es jetzt so weit:

    1386 Mal wurde die Telefonüberwachung von Gerichten angeordnet--35 Mal von der Staatsanwaltschaft--aber nur, weil Gefahr in Verzug war und schnell gehandelt werden musste.

    In 73% der Fälle führten die Maßnahmen der Telefonüberwachung zur Anklageerhebung.

    Häufigste Gründe für die Überwachung waren mögliche Straftaten gegen die öffentliche Ordnung (41%)--oder Gefährdung des demokratischen Rechtsstaates (28%)

    In 31% dauerte die Überwachung bis zu 1 Monat---in 52% zwischen 1 Monat und 3 Monaten---in 17% dauerte die Telefonüberwachung mehr als 3 Monate...

    Also alles scheinbar ganz normal. Dass es jetzt bei der "Letzten Generation" einen solchen Aufschrei gibt, zeigt doch, welch außergewöhnliche Stellung diese "Aktivisten" einnehmen. Rechtsstaat gilt für alle--nur nicht für wenige?

  5. 46.

    Die Staatsanwaltschaft behandelt die Letzte Generation wie es REG im Koalitionsvertrag für gewöhnliche Fahrraddiebe hatte vorgegeben. In Brandenburg wie in Bayern haben den unabhängigen Richtern die vorgebrachten Beweise für einen hinreichenden Tatverdacht genügt. Aber auch Querdenken haben wie Franco ja so ihre Probleme, die Unabhängigjeit der bundesdeutschen Justiz anzuerkennen.

    Problematisch wird das Abhören der sogenannten Pressehotline, wenn die Telefonate mit Journalisten als Berufsgeheimnisträger auch für weitere Verfahrensschritte ggf. bis hin zu einer Gerichtsverhandlung ausgewertet werden. Dazu muss im Einzelfall jedoch geprüft werden, ob derjenige am anderen Ende der Leitung wirklich unter den in der StPO geschützten Personenkreis fällt. Sich mit "Müller-Dombrowsky von der XY-Zeitung" zu melden, dürfte dafür nicht ausreichen. Wer garantiert, dass das jemand aus dem geschützten Personenkreis ist?

  6. 45.

    Ich habe mich vor einigen Jahren mal intensiv mit dem § 126--Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten--beschäftigt.

    Dabei geht es auch um Landfriedensbruch,gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr-Störung öffentlicher Betriebe....

    auch um das" billigend in Kauf nehmen"..dass Personen an Leib und Leben geschädigt werden könnten.
    Wenn Blaulichtfahrten von Rettungswagen blockiert werden--dann müsste doch dieser Paragraph greifen.

    Gibt es dazu Experten unter den Kommentierenden?--Oder beim RBB?

  7. 44.

    „ der Richter den Beschluss gefasst hat, ohne die Problematik der Pressefreiheit zu betrachten“

    Und das weißt Du woher?

  8. 43.

    Nein, nur eine unterschiedliche Rechtsauffassung. Und sowas ist bei juristischem Neuland auch nicht ungewöhnlich und sogar insgesamt förderlich.
    Letztendlich werden sich damit auf die eine oder andere Art die höchsten Gerichte beschäftigen müssen.

  9. 40.

    in Berlin können sich diese Leute ungestört "betätigen" . Sie haben eine mächtige Lobby in Politik und Medien. Dank an die bayrischen Behörden

  10. 39.

    Nein der Weisungsgebunden Staatsanwaltschaft! Auf dessen Antrag der Richter den Beschluss gefasst hat, ohne die Problematik der Pressefreiheit zu betrachten. Diese hätte auch Auflagen verfügen können, hat er aber nicht.

    Auch Richter möchten den Ermittlungsbehörden nicht im Wege stehen und winken solche Anträge oft durch. Für was schon Hausdurchsuchungen verfügt wurden ist schon abenteuerlich. Die Arbeitsbelastung ist ein Problem solcher Erscheinungen.

  11. 37.

    Auch wenn Sie - ggf. aufgrund ihres fortdauernden formulierten Gegensatzes - nicht glauben: Was das Spielen auf der Medien-Klaviatur und das Ausnutzen von dessen "Eigengesetzlichkeit" und Eigendynamik angeht, so stimme ich Ihnen darin sehr wohl zu.

    Die Gewichte zwischen dem ernsthaften Anliegen und dem Lechzen nach öffentlicher Zurschaustellung hat insofern einen Kipp-Punkt. Das ist bei Greenpeace so und das war (und ist?) auch bei der Cap Anamur so, wo sich Rupert Neudeck zu Recht ereiferte, dass sein Nachfolger gewartet hatte, bis die Medien da waren, bis die Bootsflüchtenden endlich gerettet wurden.

    Irgendwann kippt das Verhältnis zwischen Zweck und Mittel quasi um - zugunsten des Mittels.

  12. 36.

    Auch wenn Sie - ggf. aufgrund eines naturellhaften fortdauernd formulierten Gegensatzes - es nicht glauben: Was das Spielen auf der Medien-Klaviatur und das Ausnutzen von deren "Eigengesetzlichkeit" und Eigendynamik angeht, so stimme ich Ihnen darin sehr wohl zu.

    Die Gewichte zwischen dem ernsthaften und SINNVOLLEN Anliegen und dem Lechzen nach öffentlicher Zurschaustellung hat bei jeder Angelegenheit quasi einen Kipp-Punkt. Das ist bei Greenpeace so und das war (und ist?) auch bei der Cap Anamur so, wo sich Rupert Neudeck zu Recht ereiferte, dass sein Nachfolger gewartet hatte, bis die Medien da waren, bis die Bootsflüchtenden endlich gerettet wurden.

    Irgendwann kippt das Verhältnis zwischen Zweck und Mittel um - zugunsten des verwendeten Mittels.

  13. 35.

    Ich sprach davon, dass in einer funktionierenden Gewaltenteilung, etwaige Übergriffe der Politik völlig indiskutabel sind und so auch nirgends praktiziert werden.
    Aber deswegen kann die Politik im Rahmen ihrer Möglichkeiten schon alle Anstrengungen unternehmen, die Pariser Klimaziele zu erreichen.

  14. 34.

    Vielleicht gibt es ja Menschen, die nicht vermuten--sondern wissen, dass in der Juristerei einiges auch einmal "seltsam" schief läuft.--aus eigener Erfahrung.

    Wäre es nicht auch schlimm, Urteile von Richtern und Richterinnen würden nicht mehr kritisch hinterfragt?
    Gehören deshalb nicht Revisionen,Berufungen, Wiederaufnahmeverfahren--und Öffentlichkeit bezüglich Gerichtsverfahren...zu einer funktionierenden Demokratie?
    Ich wollte keine "Basta"- Justiz--gegen deren Entscheidungen kein Einspruch möglich wäre.


    Wenn sich allerdings der frühere Bundesverfassungsgerichtspräsident Herr Voßkuhle öffentlich ein Urteil in der Sache erlaubt---dann gehen bei mir alle Alarmglocken an. Immerhin prescht er dann seinen Kollegen mitten in deren Arbeit--hinein. Und stellt sich auf die Seite derer, gegen die ermittelt wird.Wie unfair ist das denn?

    Da würde ich mir mehr Zurückhaltung wünschen--und von Journalisten, wie Herrn Überall--nicht ganz so offensichtlich einseitige Aussagen.

Nächster Artikel