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Video: rbb|24 | 24.03.2021 | Material: Presse- und Informationsamt der Bundesregierung | Quelle: dpa/Nietfeld

Bund-Länder-Beschlüsse

Merkel lässt "Ruhetage" über Ostern doch wieder streichen

An den Corona-Beschlüssen zu Ostern gab es heftige Kritik: Was bedeuten die "Ruhetage" Gründonnerstag und Karsamstag nun konkret? Am Mittwoch hat die Bundeskanzlerin diese Regel wieder zurückgenommen - und für einen "Fehler" um Verzeihung gebeten.

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hat nach massiver Kritik entschieden, den Bund-Länder-Entscheid zur sogenannten Osterruhe zu stoppen.

Die Idee sei mit bester Absicht entworfen worden, sagte Merkel am Mittwoch in Berlin nach kurzfristig angesetzten Beratungen mit den Ministerpräsidenten. Zu viele Fragen von der Lohnfortzahlung bis zur Lage in Geschäften und Betrieben hätten aber in der Kürze der Zeit nicht so gelöst werden können, wie es nötig gewesen wäre.

Merkel betonte: "Dieser Fehler ist einzig und allein mein Fehler." Qua Amt trage sie als Bundeskanzlerin die letzte Verantwortung. Für den Fehler bitte sie alle Bürgerinnen und Bürger um Verzeihung, er habe zu zusätzlicher Verunsicherung geführt. Das bedauere sie zutiefst.

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Kommentar | Merkel streicht "Ruhetage"

Unruhe statt Osterruhe – wer nicht kommuniziert, verliert

"Ruhetage" ohne Konkretisierung

Merkel wiederholte ihr Statement am Mittwoch bei einer Regierungsbefragung vor den Abgeordneten. Der FDP-Partei- und Fraktionschef Christian Lindner forderte sie auf, die Vertrauensfrage zu stellen. Auch der Linken-Fraktionschef Bartsch und der AfD-Abgeordnete Curio sprachen sich dafür aus. Die Kanzlerin entgegnete, sie habe ihrer Erklärung nichts hinzuzufügen.

Nach ursprünglichem Plan von Bund und Ländern sollten auch Supermärkte und Discounter am Gründonnerstag schließen. Zudem stand im Raum, dass sie am Karsamstag nur Lebensmittel und keine anderen Produkte wie Hygieneartikel hätten verkaufen dürfen. Die Bundesregierung hatte nach der Ankündigung am Montag allerdings keine konkrete Ansage gemacht, wie diese Einstufung als "Ruhetage" zum Beispiel arbeitsrechtlich geregelt wird, sondern überließ die rechtliche Ausarbeitung den Ländern. Die Pläne hatten heftige Kritik nach sich gezogen.

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Kommentar | Corona-Beschlüsse in Berlin

Selbstverschuldete Unruhe-Tage

Auch Müller spricht von "Fehler"

Nach der Rücknahme am Mittwoch gab es auch vonseiten der Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten selbstkritische Stimmen. Der Berliner Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) sagte am Dienstagnachmittag in einem Youtube-Video, dass bei der Regelung, die zusammen mit den Ministerpräsidenten getroffen worden sei, "offensichtlich nicht alle Folgen bedacht" wurden. "Es ist ein Fehler gewesen sich nicht rechtzeitig damit auseinanderzusetzen, was diese Entscheidung an Einschnitten für Sie bedeuten kann. Insofern ist es richtig, so eine Entscheidung, wenn sie auf Widerstand stößt zu korrigieren", so Müller.

"Wir haben immer noch eine Situation, in der viele Menschen an Covid erkranken und sterben. Wir haben jetzt eine Situation, in der auch Jüngere davon betroffen sind", fügte er hinzu. Weitere Maßnahmen, um neue Infektionsgefahren einzudämmen und zu beherrschen, seien nötig.

Am Donnerstagvormittag wollen die Parlamentarier im Berliner Abgeordnetenhaus über die Corona-Regeln diskutieren. Zu Beginn der Sitzung von 10 bis 11:30 Uhr hat Müller eine Regierungserklärung angekündigt. Der rbb überträgt die Sitzung live.

