Ermittlungen gegen "Letzte Generation" - Journalistenverband DJV kritisiert Abhören von Gesprächen mit Presse

So 25.06.23 | 17:25 Uhr
  92
Archivbild:Aktivisten der Letzten Generation werden am 04.05.2023 von Polizisten umringt.(Quelle:imago images/S.Zeitz)
Audio: rbb24 Inforadio | 25.06.2023 | Nachrichten | Bild: imago images/S.Zeitz

Monatelang hat das bayrische LKA Telefonate von Klima-Aktivisten der "Letzten Generation" mit Journalisten abgehört. Der Deutsche Journalisten-Verband sieht die Pressefreiheit nicht gewahrt und fordert eine politische Aufarbeitung.

Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) sieht das Abhören von Mitgliedern der "Letzten Generation" durch bayerische Ermittler äußert kritisch. Das sagten Vertreter des DJV am Sonntag auf Anfrage von rbb|24. Abgehört wurde auch das Pressetelefon der Organisation mit Berliner Vorwahl.

Ermittler bestätigen Abhöraktion

Die Generalstaatsanwaltschaft München hatte am Sonntag bestätigt, dass Ermittler Telefonate von Mitgliedern der Klimagruppe "Letzte Generation" in ihrem Auftrag abgehört haben. Das Amtsgericht München habe wegen des Anfangsverdachts der Bildung beziehungsweise Unterstützung einer kriminellen Vereinigung gegen Mitglieder der Gruppe Beschlüsse auch zur Überwachung der Telekommunikation erlassen, teilte die Behörde am Sonntag auf dpa-Anfrage mit.

Diese Beschlüsse seien vom Bayerischen Landeskriminalamt im Auftrag der Generalstaatsanwaltschaft vollzogen worden. Zuvor hatte die "Süddeutsche Zeitung" [Bezahlbeitrag] berichtet, dass die Behörde offenbar monatelang zahlreiche Gespräche von Aktivisten mit Journalisten abhören lassen habe.

Auch eine Nummer mit Berliner Vorwahl sei überwacht worden. Das Pressetelefon der Gruppe ist ein Festnetzanschluss und hat die Berliner Vorwahl 030.

DJV sieht Grundrecht auf Pressefreiheit nicht genügend gewahrt

Gespräche mit Journalisten unterlägen einem besonderen Schutz, sagte Steffen Grimberg vom DJV Berlin zu rbb|24. Er rate dringend dazu nachzuprüfen, ob tatsächlich ein übergeordnetes Interesse bei den Strafverfolgungsbehörden bestehe.

Auch DJV-Bundesvorstand Frank Überall bezweifelt, dass das Grundrecht der Pressefreiheit sorgsam genug abgewägt wurde. Die Presse sei Berufsgeheimnisträger, erklärte Überall gegenüber rbb|24. Demnach komme ein Abhören nur infrage bei Straftaten von erheblicher Bedeutung, sagte er unter Verweis auf §160a der Strafprozessordnung. Er könne sich nicht vorstellen, dass das, was der "Letzten Generation" zur Last gelegt werde, so übergeordnet sei, dass das Grundrecht der Pressefreiheit eingeschränkt werden könne. "Das muss aufgearbeitet werden. Das ist jetzt eine politische Aufgabe", forderte Überall.

Auch den Anfangsverdacht wegen Bildung beziehungsweise Unterstützung einer kriminellen Vereinigung sieht der DJV kritisch. "Ist das Besetzen von Straßen wirklich geeignet, dieses hohe Maß 'kriminelle Vereinigung' anzunehmen?", fragt Überall. Und Grimberg erklärte, der DJV beobachte mit Sorge, dass Strafverfolgungsbehörden schnell von einer kriminellen Vereinigung sprächen.

