Zahlen für Berlin und Brandenburg - Starkregen der letzten Jahre führt zu Millionenschäden

Mo 10.07.23 | 07:57 Uhr | Von Torsten Mandalka
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Ein Regenschauer über Berlin am 20.07.2020 in der Straße Unter den Linden in Berlin-Mitte. (Quelle: imago images/Christian Spicker) .
Video: rbb24 Brandenburg Aktell | 10.07.2023 | Torsten Mandalka | Bild: imago images/Christian Spicker

Starkregen hat in den letzten 20 Jahren Schäden von mehr als 450 Millionen Euro in Berlin und Brandenburg angerichtet, Tendenz steigend. Die Versicherungswirtschaft fordert, mehr für Klimaschutz und -anpassung zu tun. Von Torsten Mandalka

  • Gesamtverband der Versicherer registriert in Berlin und Brandenburg im Schnitt rund 4.250 Schadensfälle durch Starkregen pro Jahr
  • Berlin mit vielen versiegelten Flächen besonders schlecht aufgestellt
  • Prognosen schwierig: Orte der Starkregenereignisse rein zufällig

Fast 85.000 Schäden bei rund 1.850 Starkregenereignissen hat der Gesamtverband der Versicherer (GDV) in Berlin und Brandenburg seit 2002 registriert. Die Zahlen liegen dem rbb exklusiv vor.

"Wir sehen eine Zunahme von Extremwetterereignissen in den letzten 20 Jahren", erläutert Jörg Asmussen, Hauptgeschäftsführer des GDV. "Das ist auf der einen Seite eben Starkregen. Auf der anderen Seite haben Sie Dürre. Das sehen wir auch in Teilen Brandenburgs. Also: Wir verlieren die Mitte beim Wetter."

Unwetter sind unberechenbar

Manchmal kündigen die Wetterdienste die Unwetter früh genug an, manchmal entwickeln sich Gewitter-Zellen aber auch ganz plötzlich – besonders dann, wenn es lange Zeit extrem heiß war.

Pfingstsonntag 2019 etwa schüttete es in Potsdam in der Nacht wie aus Eimern. Regenmengen von 80 Litern pro Quadratmeter prasselten auf die Brandenburger Landeshauptstadt herab: Großalarm für die Potsdamer Feuerwehr.

In solchen Lagen reißt der Wind Bäume um, Hänge können abrutschen, Straßen verwandeln sich zu Sturzbächen, Keller und Tiefgaragen laufen voll. Das kann auch Menschenleben gefährden: "Wenn jemand nicht schnell genug rauskommt mit seinem Fahrzeug, das er unbedingt noch retten möchte, müssen wir vor Ort sehr schnell handeln", sagt Christian Schulz, Bereichsleiter Katastrophenschutz bei der Potsdamer Feuerwehr.

Topographie entscheidet über Starkregen-Schäden

Die Kosten solcher Katastrophen sind beachtlich: Seit 2002 gab es laut GDV in Berlin mehr als 30.000 Schäden mit einer Schadenssumme von 174 Millionen Euro, in Brandenburg wurden mehr als 50.000 Schäden verzeichnet – mit einer Gesamtschadenssumme von 283 Millionen Euro. Darin enthalten sind sowohl versicherte als auch nicht versicherte Schäden.

Dass es im flächenmäßig deutlich größeren Land Brandenburg sowohl mehr Starkregenereignisse als auch mehr Schadensfälle gegeben hat, ist nicht überraschend. Hier gab es mit der Überschwemmung von Leegebruch am 29. Juni 2017 und dem Starkregen Ende Juni 2021 in der Uckermark auch Unwetter, die größere Regenmengen produzierten als die bei der Ahrtal-Katastrophe.

Welche Schäden so etwas anrichtet, ist abhängig von der Topographie: Die Wassermassen in der Uckermark versickerten weitestgehend im ländlichen Boden, nur vereinzelt wurden in Prenzlau und Umgebung größere Schäden registriert. Leegebruch dagegen wurde überschwemmt, denn der Ort liegt in einer Senke und die Abflüsse funktionierten nicht gut.

Versiegelung Berlins ist Problem bei Starkregen

In beiden Fällen waren keine unmittelbaren Verluste von Menschenleben zu beklagen. In Leegebruch starb allerdings ein Arbeiter bei den anschließenden Aufräumarbeiten.