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Brandenburger Kabinett berät am Donnerstag

Das Brandenburger Kabinett wolle sich ebenfalls am Donnerstag mit der neuen Lage befassen, sagte Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) am Mittwochabend in "Brandenburg aktuell". "Wenn eine Entscheidung nicht umsetzbar ist, muss sie auch wieder zurückgenommen werden. Das ist richtig", hatte Woidke zuvor in Potsdam gesagt. "Es war unser aller Fehler, dass wir in der Nacht der MPK-Entscheidung nicht noch stärker die Konsequenzen hinterfragt haben. Jetzt geht es darum, weitere Wege aufzuzeigen, die Pandemie zu bändigen. Impfen und Testen gehören dazu, aber auch Kontaktbeschränkungen und Verringerung der Mobilität." Was das konkret für die Bürgerinnen und Bürger bedeutet, blieb zunächst offen.

Möglich seien aber in jedem Fall auch Modellprojekte für Öffnungen, wie sie auch die Bund-Länder-Konferenz beschlossen habe, sagte Woidke in "Brandenburg aktuell". "Bei einer Inzidenz von unter 100 sind solche Projekte durchaus auch in Brandenburg in der Außengastronomie und im Kulturbereich möglich"

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Wirtschaftsverbände befürworten Entscheidung

Auch Woidkes Koalitionspartner CDU im Brandenburger Landtag befürwortete die Entscheidung. Geschlossene Geschäfte am Gründonnerstag und Ostersamstag hätten den Einkauf nicht entzerrt - eher im Gegenteil, sagte der CDU-Fraktionsvize Frank Bommert dem rbb. Er hätte dem Beschluss der Ministerpräsidentenkonferenz (MPK) nicht zustimmen können, wenn dieser Punkt nicht geändert worden wäre.

Ähnlich äußerten sich mehrere Wirtschaftsvertreter. Das sei die "einzig richtige Entscheidung", erklärte die Präsidentin der Berliner Industrie- und Handelskammer, Beatrice Kramm, am Mittwoch. "Dennoch hat dieser undurchdachte Vorschlag großen Vertrauensschaden angerichtet", fügte sie hinzu. Das zeigten auch Hunderte ebenso empörte wie ratlose Anrufe bei der Corona-Hotline der IHK. "Immerhin ist anzuerkennen, dass es Mut kostet, eine falsche Entscheidung zurückzunehmen", so Kramm.

"In Zeiten von Corona muss es darum gehen, den Kundenandrang zu verteilen und nicht durch zusätzliche Schließungen für Schlangen vor den Geschäften zu sorgen", sagte der Hauptgeschäftsführer des Handelsverband Deutschland (HDE), Stefan Genth. Mit dem Beschluss vom Mittwoch kehre ein Stück Vernunft in die Corona-Politik zurück.

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Zweifel an der ausreichenden Wirksamkeit der Maßnahmen

Die Musterverordnung von Bund und Ländern biete auch ohne die Osterruhe einen Rahmen, um zu helfen, "die tödlichere und ansteckendere dritte Welle zu bremsen und zu stoppen", sagte Merkel am Mittwoch. "Mit der Notbremse, mit der Möglichkeit von regional zu entscheidenden Ausgangsbegrenzungen und Kontaktbeschränkung, mit dem Ausbau des Testens, natürlich auch mit der immer weiter verstärkenden Impfkampagne." Sie danke jedem, der mit seinem Verhalten dazu beitrage.

Daran aber, dass die neuen Regeln einen merklichen Einfluss auf ein Zurückdrängen der Pandemie bedeuten, haben mehrere Wissenschaftler deutliche Zweifel geäußert [tagesschau.de]. "Die Impfungen werden bis Ostern noch keinen nennenswerten Effekt haben, das neue Virus ist deutlich besser übertragbar, so richtiges Frühlingswetter haben wir auch noch nicht. Meines Erachtens wurde nichts beschlossen, was kurzfristig das Wachstum aufhalten könnte", sagte etwa der Epidemiologe Ralf Reintjes der "Tagesschau".

Am 12. April kommen Kanzlerin und Ministerpräsidentinnen und -präsidenten wieder zusammen.

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