Behördensprecher: "Verfassungsrang der Pressefreiheit entsprechend gewichtet"

Ein Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft München teilte mit, dass sich die Beschlüsse nicht gegen Journalistinnen oder Journalisten richteten. "Diese waren aufgrund von Anrufen über die überwachten Telefonnummern allerdings von den Maßnahmen betroffen."

Er erklärte, dass vor und während der Überwachung ständig deren Verhältnismäßigkeit geprüft worden sei. Die Generalstaatsanwaltschaft sei ebenso wie vor dem Erlass der Beschlüsse zu der Auffassung gelangt, dass die Maßnahmen vor dem Hintergrund der Tatvorwürfe verhältnismäßig seien. "Bei dieser Abwägung wurde der Verfassungsrang der Pressefreiheit selbstverständlich entsprechend gewichtet", teilte der Sprecher mit.

Die Münchner Generalstaatsanwaltschaft lässt gegen die "Letzte Generation" wegen des Verdachts der Bildung einer kriminellen Vereinigung ermitteln. Das hatte auch Durchsuchungen in Berlin und Brandenburg zur Folge. Die Berliner Staatsanwaltschaft sieht allerdings bei der Gruppierung keinen Anfangsverdacht auf Bildung einer kriminellen Vereinigung. Das sagte der Sprecher der Berliner Staatsanwaltschaften, Sebastian Büchner, im Mai im Gespräch mit rbb24 Inforadio.

Linke: Abhöraktion ist Teil des Wahlkampfes

Vertreter der SPD und der Linken äußerten sich kritisch zu der Überwachung. "Das gesamte Vorgehen wirft Fragen nach der Verhältnismäßigkeit auf", sagte Lars Castellucci, stellvertretender Vorsitzender des Innenausschusses im Bundestag, dem "Tagesspiegel" . Diese Fragen richteten sich nicht nur an die Behörden, sondern auch an die Politik. "Die Sorgen vor einer Radikalisierung des Klimaprotests sind ernst zu nehmen", sagte der SPD-Politiker: "Der Straftatbestand einer kriminellen Vereinigung darf aber keine Einladung zu Vorgehensweisen sein, die die Beschuldigten erst in die Radikalität treiben."

Der Linken-Fraktionsvorsitzende Dietmar Bartsch bewertete die Abhöraktion im "Tagesspiegel" als Teil des bayerischen Wahlkampfes. "Die Abhöraktion der bayerischen Generalstaatsanwaltschaft ist völlig unangemessen und zeigt, dass es falsch ist, dass Staatsanwälte politisch weisungsgebunden sind. Sie werden zu einem unanständigen Wahlkampf missbraucht", sagte Bartsch.

Polizeigewerkschaft rechtfertigt Überwachung

Die "Letzte Generation" schrieb zu dem "SZ"-Bericht am Samstag auf Twitter: "Wir protestieren mit Namen und Gesicht, veröffentlichen unsere Pläne, akzeptieren rechtliche Konsequenzen. Dennoch protokollierte das bayrische LKA Telefonate, Mails und Bewegungsprofile. Selbst unser Pressetelefon wurde überwacht. Das ist absurd!"

Die Deutsche Polizeigewerkschaft rechtfertigte die Überwachung dagegen. "Die Abhörmaßnahmen waren durch unabhängige Richter genehmigt und können jederzeit überprüft werden, auch nachträglich und in Bezug auf ihre Verwertbarkeit", sagte der Bundesvorsitzende Rainer Wendt am Samstag.

Sendung: rbb24 Inforadio, 25.06.2023, 18:00 Uhr

92 Kommentare

Wir schließen die Kommentarfunktion, wenn die Zahl der Kommentare so groß ist, dass sie nicht mehr zeitnah moderiert werden können. Weiter schließen wir die Kommentarfunktion, wenn die Kommentare sich nicht mehr auf das Thema beziehen oder eine Vielzahl der Kommentare die Regeln unserer Kommentarrichtlinien verletzt. Bei älteren Beiträgen wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen.

  1. 92.

