Porträt - Matthias Platzeck - Deichgraf, Landesvater und Krisenmanager

Mo 29.07.13 | 00:00 Uhr | Von Nele Haring
Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) (Bild: dpa)
Bild: dpa

Matthias Platzeck galt als Ausnahme-Politiker. Nach der Wende machte er rasch Karriere, und genauso rasch wuchs seine Popularität. Vor allem der Flughafen BER stellte ihn auf eine harte Probe.

Die politische Laufbahn des Matthias Platzeck begann 1988, damals gründet er mit Gleichgesinnten die Arbeitsgemeinschaft für Umweltschutz und Stadtgestaltung ARGUS. Nach dem Zusammenbruch des SED-Regimes beteiligte er sich der damals 33-jährige studierte Ingenieur an der Gründung der "Grünen Liga". Er nahm an den Beratungen des Runden Tischs teil und wurde in der Übergangsregierung von Hans Modrow zum Minister ohne Zuständigkeitsbereich.

Umweltminister Platzeck vor dem Oderdeich bei Hohenwutzen (Foto: dpa)
Umweltminister Platzeck: Der "Deichgraf" in Hohenwutzen (Foto: dpa)

Rasche politische Karriere

1990 zog er in die Volkskammer ein, zusätzlich errang er später im Brandenburger Landtag ein Mandat. Im November übernahm er dort unter Ministerpräsident Stolpe das Amt des Umweltministers.

1991 schlossen sich die ostdeutschen Bürgerbewegungen zu "BÜNDNIS 90" zusammen, zwei Jahre später wurde die Vereinigung mit den westdeutschen Grünen beschlossen. Doch Platzeck war gegen diese Fusion und traf eine weit reichende Entscheidung: Er schied aus der Partei aus und wechselte 1995 zur SPD.

Schon zwei Jahre darauf erlangte Brandenburgs Umweltminister wegen seines Einsatzes beim Oderhochwasser bundesweite Berühmtheit – vor allem durch die ständige Medienberichterstattung über die "Jahrhundertflut". Aus dieser Zeit stammt sein Beiname "Deichgraf", den ihm eine Boulevardzeitung verpasste.

1998 kandidierte der mittlerweile sehr populäre Platzeck für den Posten des Oberbürgermeisters von Potsdam - und gewann.

Auch in der SPD machte der Ostdeutsche rasch Karriere: 1999 wurde er in den Bundesvorstand gewählt, 2000 löste er Steffen Reiche als Landesvorsitzenden in Brandenburg ab.
Ministerpräsident Matthias Platzeck mit Vorgänger Manfred Stolpe (Foto: dpa)
Kurz nach der Wahl zum Ministerpräsidenten - mit Vorgänger Stolpe (Foto: dpa)

Ministerpräsident in Brandenburg

2002 trat Manfred Stolpe überraschend als Ministerpräsident von Brandenburg zurück und schlug Platzeck zu seinem Nachfolger vor: Im Juni 2002 wurde der 49-Jährige zum Landeschef gewählt.

Platzeck galt immer als bürgernaher Politiker, aber zur Not konnte er auch die Krallen ausfahren, wenn es um die Interessen des Landes ging. So trug er zwar die Agenda 2010 und die Hartz-Gesetze der Schröder-Regierung mit. Aber er erreichte, dass Regionen mit mehr als 15 Prozent Arbeitslosigkeit eine besondere Unterstützung erhielten.

Auch sein vorzeitig abgebrochener Ausflug an die Spitze der Bundes-SPD tat seiner Popularität keinen Abbruch. Als SPD-Chef Müntefering Ende 2005 das Handtuch warf, war es Platzeck, der als "Retter in der Not" den Posten übernahm. Fünf Monate später gab er den Vorsitz aus gesundheitlichen Gründen ab, ein Hörsturz zwang ihn zur Pause. Er erntete dafür mehr Mitgefühl als Häme.
Klaus Wowereit und Matthias Platzeck geben den 17. März 2013 als neuen BER-Starttermin bekannt (Foto: dpa)
BER-Aufsichtsratschef Wowereit und Stellvertreter Platzeck (Foto: dpa)

Das schwierige Thema Flughafen

Als stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender der Flughafengesellschaft schlug ihm ein deutlich rauerer Wind entgegen. Zwar wurde der Airport als größtes Infrastruktur-Projekt lange Zeit als Hoffnung für das Land gefeiert. Aber spätestens im September 2010 wurde es für Platzeck ungemütlich - als die Deutsche Flugsicherung die Flugrouten am BER vorstellte. Auf einmal waren wegen abknickender Streckenführungen viel mehr Menschen in der Umgebung des Flughafens von Fluglärm betroffen als zunächst angenommen – und teilweise auch in komplett anderen Gemeinden.

