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Quelle: dpa/J. Carstensen

Beratungen zum Doppelhaushalt

Berliner Senat erwägt offenbar deutliche Einsparungen bei Radwegen

Die CDU-geführte Verkehrsverwaltung hat jüngst die Radweg-Projekte in Berlin vorerst auf Eis gelegt - jetzt sollen offenbar auch die entsprechenden Mittel deutlich heruntergefahren werden. Experten in der Mobilitätsverwaltung schlagen Alarm. Von Jan Menzel

Wären Haushaltsberatungen ein Radrennen, dann lägen die verschiedenen Senatsverwaltungen jetzt auf den letzten Metern. Der Entwurf für den Doppelhaushalt 2024/25 steht in seinen wesentlichen Zügen. Alle Fach-Senatoren waren beim obligatorischen "Chefgespräch" mit Finanzsenator Stefan Evers (CDU). Kommende Woche soll dann der Senat das Zahlenwerk beschließen.

Radfahrende und Radaktivisten treibt aber spätestens seit dem Radwege-Stopp von Mobilitätssenatorin Manja Schreiner (CDU) die Sorge um, sie könnten auf der Strecke bleiben. Senatsinterne Unterlagen für den geplanten Doppelhaushalt, die dem rbb vorliegen, zeigen, dass diese Befürchtung nicht unbegründet ist.

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Für das nächste und übernächste Jahr droht demnach eine deutliche Reduzierung der Mittel im Radwege-Bereich. Die Finanzverwaltung hat in den üblichen Abstimmungsrunden mit der Verkehrsverwaltung Kürzungen zwischen 40 und 60 Prozent gefordert. Diese Spar-Vorgaben stoßen bei den Fachleuten in der Mobilitätsverwaltung jedoch auf Widerspruch.

Die Experten warnen eindringlich davor, dass bestehende Finanzierungszusagen für Radprojekte in den Bezirken nicht eingehalten werden können, wenn es bei den Kürzungen bleibt. Ohne mehr Geld gebe es auch "keine Spielräume für neue/zusätzliche Maßnahmen", schreiben sie in einer schriftlichen Stellungnahme.

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Sanierung und Neubau wären betroffen

Konkret betroffen von den Kürzungsüberlegungen ist das Bezirks-Sonderprogramm für die Sanierung von Radwegen und eher einfache Maßnahmen in diesem Bereich. Hier hatte die seinerzeit noch von Grünen-Politikerin Bettina Jarasch geführte Verkehrsverwaltung 15 Millionen Euro für 2024 und 22 Millionen Euro für 2025 veranschlagt. Die Finanzverwaltung mit dem neuen Senator Evers fordert dagegen eine Halbierung auf 9 beziehungsweise 9,5 Millionen Euro pro Jahr.

Bei den großen Investitionsvorhaben – hier geht es vor allem um den Neubau von Radwegen – verhält es sich ähnlich. Ursprünglich waren 12 beziehungsweise 16 Millionen Euro für die beiden Jahre vorgesehen. Die Finanzverwaltung spricht sich dafür aus, nur etwa halb so viel auszugeben. Die Experten in der Mobilitätsverwaltung warnen deshalb vor einem Abwürgen des Radwegebaus, der sowohl bewilligte Maßnahmen als auch neue Projekte betreffen würde.

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Position von Senatorin Schreiner unklar

Dass in Haushaltsberatungen die Finanzverwaltung stets restriktiver auftritt als die jeweiligen Fachverwaltungen, ist durchaus üblich und gehört sozusagen zum Geschäft. Unklar ist dagegen, wie sich die neue Mobilitätssenatorin Schreiner in ihren Verhandlungen mit dem Finanzsenator positioniert hat. Schreiners Verwaltung hatte den Prüf-Stopp für alle Radprojekte bereits mit einer Priorisierung und der finanziellen Situation Berlins begründet. Das könnte darauf hindeuten, dass die Senatorin beim Radwegebau künftig mit weniger Geld kalkuliert. Eine Sprecherin der Mobilitätsverwaltung wollte sich dazu nicht äußern.

Die Sprecherin der Finanzverwaltung verwies darauf, dass die Haushaltsberatungen noch nicht abgeschlossen seien. "Grundsätzlich kann ich mitteilen, dass wir mit unseren Ansätzen für 2024 und 2025 weit oberhalb der Ist-Ausgaben von 2022 liegen", sagte sie weiter. Das klingt zunächst so, als würde es mehr Geld für den Radverkehr geben. Am Ende könnte sich hinter der Formulierung "weit oberhalb der Ist-Ausgaben von 2022" aber doch die befürchtete Kürzung verbergen.

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Denn 2022 war bezogen auf den Landeshaushalt ein besonderes Jahr. Aufgrund der Koalitions- und Senatsbildung nach der Abgeordnetenhauswahl 2021 verzögerte sich damals der Haushaltsbeschluss. Als Konsequenz rutschte Berlin in der ersten Jahreshälfte in die vorläufige Haushaltswirtschaft. Für die Verwaltungen war das eine Quasi-Haushaltssperre. Damit konnten zum Teil keine Aufträge mehr erteilt werden und auch keine Mittel abfließen. 2022 wurden im Rad-Bereich für einfache und große Bauvorhaben zusammen nur rund neun Millionen Euro abgerufen. In etwa die gleiche Summe blieb ungenutzt liegen.

Die Fachleute der Mobilitätsverwaltung prognostizieren aber, dass die Mittel ohne vorläufige Haushaltswirtschaft wieder besser abgerufen werden. Die Bezirke hätten zudem mehr offene Stellen mit Radplanern besetzt. Das könnte dafür sprechen, dass mehr Radwege geplant und gebaut werden können.

Den Experten zufolge läuft Berlin aber auch Gefahr, künftig bei Bundesmitteln aus dem Förderprogramm "Stadt und Land" leer auszugehen. Dabei handelt es sich um Radprojekte, bei denen der Bund Dreiviertel der Kosten übernimmt. Den Rest muss Berlin zuschießen. Damit diese Fördergelder in Anspruch genommen werden können, dürften die Ansätze im Haushaltsentwurf aber nicht so stark abgesenkt werden, mahnen die Mobilitätsexperten.

Sendung: rbb24 Abendschau, 03.07.2023, 19:30 Uhr

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Beitrag von Jan Menzel

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