Neben der Topographie birgt die Bodenversiegelung ein hohes Gefahrenpotenzial bei Starkregen. Deshalb ist Berlin mit seinen vielen versiegelten Flächen genauso schlecht für Starkregen aufgestellt wie viele andere Großstädte in Deutschland und anderswo.

Auf die letzten 20 Jahre gerechnet liegt in Berlin der Schaden pro Fall bei 5.896 Euro. In Brandenburg waren es 5.476 Euro.

Auch der Anteil der betroffenen Gebäude ist in Berlin höher: In der Hauptstadt wurden zwischen 2002 und 2022 in rechnerisch 148,3 von tausend Gebäuden durch Starkregen beschädigt, in Brandenburg waren es nur 77,1.

Regionale Unterschiede in der Vergangenheit sagen nichts über die Zukunft

Einige Brandenburger Regionen waren bislang kaum von Starkregen betroffen: Spree-Neiße, die Prignitz, Cottbus, Brandenburg/Havel und Teltow-Fläming. Heftiger erwischte es die Uckermark, die Landeshauptstadt Potsdam, Frankfurt/Oder, Barnim und Potsdam-Mittelmark.

Das muss für die Zukunft nichts heißen: Der Deutsche Wetterdienst (DWD) weist darauf hin, dass nach jetzigem Wissensstand rein zufällig sei, welche Orte betroffen sind - es könne jeden Ort in Brandenburg jederzeit und mit ähnlicher Wahrscheinlichkeit erwischen.

Der ehemalige Staatssekretär im Bundesfinanzministerium und jetzige GDV-Geschäftsführer Jörg Asmussen verweist auf die Erkenntnisse aus der "KlamEx"-Starkregen-Studie des DWD von 2021 [dwd.de]: "Die sagt, der Starkregen wird durch den Klimawandel in den nächsten Jahren rund neunmal so häufig sein, als er in der Vergangenheit war."

Elementarschäden bald nicht mehr versicherbar

Für die Menschen steigt mit den Extremwetterlagen das Risiko, ihr Hab und Gut zu verlieren: "Das kann auch bis zum Totalschaden des Einfamilienhauses führen", sagt Asmussen. "Wenn das Fundament unterspült wird und damit die Statik angegriffen ist, brauchen Sie ein neues Haus."

Die Anpassung an die Folgen des Klimawandels funktioniere auch nicht, sagt Asmussen: "Wir bauen im Grunde genommen so, als wenn es keinen Klimawandel gebe. Wir brauchen mehr Prävention. Das heißt beispielsweise: Neubauten auf Sockel bauen." Wenn sich daran nichts ändere, könnten sich die Kosten für eine private Wohngebäudeversicherung in den kommenden zehn Jahren verdoppeln, erklärt Asmussen.

Vielleicht sei die Versicherung dann in manchen Fällen aber auch gar nicht mehr möglich: "Wenn wir nicht genügend Prävention leisten, droht die Gefahr, dass das Risiko wie in Florida oder Australien in Teilen privatwirtschaftlich nicht mehr versicherbar ist."

In diesem Zusammenhang übt der Versicherungs-Manager und ehemalige Spitzenpolitiker heftige Kritik am aktuellen Klima-Krisenmanagement der deutschen Politik: "Wir sind heute nicht auf dem Pfad zu einem 1,5- oder Zwei-Grad-Ziel. Die Maßnahmen, die wir heute umgesetzt haben, reichen dafür nicht aus."

Klimaschutz und Klima-Anpassung

Die Potsdamer Feuerwehr hat schon für den Klima-Krisen-Katastrophenfall aufgerüstet. In der Garage steht ein neuer Tatra-LKW, ein Riesen-Rettungsfahrzeug, dessen Pumpen 50.000 Liter Wasser pro Minute befördern können - beim Waldbrand ins Feuer, bei Überschwemmungen aus dem Gebäude heraus.

Katastrophenschützer Schulz stellt fest, dass einzelne Gebäude und deren Bewohner immer wieder betroffen sein können, wenn sie beispielsweise in topographisch schwierigen Gebieten liegen. In diesen Fällen rät er, "sich Sandsäcke zu beschaffen oder entsprechende Platten vor die Luftschächte zu bauen."

In vielen Fällen gebe es im Katastrophenfall auch Lebensgefahr für Hausbewohner. "Wenn Wasser in den Keller läuft, haben wir einen Raum voll Wasser und Stromanschlüssen. Und es passiert relativ oft, dass Menschen sich in solchen Fällen durch einen Stromschlag verletzen."

