Begriffe für den 9. November 1938 - Von der "Kristallnacht" zum "Novemberterror"

Do 01.11.18 | 11:56 Uhr | Von Matthias Schirmer
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Klar ist: In der Nacht vom 9. zum 10. November 1938 brach eine bislang ungeahnte Welle von Gewalt gegen Juden in Deutschland und Österreich aus. Die Bundeszentrale für Politische Bildung spricht etwa von 267 zerstörten Synagogen, mehr als 7.000 in Brand gesetzten und geplünderten jüdischen Geschäften, 91 Menschen, die getötet und circa 30.000, die in Konzentrationslager verschleppt wurden. Andere Quellen gehen von 400 Toten und bis zu 1.400 zerstörten Synagogen aus. Als belegt gilt, dass die Ausschreitungen von SA und NSDAP gezielt inszeniert wurden.

Reichskristallnacht?

Viele kennen die Vorgänge als "Reichskristallnacht". Doch ist dieser Begriff unter Historikern als verharmlosend verpönt. Woher er stammt, von Nazis oder aus dem Berliner Volksmund, ist unklar. Er spielt auf die Scherben an, die vor den überfallenen jüdischen Geschäften lagen. Belegt ist die Verwendung während des Nationalsozialismus bislang nur in einer Rede des NS-Funktionärs Wilhelm Börger vom Juni 1939. Die Nazis sprachen selbst eher von "Judenaktion", "Novemberaktion" oder "gerechten Vergeltungskundgebungen".

Pogrom?

Der Begriff Pogrom stammt aus dem Russischen und bedeutet soviel wie "Verwüstung", "Krawall". Heute gilt er als neutrales Synonym für Ausschreitungen gegen ethnische, politische oder religiöse Minderheiten. Er ist in Deutschland schon lange insbesondere im Zusammenhang mit antijüdischen Übergriffen gebräuchlich.

Politisch korrekte Sprachregelung?

Seit Ende der 1970er-Jahre setzten sich zunehmend die Alternativbegriffe "Reichspogromnacht" oder "Novemberpogrome" für den 9. November durch. Insbesonders nach der umstrittenen Gedenkrede des damaligen Bundestagspräsidenten Philipp Jenninger (CDU) von 1988 zum 50. Jahrestag der Pogrome, galt "Reichskristallnacht" als unangebrachter Begriff. Auch wenn der Ausdruck "Crystall-Night" im englischen Sprachraum durchaus gebräuchlich ist, wird er von deutschen Historikern als verharmlosend, euphemistisch, politisch inkorrekt und vermeintliche NS-Sprache abgelehnt. Die jüngste Sprachregelung ist unter anderem "Novemberterror".

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