    @Thorsten T. bezweifelt nur die Verhältnismäßigkeit, so wie ich im Übrigen auch, im Gegensatz zu ihnen. Aber das ist ja auch ok, weil dazu jeder bereits seinen festen Standpunkt hat.
    Es wird zu gegebenen Anlass sowieso eine höchstrichterliche Entscheidung geben, da uns LG und ihr Wirken mit Sicherheit erhalten bleibt und die gerichtliche Überprüfung durch die jeweils unterliegende Seite immer wahrscheinlicher wird.

  2. 91.

    "Bayern ist Einzahler im Länderfinanzausgleich." Und war vorher jahrzehntelang von 1950 bis 1987 Nehmerland und wurde dadurch vom reinen Agrarland zu einem Wirtschaftsstandort.

    "Berlin als Hauptstadt ist seit Jahrzehnten Empfänger und schafft es nicht, wirtschaftlich so auf die Beine zu kommen, dass es ohne die Solidarität der wirtschaftlich starken Bundesländer überleben könnte."

    Andere Länder stützen ihre Hauptstadt weil die eben auch noch zusätzliche Aufgaben zu bewältigen hat. Außerdem hat das historische Gründe.

    Die Schwerindustrie wurde verlagert, anderen Konzerne mit Steuererleichtrungen aus Berlin weggelockt. Siemens, AEG, Herlitz...

    "Es ist für Europa sehr unüblich, dass eine Hauptstadt eine wirtschaftlich schwache Wirtschaft hat."

    Andere Staaten sind zentralistisch aufgebaut wie Frankreich, das wollte man in D nach 1945 aus guten Grund nicht mehr.

  3. 90.

    Sie haben den Unterschied zwischen einer mutmaßlichen Kriminellen Vereinigung, also z.B. einer Gruppe Fahrraddiebe oder die Letzte Generation, und einer mutmaßlich terroristischen Vereinigung wie die vom Reus III nicht verstanden und verharmlosen zudem gemeinsam geplante und verübte Straftaten wie Sachbeschädigung und Hausfriedensbruch als angeblich friedlich. Gewalt muss nicht unbedingt körperlich sein.

  4. 88.

    Muss ich nicht, die Betroffenen werden Beschwerde einlegen, da können sie ganz beruhigt sein.

  5. 87.

    Na dann legen Sie Beschwerde ein und informieren Sie uns über den Ausgang des Verfahrens

  6. 86.

    Keiner von Beiden. Aus diesem Grund wird es auch höchste Zeit Beschwerde beim BVerfG zu führen.

  7. 85.

    Bartsch ist nicht nur im Bayrischen Wahlkampf. Seine Partei kämpft auch um das politische Überleben. Da kam dem RBB seine Aussage gerade recht.

  8. 84.

    Frage an den Landesverband Tourismus! Ist es bis zur Landtagswahl in Bayern sicher, wenn ich mit einem PKW, mit Kennzeichen aus Berlin oder Flensburg, in München auf dem Parkplatz, vor einem Museum, die Warnwesten anziehen?
    ...
    Selbstverständlich handeln die Gerichte unabhängig. Das ist hier nicht die Frage. Alles andere wäre rechtsbeugung. Nun stellt sich Frage welche Sachverhalte von der Staatsanwaltschaft dem Gericht vorgelegt werden. Hier beginnt die politische Auseinandersetzung, welche Personen arbeiten in Bayern bei der Exkutive und eskaliert das Verfahren. So bekommt die Aussage von dem Linken-Fraktionsvorsitzende Dietmar Bartsch ein Gewicht, dass die Staatsanwaltschaft für den Wahlkampf zur Landtagswahl...
    Die eigentliche Aktion der letzten Generation und die Frage ob eine strafbare Handlung vorliegt wird zur Nebensache.
    Zur Nebensache werden auch andere Sachen! Schade! In Bayern ist Wahlkampf. Dem hat die Welt sich unter zu ordnern!

  9. 83.