Tenor: Materielle Verluste kann man immer irgendwie ausgleichen, aber Menschenleben sind nicht zu ersetzen.

Sendung: Antenne Brandenburg, 10.07.2023, 7:30 Uhr

55 Kommentare

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  1. 55.

    Genauere Zahlen finden Sie hier:
    https://www.versicherungsbote.de/id/4909033/Wohngebaudeversicherung-Die-Marktfuhrer-im-Unglucksjahr-2021/
    Die Schadenquote nähert sich wohl im Durchschnitt 100%, die Hälfte der Versicherer sind bereits darüber, heißt, Auszahlungen höher als Beiträge.
    Hier auch noch mal etwas genauer beschrieben:
    https://www.versicherungsbote.de/id/4908821/Wohngebaudeversicherung-Sturmtief-Bernd-fuhrt-zu-verheerenden-Schadenquoten/

  2. 54.

    Besten Dank für die Erläuterung. In den 283 Mio sind laut Artikel auch noch nichtversicherte Schäden enthalten.

  3. 53.

    "Interessante Kalkulation. Woher haben Sie die 4,5 Mrd.?"
    Durch eine sehr konservative Kalkulation: Anzahl der bekannten Ein- und Zweifamilienhäuser in Brandenburg mal durchschnittliche Kosten von 300 € pro Wohngebäudeversicherung pro Jahr. Konservativ deshalb, weil diese Gebäude nur etwa 49,2 % des Gesamtwohnungsbestandes ausmachen und ich die Anzahl der Wohngebäude für die übrigen gut 50 % nicht so schnell und einfach ermitteln konnte. Daher werden es in Wirklichkeit noch deutlich weniger als 6 % sein. Letztlich wäre das eine Aufgabe für einen guten Journalisten ;)

  4. 51.

    Noch so einer der eine Auswertung und Hinweis als Panik interpretiert.
    Die deutsche Sprache ist so vielfältig aber einige denken nur in extremen.
    Gut wenn die Versicherer darauf aufmerksam machen.
    Vorbeugen kann Schaden mindern. Versicherungen sind ja nicht dafür da die Dummheit, Fahrlässigkeit der Gesellschaft auszugleichen.
    Schließlich sind wir erst am Anfang der Auswirkungen, die Bedingungen werden kaum besser, also die Schäden größer, wenn die Gesellschaft nicht gegensteuert.
    Augen zu und durch wird eben noch teurer.

  5. 49.

    Zitat: "In keinem anderen Land wird so ein Theater gemacht wie in Deutschland . . ."

    Nun ja, bspw. in anderen europäischen Ländern wie Dänemark, Schweden, Estland, Norwegen, UK, Niederlande, Portugal und Finnland wird mehr für den Klimaschutz als in Deutschland getan - und Sie fühlen sich von diesem ganzen "Theater", das Ihrer Ansicht nach angebl. in DE gemacht wird, schon übermäßig belästigt, Jens? Da scheint mir doch ein kleines Wahrnehmungsproblem vorzuliegen.

  6. 48.

    Lassen wir mal deren Gewinnabsichten außen vor... der Klimawandel trifft die Ärmsten am härtesten...

    ...und dann sind auch noch jede Menge Rattenfänger unterwegs...

    Die wie immer versuchen mit angeblich einfachen Lösungen auf Dummenfang zu gehen. Und es funktioniert!

    DAS erschreckt mich am meisten!

  7. 47.

    Die Münchener Rück warnt seit Jahrzehnten vor den Risiken. Der menschgemachte Klimawandel ist real.

  8. 46.

    Den 283 Mio. € Schäden in 22 Jahren stehen Einnahmen von ca. 4,5,Mrd. € gegenüber. D. h., die Versicherer mussten doch tatsächlich ca. 6,4 % ihrer Einnahmen an die Versicherten wegen Schäden durch Starkregenereignisse auszahlen. Na sowas aber auch! Wozu sind denn Versicherungen da? Doch nicht nur um die Versicherungsvertreter reich zu machen! Könnte man die Gegenüberstellung solcher Zahlen nicht durchaus auch von Journalisten erwarten? Muss man wegen dieser 6% gleich wieder die Panikwelle reiten?

  9. 45.