Der Spagat zwischen Landesvater und BER-Aufsichtsrat gelang Platzeck in dieser Zeit nicht immer: Als er sich beispielsweise bei einer Demonstration aufgebrachter Bürger in Zeuthen an die Spitze der Bewegung setzen wollte, erntete er vor allem Pfiffe und Buhrufe. Dass die Festlegung der Flugrouten Angelegenheit des Bundes ist, half ihm auch nicht weiter.

In Erklärungsnot geriet er außerdem, als der BER-Aufsichtsrat beschloss, gegen ein Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vorzugehen. Das Urteil gestand den Anwohnern den maximalen Schallschutz zu. Der Aufsichtsrat ließ das Urteil überprüfen. Dieser Beschluss brachte Platzeck auch in Misskredit beim Koalitionspartner: Die Linke bezeichnete den Vorgang als "Skandal".

Platzeck argumentierte, als Ministerpräsident Brandenburgs sei er für die steigenden Kosten am BER verantwortlich – die letztlich auch das Land belasteten.
Brandenburgs Ministerpräsident Platzeck bei Günther Jauch (Foto: dpa)
Brandenburgs Ministerpräsident Platzeck im ARD-Talk mit Günther Jauch (Foto: dpa)

"Entweder das Ding fliegt - oder ich fliege"

Als dann der neue Termin Oktober 2013 auch wieder platzte und Klaus Wowereit als Aufsichtsratschef zurücktrat, musste sich Platzeck entscheiden. Er wählte die Flucht nach vorn und kündigte an, den Vorsitz zu übernehmen.

Damit verknüpfte er sein politisches Schicksal mit dem des BER: "Entweder das Ding fliegt – oder ich fliege." Diesen Ausspruch tat Platzeck einen Tag vor der Vertrauensabstimmung im Landtag – und gewann.

Die Gefahrenzone hat er damit noch nicht verlassen. Denn "das Ding fliegt“ noch lange nicht, und 2014 wird in Brandenburg gewählt.

Auch für die Bundestagswahl 2013 gilt Platzeck als Hoffnungsträger, der im Osten Stimmen ziehen soll - zumal die SPD in Umfragen immer mehr absackt. Viel Verantwortung für einen, der gesundheitlich nicht als sehr stabil gilt.

Schlaganfall - und trotzdem weiter

Im Juni, kurz nach seinem Hochwasser-Dauereinsatz, erwischt es den 59-Jährigen dann: Kurz nach der Teilnahme an einer Talkshow wird Platzeck in die Klinik eingeliefert. Erst heißt es: Kreislaufzusammenbruch. Zehn Tage später macht Platzeck selbst in einem Interview öffentlich: Er hat einen "minor stroke" erlitten, einen leichten Schlaganfall.

Was das für seine weitere politische Karriere bedeutet, scheint bald auf der Hand zu liegen. Schon wird über Nachfolger spekuliert. Aber die SPD kann nicht auf ihn verzichten, so kurz vor der Bundestagswahl. Also macht Platzeck erstmal weiter. Er werde seine Aufgaben "möglichst uneingeschränkt“ wahrnehmen, sagt er noch im Juni. Und scherzt auf offener Bühne mühsam: "Zur Zeit sei sein Linksdrall noch etwas stärker, als das Parteibuch es erfordere." 

Wie eingeschränkt er sich dabei fühlte, blieb bis Ende Juli sein Geheimnis. Am 29. Juli, seinem ersten Arbeitstag nach einem dreiwöchigen Urlaub, sickern am Mittag erste Meldungen durch: Platzeck zieht sich Ende August aus der Politik zurück.Und so kam es auch.

Am 28. August 2013 hatte der Deichgraf seinen letzten Arbeitstag. Er schlug seinen Landesinnenminister Dietmar Woidke als seinen Nachfolger vor, der das Amt übernahm.

Beitrag von Nele Haring

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