    Auch Journalisten haben sich an Recht und Ordnung zu halten und nicht andauernd andere ihre sogenannte "Pressefreiheit" unter der Nase zu reiben. Wer kennt sich wohl besser mit dem Gesetz aus. Der Generalstaatsanwaltschaft oder die angeblichen Journalisten

  10. 82.

    Sie meinen, weil ich der kruden Theorie des Hr. Bartsch nicht Folge, habe ich seinen Einwand nicht verstanden...
    Ich denke, dass es genau andersrum ist.
    Bartsch macht Wahlkampf, indem er solche "Vorwürfe" raushaut.
    Komisch, wenn ein Urteil oder ein richterlichenr Erlass, den Linken nicht passt, dann sind die Entscheidungen politisch motiviert.
    Wenn alles nach linker Pfeife tanzt, ist alles rechtlich einwandfrei.
    Ich bleibe dabei: der Vorwurf der wahlkampforientierten Abhöraktion ist in meinen Augen der Wahlkampf. Selbst einem "Linken"
    muss doch klar sein, dass so eine Aktion eigentlich nicht als Wahlkampf taugt. Da taugt die Behauptung, es sei Wahlkampf doch viel eher als Wahlkampf. In diesem Fall linksgerichtet.

  11. 81.

    Bayern ist Einzahler im Länderfinanzausgleich.
    Berlin als Hauptstadt ist seit Jahrzehnten Empfänger und schafft es nicht, wirtschaftlich so auf die Beine zu kommen, dass es ohne die Solidarität der wirtschaftlich starken Bundesländer überleben könnte.
    Es ist für Europa sehr unüblich, dass eine Hauptstadt eine wirtschaftlich schwache Wirtschaft hat.

  12. 80.

    Bayern wird pauschal abgewatscht. So ist Berlin. Aber immer schön Geld von den Gebern abgreifen."
    Auf der einen Seite die Kritik an den bayrischen Verhältnissen als zu pauschal kritisieren und dann mit dem Länderfinanzausgleich kommen.
    Ad absurdum nennt man sowas wohl.

  13. 79.

    Wie kann man Straftaten wie Sachbeschädigung, Hausfriedensbruch, Nötigung etc. gemeinsam friedlich planen und begehen?

  14. 78.

    Was hat denn eine halbwegs illegale „watergate“- aktion mit dem länderfinanzausgleich zu tun?

  15. 77.

    Die Bayern greifen endlich durch, und hoffentlich wird bei uns der rot grüne Nebel abziehen und wir können auch wieder frei durch atmen. Was soll der Staat machen?, wenn im verborgenen alles organisiert wird, eben auch Straftaten egal welcher Art!

  16. 76.

    Wenn Sie den Artikel sorgfältiger gelesen hätten, würden Sie feststellen, dass der RBB direkt selber mit dem DJV und den Berliner Staatsanwaltschaften gesprochen hat. Der Text bezieht sich also nicht nur auf die Süddeutsche Zeitung, wie Sie behaupten. Bevor man mit Populismus versucht, Bashing gegen einen ÖR-Sender zu betreiben, sollte man sich doch wenigstens den Artikel ganz durchlesen, über den man sich so schön aufregen will. Sonst kann die "Kritik" nämlich keiner ernst nehmen. Es steht ja alles schwarz auf weiß oben drüber ;-)

  17. 75.

    Dumme Heulerei der Letzten Generation. Bayer hats richtig gemacht. Letzte Generation darf Notärzte an der Arbeit hindern, beschmiert Gebäude etc.. Und jetzt regen die sich auf.
    Echt herrlich diese Allerletzte Generation.

  18. 74.

    Bei Sachbeschädigung ist die Telefonüberwachung erst recht unverhältnismäßig!

  19. 73.

    Und was ist der Beschluss des AG München? Von Söder angeordnet? Merkst selbst, wie sehr das an Verschwörungstheorien erinnert, oder?

Nächster Artikel