    Ach ja, wenn der Staat sich beispielsweise aus der Rentenversicherung nach der Widervereinigung rausgehalten hätte, dann hätten die Ostdeutschen, da nicht Beiträge gezahlt, keinen Rentenanspruch ghabt, und noch heute nach 30 Jahren hätte es für die meisten ab bestimmten Alter negative finanzielle Auswirkungen gehabt.
    Das man ausgerechnet in Ostdeutschland diese Zeilen zu lesen bekommt, verstehe, wer will.

  10. 44.

    Ja, aber die in den anderen Ländern sind dann völlig überrascht, wenn Massen an Wasser von oben kommt und vieles zerstört wird. Aber dann heißt es bei denen auch, dass der Staat gefälligst helfen muss, und überhaupt, wie das passieren konnte.

  11. 43.

    LOL... da ist was dran. Die Rentenkasse muss seit Jahren für Versicherungsfremde Leistungen und politische Wahlgeschenke herhalten. Ich würde sagen, man sollte endlich realisieren, dass man Städte nicht immer weiter verdichten kann. Darum muss man endlich über Zuzugsstops nachdenken statt über Deckel und Enteignung (während anderswo Wohnungen und ganze Häuser verfallen). In jeder Hinsicht. Wohnungen, Grünflächen, ÖPNV, Kitas.. alles...

  12. 42.

    Egal, das gehört nichtvzu diesem Beitrag, aber wir wissen, daß das Sozialversicherungssystem völlig renoviert werden muß. Heißt ja, Aufhebung der Beitragsbemessungsgrenzen, in Richtung einer Bürgerversicherung für alle, oder eine Steuerfinanzierung. Ich halte eine Rente für Menschen, die Ihr ganzes Leben zum Niedriglohn gearbeitet haben und dafür Sozialabgaben abführen mußten, zusätzliche Grundsicherung benötigen. Selbständige haben meist weder in die Renten noch in die Arbeitslosenversicherung einbezahlt, bekommen aber die selben Leistungen und müssen sich nur mit einem Amt rumschlagen, wenn sie darauf angewiesen sind oder sich so rechnen

  13. 41.

    Aber das ist ja in jeder Hinsicht vollkommen nachvollziehbare Politik der Versicherungen und eigentlich überhaupt nicht der Rede wert.

    Ich sehe die Nachricht als Ping an die Allgemeinheit.

    Hier wird eine kritische Grenze angegangen und wenn sie überschritten wird, gibt es keinen finanziellen Schutz, keine Versicherung mehr.

    Das sollte den Politikern eigentlich Warnung genug sein.
    Sie haben im ersten post von zwangsweise Haftpflichtversicherung bei KFZ geschrieben. Ich sehe die Haftpflicht bei KFZ für unbedingt und zwingend notwendig. Auch hier ist meiner Meinung nach überhaupt kein Spielraum gegeben.
    Ich mag Versicherungen nicht, werde aber bei deren Verlautbarungen schon mal hellhörig.

  14. 40.

    "Ich mag halt ungerne über den Klimawandel aus falscher Motivation heraus reden."
    Dann ignorieren Sie doch bitte einfach die Diskussion darüber und lassen Sie die Betroffenen sich ungestört austauschen.

  15. 39.

    Kein Problem, kommt das Geld eben aus der Rentenkasse. Der Staat hält sich raus und die Rentenversicherung holt sich die Mehrkosten über höhere Rentenbeiträge wieder rein. So 6-10 % mehr wird ja wohl kein Problem sein. Dafür kann dann ja auch die Einkommensteuer sinken. So ist der Ausgleich wieder da.

  16. 38.

    "Vollkommen unverständlich weshalb man im Ahrtal die Hütten wieder aufbaut."

    Was bleibt den Menschen dort denn anderes übrig? Die haben nun mal ihre Grundstücke dort, Ersatz wird nicht zur Verfügung gestellt, auf die "schnelle und unbürokratische Hilfe" warten die dort zum Teil noch immer, und Versicherer versuchen angestrengt sich aus ihrer Verantwortung zu winden. Wer keine Versicherung hat ist sowieso verloren.

  17. 36.

    Also ich kann mich aus meiner Kindheit und Jugend, 70er Anfang 80er, durchaus an lustige Planschbecken Partys erinnern und weil dann meistens warm und schwül war, uuh daß wir uns da mit Wonne naß gemacht haben.

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